Gastspiel von Joseph von Westphalen

Keuchende Paare

23. Juli 2015
von Börsenblatt
Warum in Liebesgeschichten immer so viel gelitten werden muss. Joseph von Westphalen über Erotik in seinen und anderen Romanen.
Selbst schuld. Ich hätte mir über die Folgen im Klaren sein müssen. Aber es war mir egal. Ich hörte nicht auf die fordernden Rufe der ehernen Hochkultur, sondern auf die satanische Stimme der flüchtigen Lust und habe meinen Romanfiguren ein halbwegs zufriedenstellendes Sexualleben spendiert. Kein Wunder, dass ich mir nicht selten anhören musste, ich sei der Autor einiger erotischer Romane.

Wie klingt das denn! Nicht gerade seriös. Ist das naserümpfend oder spöttisch gemeint? Es ist eine vorsätzliche Trivialitätsunterstellung. Keiner meiner geschätzten Kollegen wird mit diesem anzüglich schillernden Etikett beklebt.

Die gestrenge Kritik hat die Liebe in meinen Büchern nicht gelten lassen. Ich weiß natürlich, warum. Es muss in einer literarischen Liebesgeschichte gelitten werden, es muss Opfer geben, einer der Beteiligten sollte möglichst sterben oder wenigstens Krebs bekommen. Ohne Läuterung und Sühne wird die Liebe in der Literatur noch immer nicht als Liebe akzeptiert und für oberflächlich und unecht gehalten.

Ich hatte bisher aber nicht die geringste Lust, meine durchaus verliebten Protagonisten leiden zu lassen. Ihre Konflikte halten sich in Grenzen, sie versuchen sie mit Witz und Ironie zu lösen und nicht mit Streiterei und Therapie. Ich ließ sie nicht krank werden und nicht sterben. Zwar sind sie, wie die meisten Romanfiguren der Literatur, Ehebrecher (sonst kommt die Handlung nicht in Schwung), aber sie werden nicht bestraft für ihre Untreue. Keine Läuterung. Stattdessen wurde ich bestraft. Kritiker warfen mir vor, keine Liebesgeschichten schreiben zu können, Kritikerinnen, dass meine Romanhelden und ich nichts von Frauen verstünden.

Liebe kann man aus einem Roman hinausinterpretieren, wenn man bürgerlich-romantisch argumentiert und sie ohne Tragik nicht gelten lässt. Zum Glück habe ich es gelegentlich zu körperlichen Begegnungen meiner verliebten Romanfiguren kommen lassen, diese handfesten Beweise gegenseitigen Begehrens lassen sich nicht überlesen und abstreiten.

Sie sind es wohl, die mich zum "Autor erotischer Romane" gemacht haben. So erotisch aber dann auch wieder nicht, dass es zu Best- oder auch nur Bettersellern gekommen wäre. Ich bekam den fragwürdigen Titel ohne den dazu gehörigen Verkaufserfolg. Auf den konnte ich es nicht abgesehen haben. Denn auch diese einschlägigen Passagen sind nicht ernst genug. Und Witz passt nicht zur Erotik. Sex ist humorlos.

Beschreibt man ein sich lüstern in die Augen blickendendes und dann keuchendes Paar in seiner Komik, ist das amüsant, aber nicht mehrheitsfähig. Egal, ich bin stolz darauf, den Penis nie mit dem entsetzlich unerotischen Wort "Glied" bezeichnet und meine Romane damit versaut zu haben. Ich habe mir kein kindisches Sexgefummel unter spießigen Wolldecken wie bei Charlotte Roche vorzuwerfen und keine seitenlang nervtötenden Phallusverherrlichungen, die man einem Peter Nadas als Nobelobsession durchgehen ließ.

In meinem nächsten Roman werde ich spaßeshalber versuchen, dem Klischee zu entkommen. Ich werde die Schlafzimmertüren rechtzeitig schließen, die männliche Hauptfigur etwas mehr schmachten und leiden und vielleicht sogar ein paar Mal verzichten lassen und den Ehemann der Geliebten (ohne die es auch da nicht gehen wird) an Selbstmord denken, vielleicht sogar sich das Leben nehmen lassen, was nun wirklich nicht erotisch ist, aber von einer großen verlorenen Liebe zeugt.