Preis der Leipziger Buchmesse

Hadesfahrt zur Auszeichnung

20. Juli 2015
von Holger Heimann
Der favorisierte David Wagner gewinnt mit „Leben“ in der Sparte Belletristik, Helmut Böttiger erhält den Sachbuchpreis für „Die Gruppe 47. Als die deutsche Literatur Geschichte schrieb“, Eva Hesse wurde für die Übersetzung der „Cantos“ von Ezra Pound ausgezeichnet.

Mit dem Preis der Leipziger Buchpreis werden in der Kategorie Belletristik nicht nur Romane ausgezeichnet, schon mehr als einmal wurde auch Erzählungen prämiert. Zum ersten Mal aber ging in diesem Jahr die Auszeichnung an ein Buch, das beabsichtigt auf jegliche Gattungs-Zuschreibung verzichtet. „Leben“ steht auf dem Cover des bei Rowohlt erschienenen Buchs und darunter der Name des Autors: David Wagner. Nichts sonst.

Es ist eine Geschichte vom Leben, das in den Grenzbereich zum Tod gerät. „Eine Hadesfahrt mit Rückfahrkarte“ nannte Wagners Laudatorin, die diesjährige Kerr-Preisträgerin Daniela Strigl, das Buch. Das Überleben des Ich-Erzählers mit einer Spenderleber ist nur möglich, weil ein anderer gestorben ist. Es sind David Wagners eigene drastische Erfahrungen. Und doch hat er mehr verfasst als einen Bericht über eine Organtransplantation. „Um das Buch schreiben zu können, war es wichtig, dass ich dachte, ich schreibe eine fiktionale Geschichte“, sagte er beim vormittäglichen Kritikergespräch.  „Alles war genau so und auch ganz anders“ – bündiger als im Motto zum Buch lässt sich wohl kaum das Ineinander von Erfindung und Erfahrung fassen. Auch in Wagners Dankesrede spiegelte sich das Besondere des Buchs: „Den eigentlichen Preis habe ich schon lange bekommen“, sagte er so kurz wie ergreifend.  Er meinte damit das Glück darüber, noch am Leben zu sein.

Als erstes umfassendes Gruppenporträt pries Lothar Müller den in der Kategorie Sachbuch prämierten Titel von Helmut Böttiger „Gruppe 47: Als die deutsche Literatur Geschichte schrieb“ (DVA). Böttiger erzähle die Geschichte der Neuformierung der Literatur und Erfindung des Literaturbetriebs in Deutschland nach 1945 mit dem Sensorium des Lesers und Kritikers - und mit den Mitteln der Literatur selbst. Als „Anschreiben gegen Klischees“ charakterisierte Böttiger selbst den treibenden Impuls für das Buch.

Die Übersetzerin Eva Hesse konnte den Preis für die beste Übersetzung - verhindert durch Alter und Krankheit - nicht selbst entgegennehmen, an ihrer Stelle tat dies einer der Herausgeber: Heinz Ickstadt. Es ist eigentlich ein Lebenswerk, für das die 1925 geborene Hesse ausgezeichnet wurde: 1953 erschien erstmals ein Buch mit von ihr übersetzten Gedichten Pounds. Im vergangenen Jahr kam das von ihr übertragene Hauptwerk Pounds, “Die Cantos“ heraus. „Verdammt, übersetzen Sie nicht, was ich geschrieben habe, übersetzen sie, was ich schreiben wollte“, dekretierte Pound in einem Brief an seine Übersetzerin. Hesse hat sich nicht an seine Worte gehalten, aber ihr ist etwas gelungen, was „das Zeug zur Legende“ besitzt, so Laudator Eberhard Falcke.

Der Preis der Leipziger Buchmesse ist mit 45.000 Euro dotiert. Er wurde in diesem Jahr zum neunten Mal vergeben. Die Jury unter dem Vorsitzenden Hubert Winkels wählte unter 430 Titeln die 15 Besten aus.