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Wunderbares passiert

20. Juli 2015
von Börsenblatt
"Unsere Kunden reden über den Buchhandel, über uns, die Buchhändler vor Ort", freut sich Klaus Kowalke, Inhaber der Buchhandlung Lessing und Kompanie in Chemnitz. Jetzt gehe es darum, die gute Stimmung für die Sache des lokalen Handels zu nutzen.

Im diesem Frühjahr passierte Wunderbares für uns Buchhändler: Die Buchkampagne "Vorsicht Buch!" ging an den Start, zuvor wühlte ein ARD-Beitrag die Emotionen der Fernsehzuschauer auf, weil in diesem Beitrag ein empörendes Maß an Ungerechtigkeiten bei unserem größten Mitbewerber Amazon aufgedeckt wurde. Und die Leipziger Buchmesse (mit Besucherrekord) und die lit.Cologne (ebenfalls mit Besucherrekord) stellten das Buch für einen Augenblick in den medialen Fokus.

"Das Buch" ist in diesen Tagen Thema, Thema bei unserer Kundschaft. Wo gibt es künftig noch Bücher? Gibt es bald nur noch Filialisten? Stehen die Läden in unseren Innenstädten gar bald leer? Die Qualität des Lebensumfeldes ist auch in der Immobilienbranche zum Top-Thema geworden.

Positive Signale gibt es von unserem französischen Nachbarn, dort wird die Unterstützung des Buchhandels zum Wahlkampfthema und strahlt damit auch in das Bewusstsein der Kunden hier in Deutschland. Die Kurt-Wolff-Stiftung will eine Prämienunterstützung für den unabhängigen Buchhandel realisieren.

Und wie sieht es in USA aus? Ein Absturz der Umsätze in den US-Filialketten von 31,5% in 2010 auf 18,7% in 2012 ist besorgniserregend. Der Onlinehandel-Anteil stieg von 25,1% in 2010 auf 43,8% in 2012. Der E-Book-Anteil stieg von 2% in 2009 auf 30% in 2012. Independent Bookstores setzten gleichbleibende 3,7% in 2010 und 2012 um, sie konnten ihren Marktantel von 3,7% gegenüber den Vorjahren halten. Die Filialisten verlieren also am meisten an den Onlinehandel. 

Meine Prognose für unsere Zukunft in Deutschland: Im Onlinehandel wird die Musik spielen, so oder so - und zwar in allen Branchen. Die Politik versäumt es, ein Regulativ gegen den Boom des Onlinehandels einzusetzen, die Verödung der Städte und auch die Paketflut auf deutschen Straßen wird zunehmen. Dieser Irrsinn ist also gewollt! Allein in Deutschland gehen 800.000 Pakete täglich an die Versandriesen zurück, das kostet im Schnitt die Onlinehändler zwar schmerzhafte € 15,70 pro Paket aber das bedeutet auch das allein für die Rücksendungen 4.000 Kleinlaster unterwegs sind und 40 Tonnen Karftstoff verbraucht werden – damit könnten 255 PKWs täglich nach Peking fahren. Die Ökobilanz muss aufgearbeitet werden!

Also: Wenn Filialisten verlieren, unabhängige Buchhandlungen aber entgegen dem Trend eher gewinnen, Qualitätsbuchhandel vom Leser honoriert und möglicherweise vielleicht sogar politisch gefördert wird, die Buy-Local-Initiative verfängt, das Buchmarketing greift - dann haben wir unabhängigen Buchhändler doch eine reale Chance den Paradigmenwechsel am ehesten mitzugestalten, oder?

Die Verunsicherung unter ebendiesen Sortimentern ist trotzdem groß. Was sollen wir nicht alles tun: Crossmarketing betreiben, auf allen Kanälen präsent sein. Social-Media beherrschen. Auf E-Books setzen! Das Warenlager (Bestand) schlank halten und eine ordentliche LUG vorzeigen können. Bei Einkaufsgemeinschaften mitmischen.

"Buch Pur" - was wäre, wenn die Zukunft des unabhängigen Buchhandels so aussehen würde: „Buch Pur" meint: kein Webshop, kein E-Book-Verkauf (obwohl über die Barsortimente möglich), kein Non-Book-Firlefanz, kein Geschenkkram, lediglich Postkarten, DVDs und Hörbücher, ggfs. Spiele. Dafür Bücher, gute Bücher, Bücher die wertvoll sind, Bücher die gut aussehen, Bücher die wichtig sind, Bücher die lehrreich sind, Bücher die Spaß machen, Bücher, Bücher, Bücher aber kein vordergründiger Mainstream und Boulevard, nein, richtige Bücher. Was, das klingt „Ewig gestrig"? Nun, vielleicht ist es ja das Alleinstellungsmerkmal der Zukunft?

Das "gute Buch" ist gefragt und wird wieder gefragt sein! Dieses Alleinstellungsmerkmal gilt es zu kommunizieren, schließlich hat jede Buchhandlung eine andere Vorstellung davon, was ein "gutes Buch" ist – und hier liegt die Chance für eine Sortimentsvielfalt, ein Sortimentswettbewerb und damit auch für eine Verlagsvielfalt mit Programmbreite und -tiefe! Gute Aussichten also...