Gastspiel des Verlegers Titus Häussermann

Bücherregale − nein danke!

20. Juli 2015
von Börsenblatt
Bücher könnten die nächsten Objekte sein, die nicht mehr als Schätze, sondern als "altmodischer" Ballast empfunden werden. Die man zwar lesen, aber nicht mehr besitzen will. Meint Titus Häussermann, Verleger des Silberburg-Verlags. Und hofft, dass es der Buchmarketingkampagne gelingt, "Bücher wieder als richtig geile Must-haves zu etablieren".
"Du schenkst mir ein Buch? Ich hab' doch schon eins!" Bucharme Haushalte hat es schon immer gegeben und die Scherze über sie, haha!, ebenso. Neuerdings aber gibt es immer mehr Bildungsbürger, Akademiker und Intellektuelle, in deren Wohnungen man kaum ein Buch entdeckt. Und zwar nicht, weil sie E-Book-Fans wären oder grundsätzlich nicht lesen. Nein, sie wollen einfach keine Bücher besitzen.

Wenn ich daheim auf meine Billys sehe − viele Bände, die in den Regalen stehen, habe ich nicht gelesen. Noch nicht. Ich habe sie empfohlen bekommen, habe sie zufällig entdeckt, bin durch eine Besprechung neugierig geworden. Auf manche freue ich mich seit Jahren. Die meisten waren Spontankäufe nach dem Motto "Was ich hab', das hab' ich".

Aber heute sind Bücher eben allgegenwärtig verfügbar. Es reicht eine Datei oder Zettelschublade, wo ich die Tipps und Besprechungen sammle. Per Printing-on-demand, über die Gebrauchtbuch-Plattformen oder eben als E-Book-Download kann man die Titel dann kaufen, wenn man tatsächlich zum Lesen kommt.

Es gibt noch andere Gründe, warum ich Bücher besitze. Manche von ihnen sind Sammelobjekte, aber seit es keine Jagd nach seltenen Stücken mehr gibt, weil ich den Titel bloß im ZVAB eingeben muss und dann bestellen kann, ist der Spaß weg − und der Stolz auf die Sammlung auch.

Manche Bücher habe ich zum Nachschlagen gekauft. Aber, ganz ehrlich: Das Internet löscht meinen Wissensdurst fast immer schneller, bequemer und aktueller.

Eine Handvoll Bücher sind Erinnerungsstücke für mich. Ich habe eine enge Beziehung zu ihnen, habe sie vorgelesen, als ich verliebt war, habe mich mühsam durch sie hindurchgequält, ich hatte sie auf spannenden Reisen dabei oder in kritischen Stunden im Krankenhaus. Ich liebe sie besonders − aber es sind eben nur ein paar.

Wieder andere Bücher will ich gar nicht haben. Sie stammen aus einem abgeschlossenen Lebens­abschnitt oder waren unpassende Geschenke. Meine Generation tut sich schwer damit, Bücher wegzuwerfen; Jüngere haben damit meist kein Problem.

Wer über Besitz verfügt, gilt etwas in der Konsumgesellschaft. Nein: galt. Denn diese Gewissheit löst sich gerade auf − zumindest in Bezug auf digitale Güter wie Musik oder Filme. Sind Bücher die nächsten Objekte, die hier an der Reihe sind? Sie werden nicht mehr als Schätze empfunden, sondern nur noch als Ballast.

Deutlich mehr Kinder besitzen ein Handy als ein Buch − das hat letztes Jahr eine englische Studie ergeben. Wer in jungen Jahren die Vorteile nicht schätzen lernt, die gut bestückte Bücherregale haben, wird Schinken und Schwarten auch in seinem späteren Leben kaum vermissen.

Ich fürchte, wir müssen der Tatsache ins Auge blicken: Ja, es ist altmodisch, Bücher zu besitzen.

Räusper. Wo bleibt das Positive? "Ja, weiß der Teufel, wo das bleibt", antwortete Erich Kästner 1930 auf diese Frage. Die Vinyl-Schallplatte ist heute wieder modern − vielleicht spült die nächste Modewelle Bücher wieder hoch? Vielleicht entwickeln sich neue Sammelgebiete: on demand gedruckte Lyrikbändchen oder Bücher, die nicht wie Bücher aussehen − "Warrior Cats" mit Fellüberzug und Stephen Kings "Wind" in Fönform?

Ach, hoffen wir mal, dass es zumindest der neuen Buchmarketingkampagne gelingt, Bücher wieder als richtig geile Must-­haves zu etablieren.