Jugendbuchmesse in Bologna 2013

Mehr Haptik und E-Novelas

20. Juli 2015
von Börsenblatt
Phantastik statt Fantasy, gute Geschäfte und ein sich abzeichnender Strategiewechsel bei E-Books für den Nachwuchs: Beobachtungen von der Jugendbuchmesse in Bologna, die morgen zu Ende geht.

Die internationale Jugendbuchmesse in Bologna ist in ihrem 50. Jahr vitaler denn je. Die Geschäfte laufen allerorten gut, Lizenzen werden geprüft, es wird über die Realisierung von Buchprojekten für 2014 diskutiert; als Grundstimmung herrscht Zufriedenheit. Einzige Wermutstropfen sind das regnerische Wetter und die Kälte, die gerade am ersten Messetag auch in den Hallen regierte und viele Verleger veranlasste, ihre Schals anzubehalten.

Print als Premiumprodukt
Ansonsten prägen die Printprodukte die vier Hallen und es scheint, als hätten die Verlage in punkto Ausstattung noch einmal eine Schippe draufgelegt. „Die digitalen Herausforderungen zwingen uns, kreativer zu sein, manchmal braucht es diesen Druck“, sagt Dorling Kindersley-Verlagsleiterin Monika Schlitzer. „Als Gegenbewegung zur Digitalisierung wird die Haptik wiederentdeckt.“ Dass die Verlage die Möglichkeiten bei den Printprodukten noch lange nicht ausgeschöpft haben und auch die Bücher "enhanced" werden, sieht auch Renate Reichstein, Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft von Jugendbuchverlagen avj. „Warum zum Beispiel soll ein Buch nur eine einzige Papierart haben?“, meint sie und erläutert, dass sich die Profile der gedruckten Bücher vor dem Hintergrund der E-Books und Apps bald schärfen werden: „Print wird viel stärker Premium werden.“

Phantastik statt Fantasy
Inhaltlich gibt es keine Trendwende, sondern nur leichte Verschiebungen. „Im Kinderbuch gibt es statt reiner Fantasy mehr reale Geschichten mit vielen phantastischen Elementen, auch das Jugendbuch wird wie schon im Vorjahr realistischer, der All-Age-Bereich dümpelt im weltweiten Überangebot“, fasst Fischer KJB-Programmchefin Eva Kutter die Entwicklung zusammen. Was nicht heißt, dass Fantasy out wäre: „Es werden immer noch reichlichst Fantasy-Lizenzen offeriert, gern als Serien, und oft denkt man: Moment, der Plot klingt doch genauso wie der von gerade zuvor angebotenen Geschichten – viele ähneln sich einfach zu sehr“, hat nicht nur Thienemann-Verleger Klaus Willberg bemerkt. Und: International läuft Science fiction gut.

Strategiewechsel: Lesefutter wandert in E-Books
Was man in den Hallen nicht sieht, worüber aber heftig debattiert wird, sind die digitalen Möglichkeiten. Im Gegensatz zur letzten Jugendbuchmesse scheint auch bei internationalen Verlagen ein Strategiewechsel im E-Bereich stattgefunden zu haben. Bislang setzten viele Verlage darauf, ihre Novitäten ab einem Lesealter von zehn Jahren parallel zur Printausgabe als E-Book zu produzieren – auch um erst einmal eine nach außen wahrnehmbare Titelmasse zu haben. Nun werden die Novitäten selektiert: Spitzen- und besondere Titel werden ob ihres vielversprechenden Umsatzes gedruckt, „das ‚Lesefutter‘ wandert in die E-Books“, skizziert Oetinger-Verleger Till Weitendorf die Richtung. „Bestimmte Zielgruppen haben sich inzwischen mit E-Readern eingedeckt, jetzt wollen alle Tablets, was vom Angebot her den Trend von Schwarz-Weiß hin zur Farbigkeit nach sich ziehen wird.“ Zudem tauschen sich Verlagsmitarbeiter und Verleger über ihre im digitalen Bereich bereits gemachten Erfahrungen aus: „Beim Laufenlernen lernt man laufen“ bringt Carlsen-Verlegerin Renate Herre die Devise vieler Verlage auf den Punkt.

E-Novelas als Kundenbindungsinstrument
An allen Messeständen wird zudem über E-Novelas oder E-Shorts gesprochen, kurze Episoden, die den Zweck haben, den Leser von Serien zu binden. dtv etwa wird zu einer Romantasy-Trilogie drei E-Novelas herausbringen, die die Vorgeschichte zu den Bänden ist. „Sie sind ein ideales Mittel zur Überbrückung: Mit den drei E-Books wird das Interesse der Leser in der Zeit zwischen dem im Herbst 2013 erscheinenden ersten Band und dem im Frühjahr 2014 erscheinenden zweiten Band wachgehalten“, erläutert dtv-junior-Sprecherin Daniela Wind am Messestand die Strategie. „Es wird sehr viel hier diskutiert über kapitelweise Fortsetzungsgeschichten mit Cliffhängern, die man als Leser- und als Kundenbindungsinstrument nutzen kann“, bestätigt avj-Vorsitzende Renate Reichstein. „Wir müssen schauen, wie wir gerade die jugendlichen Leser mit ihren rasch wechselnden Interessen bei der Stange halten.“

