Die Sonntagsfrage

Brauchen Verlage die Jugendbuchmesse in Bologna noch?

20. Juli 2015
von Börsenblatt
Morgen beginnt in Bologna die 50. internationale Kinder- und Jugendbuchmesse, die Fiera del Libro per Ragazzi. Der Trubel ist immer groß, aber braucht man im Zeitalter von Internet und Skype noch eine solche Messe? boersenblatt.net hat Minedition-Verleger Michael Neugebauer gefragt, der seit 50 Jahren dabei ist - 1963 als Zwölfjähriger mit seinem Vater, Verleger Friedrich Neugebauer.
Aufgrund des Jubiläums wird die Fiera del Libro per Ragazzi mehr Feierlichkeiten haben, größere Aufmerksamkeit bekommen, aber sonst vermutlich wie immer sein. Was bedeutet wie immer? Zunächst bedeutet es: Man war in Italien. Man hat den Frühlingsanfang miterlebt. Man war in Halle 30 (wo die meisten deutschen Verlage, Franzosen und Skandinavier sind), überschaubar, so wie immer. Aus Sicht eines Verlags verzichtbare Kriterien, um die Entscheidung für eine Messeteilnahme zu treffen.

Wäre da nicht auch noch das andere "wie immer". Wie immer kamen viele Illustratoren aus der ganzen Welt mit ihren Mappen unterm Arm, um auf Verleger und Lektoren zu treffen, die sich ihre Arbeiten ansehen, die ihnen Ratschläge geben, die auf ihre Arbeiten aufmerksam werden und ihre Bücher verlegen oder ihnen eine Zusammenarbeit anbieten. Und wie immer habe ich wieder neue Künstler entdeckt und freue mich schon jetzt darauf, dass durch sie meine nächsten Programme bereichert werden.

Aber es kommen nicht nur neue Künstler, sondern auch Illustratoren und Illustratorinnen, die schon für uns arbeiten. Wichtig ist der persönliche Kontakt, zusammenzusitzen, im Austausch Ideen zu entwickeln, sich gemeinsam an den vorliegenden Arbeiten Gedanken zu machen, um ein möglichst optimales Ergebnis für ein Projekt zu erzielen. Und auch mit dem einen oder anderen einen netten Abend zu verbringen.

Es sind aber nicht nur die IllustratorInnen, die "wie immer" da waren. Auch die Lizenz- und Koproduktionspartner waren wieder da, neue sind dazu gekommen, wie immer. Denn nach wie vor ist es auch im Lizenzgeschäft wichtig, sich persönlich zu treffen. Natürlich arbeitet man das ganze Jahr über zusammen und informiert sich über Novitäten, tauscht sich meist über E-Mails aus.

Brauchen Verlage also die Bologna Messe noch? Sicher nicht mehr so sehr wie vor der Internet-Zeit. Heutzutage schickt man PDFs; wenn Interesse dadurch geweckt wird, kann man ja eine Maquette oder ein fertiges Buch nachschicken. Die meisten unserer Partner sind Stammkunden, mit denen man sich auch auf der Frankfurter Buchmesse und anderen Messen trifft.

Nichts geht über ein persönliches Verkaufsgespräch, man freut sich, dass man sich wieder sieht, erkundigt sich über das persönliche Wohlergehen, tauscht private Themen aus und so mancher unentdeckte Titel wird inzwischen erspäht und in die Hand genommen.

Und dann sind da noch die Messeabende, die sich in Restaurants abspielen. Ein Meister solcher Verlagsabende war Dimitri Sidjanski, der Gründer des Nord-Süd Verlags: Seine Partys waren heiß begehrt und ich kann nur raten, wie viele Lizenzen er mit Hilfe seiner feucht-fröhlichen Partys damals verkaufen konnte.

Ein bisschen ist es auch heute noch so, auch wir laden einen Abend zum Kennenlernen zwischen unseren Lizenzpartnern und anwesenden Autoren und Künstlern ein. Es macht halt einen Unterschied, wenn man den Autor oder Illustrator persönlich kennen lernen kann und dann eine ganz andere Beziehung zu deren Büchern entwickelt.

Natürlich fragt man sich jedes Jahr, ob sich der große Stand noch rentiert? Da wir weiter ein kräftiges Lebenszeichen von uns geben wollen und auch mit unserem speziellen Programm auffallen und gesehen werden möchten, sagen wir jedes Mal wieder JA. Und freuen uns jetzt schon wieder auf die nächste Bologna-Messe und den Frühling, wie immer ...