Leipziger Buchmesse: "Independence Dinner"

Glückskekse im Chinabrenner

20. Juli 2015
von Börsenblatt
Wenn das der Große Vorsitzende wüsste: Beim "Independence Dinner" brachte authentische Sichuan-Küche Medienleute und unabhängige Verleger aus Österreich, Deutschland und der Schweiz zusammen.

Es ist ein extrem sympathischer Ego-Trip, der spontan anmutet wie eine dieser Verlags-Gründungsgeschichten, von denen die Buchmesse brummt und summt. Wahrscheinlich hat Axel von Ernst (Lilienfeld) recht: Man sollte Thomas Wrobel als Ehrenmitglied in den Verein der Hotlist holen. Als mobiles Kunstprojekt hat der Leipziger, ein kulinarischer Autodidakt, Feuer und Flamme für die Genüsse der chinesischen Volksküche, 2006 seinen "Chinabrenner" gegründet; das im letzten Jahr unter diesem Namen gestartetes "Gasthaus" transferiert die Gerichte der Garküchen aus den Gassen von Chengdu in ein altes Fabrikgebäude im Leipziger Westen. Inzwischen gibt es hier das wahrscheinlich authentischste chinesische Essen in ganz Deutschland.

Genau der richtige Ort fürs "Independence Dinner", das unabhängige Verlage aus Österreich, Deutschland und der Schweiz erstmals mit Medienleuten und Kultur-Netzwerkern zusammen brachte. Die Buchmesse spedierte die Indie-Gemeinde per Bus-Shuttle nach Plagwitz, die Göttinger Druckerei Hubert & Co., bewährter Spezialist für Offset-Kleinauflagen, unterstützte das Guerilla-Gemeinschaftsprojekt von Verein der Hotlist, SWIPS und ARGE Österreichische Privatverlage großzügig.

Anlegelöffel sind im "Chinabrenner" verpönt, und so saßen VerlegerInnen und Journalisten bunt zusammengewürfelt an runden, drehbaren Tischen, angelten mit ihren Ess-Stäbchen die vorbeisausenden Köstlichkeiten und fühlten sich von Minute zu Minute mehr wie echte Glücks-Kekse. Der Versuch, eingelegten Tofu mit Stäbchen zu erwischen, gleicht in etwa dem Bemühen, mit einem neuen, unbekannten Autor ins Fernsehen zu kommen. So gesehen schweißte der Abend die Beteiligten zusammen wie Klebereis − Ziel erreicht! Gut, "Indies beim Inder" wäre der flottere Claim gewesen. Doch gegen den "Reichtum des Himmels", wie man in China die Küche Sichuans nennt, werden alle PR-Sophistereien plötzlich null und nichtig.  

nk