Trendbericht Kinder- und Jugendbuch

Gleichaltrige als Lesevermittler gewinnen

20. Juli 2015
von Börsenblatt
Digitale Angebote wie Internet, Apps und E-Books stehen nicht zwangsläufig in Konkurrenz zum traditionellen Lesen und gedruckten Büchern, so der Trendbericht Kinder- und Jugendbuch, der heute von Börsenverein, Arbeitsgemeinschaft von Jugendbuchverlagen avj, Arbeitskreis für Jugendliteratur AKJ und Stiftung Lesen auf der Leipziger Buchmesse vorgestellt wurde. Das Segment machte 2012 rund 15,6 Prozent des gesamten Buchumsatzes aus.

Bilderbücher legten um 2,7 Prozent zu

Nach Ausnahmejahren wie das durch "Harry Potter" geprägte Jahr 2007 und das durch viele All-Age-Bestseller gekennzeichnete Jahr 2009 bewegt sich der Kinder- und Jugendbuchmarkt wieder auf normalem, gewohnt hohen Niveau: Kinder- und Jugendbücher machten 2012 rund 15,6 Prozent des gesamten Buchumsatzes aus, auch wenn der Umsatz um 1,8 Prozent leicht zurückging. Ein Umsatzplus verzeichneten vor allem Bücher für die jüngsten Leser. Bilderbücher legten um 2,7 Prozent zu, die Warengruppen Spielen und Lernen um 1,8 Prozent sowie Erstlesebücher um 1,7 Prozent. Auch Vorlesebücher konnten ihrem Umsatz leicht um 1,4 Prozent steigern. Die stärksten Warengruppen im Segment sind unverändert Jugendbücher (ab 12 Jahre; Umsatzanteil 26,4 Prozent) und Kinderbücher (bis 11 Jahre; Umsatzanteil 27,0 Prozent). Im vergangenen Jahr verzeichneten Jugendbücher allerdings einen Umsatzrückgang von 5,9 Prozent, Kinderbücher blieben mit einem Minus von 0,9 Prozent stabil. Die Zahlen hat media control GfK International im Auftrag des Börsenvereins ermittelt.

Verändertes Leseverhalten

Das Interesse an Büchern und am Lesen sei bei den Jugendlichen ungebrochen groß, sagte Börsenvereins-Hauptgeschäftsführer Alexander Skipis. "Bücher stehen aber immer stärker in einem Wettbewerb mit anderen Medien und Aktivitäten, und gleichzeitig weitet sich der Markt durch neue technische Entwicklungen aus. Diese Wachstumsmöglichkeiten nutzen wir und starten deshalb eine deutschlandweite Buchkampagne, die über ihre kreativen Aktionen und Angebote vor allem auch die jungen Leser für Bücher begeistern soll."  Der Hauptgeschäftsführer der Stiftung Lesen, Jörg F. Maas, betonte, dass Jugendliche "heute so viel lesen wie nie zuvor. Doch das Leseverhalten hat sich geändert: Gerade Jugendliche begeistern sich auch für digitale Medien – seien es Social Media Aktivitäten, das Lesen von Online-Zeitungen, sonstige Internet-Recherchen oder aber auch Apps und E-Books."

Digitale Medien als sinnvolle Ergänzung

Diese Lebenswirklichkeit müsse man berücksichtigen, um erfolgreiche und zeitgemäße Leseförderungsmaßnahmen umzusetzen: "Digitale Medien als sinnvolle Ergänzung zu gedruckten Medien eingesetzt bieten uns eine große Chance, um junge Menschen zum Lesen zu motivieren." Dies zeigten auch die Ergebnisse verschiedener Studien des Instituts für Lese- und Medienforschung der Stiftung Lesen. Aufschlussreich vor diesem Hintergrund sei vor allem eine Untersuchung zum Leseförderungspotenzial von E-Readern: Gerade Kindern und Jugendlichen, die sonst wenig lesen, erscheine das Lesen in digitaler Form als moderne und damit attraktive Tätigkeit. Zudem seien gerade lange Texte auf dem E-Reader leichter zu bewältigen als ein mehrere hundert Seiten dickes Buch.


Verlage stufen Bücher tendenziell in eine höhere Altersgruppe ein

Laut JIM-Studie 2012 lesen 1,6 Millionen Jugendliche regelmäßig. Die Arbeitsgemeinschaft von Jugendbuchverlagen (avj) registriert einen deutlichen Wandel bei der Wahl der Lesestoffe. Viele Jugendliche orientierten sich stark am Angebot für Erwachsene und läsen nicht die als „Jugendbücher“ deklarierten Titel, sagte Renate Reichstein, Vorsitzende der avj. Die Verlage reagierten darauf, indem sie Bücher tendenziell in eine höhere Altersgruppe einstuften, um die Attraktivität bei ihren tatsächlichen Lesern zu steigern. "Da sich die Entwicklung vom Kind zum Erwachsenen heute sehr schnell vollzieht, gibt es den Jugendlichen per se nicht mehr", so Reichstein. "Für Verlage werden deshalb All-Age-Titel immer interessanter."  Der Tendenz hin zum digitalen Lesen tragen die avj-Mitgliedsverlage Rechnung, indem sie bereits rund 70 Prozent ihrer Produktionen in digitaler Form anbieten. „Es wird die zentrale Herausforderung für Kinder- und Jugendbuchverlage in den kommenden Jahren sein, sich mit den Erwartungen und Gewohnheiten der Jugendlichen auseinanderzusetzen und das Programmangebot entsprechend auszurichten", erklärte Reichstein.

Die Peer-Group als Lesevermittler gewinnen

Nach Aussage des Arbeitskreises für Jugendliteratur (AKJ) bestehe dringender Handlungsbedarf, das Interesse Jugendlicher für Lesen und Literatur wach zu halten. Bildungspolitik, Lehrkräfte und Eltern seien hier gefragt. "Unser Ziel muss sein, dass Jugendliche unabhängig von Geschlecht, Schulform und familiärem Hintergrund Zugang zur Literatur finden können", formuliert  AKJ-Vorsitzende Stephanie Jentgens. Dazu müsse gewährleistet sein, dass möglichst viele junge Menschen in Bibliotheken und Schulbibliotheken Zugang zu aktueller Jugendliteratur hätten. Neben engagierten Lehrkräften benötigten gerade Jungen mehr männliche Leser und Literaturpädagogen als Vorbilder. Nicht zuletzt seien auch Jugendliche selbst als Vermittler von Lesekultur gefragt. "Denn Lesetipps unter Gleichaltrigen werden besser angenommen als Tipps von Erwachsenen." Zu diesem Zweck hat der AKJ mit finanzieller Unterstützung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung die Initiative "Die Literanauten" ins Leben gerufen, die im Sommer 2013 startet. Im Rahmen der Initiative sollen Jugendliche ihre Leseerlebnisse an andere Jugendliche weitergeben, indem sie im Internet über ihre Lieblingsbücher sprechen und Veranstaltungen für Altersgenossen organisieren.