Verknüpfungen mit Film und Spiel
Auch andere Medien werden bei gedruckten wie E-Büchern einzubinden versucht. Arena etwa wird in Zusammenhang mit der im August in die Kinos kommenden Verfilmung von „Cities of Bone / Chroniken der Unterwelt“ zehn kurze Episoden veröffentlichen, die es zunächst nur für das Handy geben wird. Als ganzes Buch wird es sie dann im Frühjahr 2014 geben. Loewe Lizenzchefin Jeanette Hammerschmidt berichtet, dass viel diskutiert werde, wie man Spiele in Geschichten einbindet: „Entscheidend ist hier, dass man die Games nicht im Nachhinein einbaut, sondern sie von Anfang an in das Konzept einbindet.“ Loewe-Autorin Marie Lu etwa ist Online-Spieldesignerin und mit dem zu ihrem Roman „Cities of Legend“ passenden Facebok-Spiel ganz erfolgreich. „Und das bringt uns auch Buchkäufer.“

Auch in Italien liegt Greg vorn
Bei den italienischen Verlagen gab es naturgemäß mehr Besucher, die aus der Zielgruppe stammten. Das Kinderbuch steht in Italien nicht schlecht da, der Nachwuchs liest mit durchschnittlich 56 Prozent mehr als die Erwachsenen mit 45 Prozent. Vom Jahr 2000 an konnte das Kinder- und Jugendbuchsegment laut Antonio Monaco, Präsident der vor sechs Jahren gegründeten Gruppo editori per ragazzi innerhalb des italienischen Verlegerverbands AIE, zehn Jahre lang jährlich einen Zuwachs von 1,5 Prozent verzeichnen. In diesem Jahr galt es, ein kleines Minus zu verkraften, worauf die Jugendbuchverleger Maßnahmen zur Leseförderung ankurbelten. Veranstaltungen wie die Festa nazionale del libro vom 23. Bis 27. Mai rücken das Buch in die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit. In den vergangenen drei Jahren haben rund 200 Verlage 20 Millionen Kinder- und Jugendbücher im Wert von 200 Millionen Euro umgesetzt. Die ersten Monate von 2013 betrachtet Monaco positiv, wozu Erfolge wie Jeff Kinneys „Diario di una schiappa“ (auf deutsch: „Gregs Tagebuch“), „Peppa Pig“ und „Geronimo Stilton“ beigetragen haben.

„turn new contacts into partnerships“ – der deutsche Gemeinschaftsstand
Trubel auch in Halle 30: An dem von der Frankfurter Buchmesse organisierten und von der avj und dem Auswärtigen Amt unterstützten deutschen Gemeinschaftsstand war es schwierig, freie Plätze zu ergattern. 25 der 51 deutschen Verlage führten hier ihre Gespräche, neu dabei waren Klaus Humanns Aladin Verlag, Cleon, der Bachem Verlag und Westermann Lernspiel. Der neueren Tradition folgend, den Kontakt zu Illustratoren-Ausbildungsstätten zu intensivieren, hatte die Frankfurter Buchmesse in diesem Jahr die HAW Hamburg eingeladen. Imke Buhre, die den Stand organisiert hat, beschreibt die Stimmung der meisten Aussteller als sehr gelöst; der Grund dafür ist erfreulich: „Es gab gute Verkäufe, und vor allem haben kleinere Verlage in diesem Jahr erfolgreich auch an größere Verlage Lizenzen verkauft.“

„Come to turn new contacts into partnerships“ hieß das am Stand angebrachte Motto, und Buhres Kollegin Bärbel Becker hatte wie jedes Jahr Jugendbuchverleger aus zwei Ländern mit deutschen Verlegern zusammengebracht. Zehn deutsche Verleger tauschten sich mit fünf finnischen Kollegen aus, ebenso viele waren es beim Zusammentreffen mit acht taiwanesischen Verlegern. „Vermutlich werden wir nächstes Jahr einen Konferenzraum nehmen müssen“, so Becker, „da wird der Stand zu klein.“

Auch der österreichische und der Schweizer Gemeinschaftsstand war gut besucht; insgesamt waren in Bologna acht österreichische und zwölf Schweizer Verlage vertreten.

Auch in den Buchhandlungen der Stadt gab es viele Aktivitäten, Autoren und Illustratorinnen waren zugegen: Bei Stoppani waren Ingrid Godon, Stefanie Harjes und Guus Kujer zu Gast
  • Zur 50. Fiera del Libro per Ragzzi haben auch die Geschäfte entsprechende Dekorationsstücke