Vertrieb

"Vom Kunstbuch zum Geschenkbuch": Ein Interview mit Friederike Rother

23. Juli 2015
von Börsenblatt
Warum tut sich das Sortiment mit dem Kunstbuch so schwer? Und worin liegt die Chance der "Kunstwanne", die 16 Verlage pünktlich zum Weihnachtsgeschäft befüllt haben? Fragen an Friederike Rother, die in der Jury der "Kunstwanne" sitzt und als Vertreterin für mehrere Bildbandverlage reist.

Die zweite "Kunstwanne" des Arbeitskreises Bild- und Kunstbuchverlage im Börsenverein lockt mit vollem Remissionsrecht und attraktiven Konditionen. Ist der Rabatt die entscheidende Stellschraube, um das Kunstbuch ins allgemeine Sortiment zurückzuholen?

Rother: Kunstbücher sind teuer, nehmen viel Platz weg, binden Geld – das denken viele Buchhändler. Und das ist ein Stück weit auch nachvollziehbar. Für ein Kunstbuch, das 49 Euro kostet, kann man zwei gebundene Romane ins Regal stellen, die sich zudem noch schneller drehen. Die Warenwirtschaftssysteme machen hier ja seit Jahren ganz schonungslose Rechnungen auf. Die Kunstwanne kann für einen finanziellen Anreiz sorgen, sich dennoch auf diese Warengruppe einzulassen.

Was sind Ihre Argumente für das Kunstbuch?

Rother: Eines davon ist Unterscheidbarkeit. Die Filialisten haben sich aus dem Kunstbuch weitgehend zurückgezogen. Gleichzeitig werfen gerade Kunstbücher in digitalen Zeiten ihre schöne Ausstattung, ihre Haptik in die Waagschale. Ich glaube, dass das Kunstbuch immer dann eine Chance im allgemeinen Sortiment hat, wenn der Buchhandel diese Warengruppe auch als Geschenkbuch versteht – und aktiv mit ihr arbeitet. Außerdem denke ich, dass sich der Buchhandel beim Preis einfach mehr zutrauen muss.

Die 16 Titel in der "Kunstwanne" sind ein bunter Mix aus kunstgeschichtlichem Fachbuch, Nonbook und Bildband. Wie wählen Sie in der Jury die Titel aus?

Rother: Wir versuchen, die Titel, die uns von den Mitgliedern des Arbeitskreises vorgeschlagen werden, mit den Augen der Buchhändler zu sehen. Da ist eine gute Mischung aus Themen und Formaten wichtig. Und idealerweise ein populärer Ansatz.  Ein Paradebeispiel: Die Kunstmemos von Seemann Henschel, die auch im allgemeinen Sortiment ein beliebter Mitnahme-Artikel sind. Aber ich denke, dass Buchhändler auch beim kunsthistorischen Fachbuch durchaus Chancen haben –  vielleicht gibt es den einen Kunden, der sich genau für dieses Nischenthema interessiert. Das kann ich aber erst wissen, wenn ich es ausprobiere.

Wo liegen für Sie die Stärken und die Schwächen der "Kunstwanne"?

Rother: Eine Stärke ist das ungeheure Engagement der Verlage. Neben den kleineren Häusern sind auch alle großen mit im Boot – die Random House-Tochter Prestel, C. H. Beck, Hirmer, Hatje Cantz. Das finde ich wirklich bewundernswert, denn die haben ohnehin ein ausgeklügeltes Vertriebsnetz. Ein Schwachpunkt ist sicher die Heterogenität der Programme. Thematisch lässt sich da keine klare Linie reinbringen. Aber das kann zugleich auch eine Stärke sein, denn die Buchhändler haben die Möglichkeit, Verlage und Themen zu entdecken, mit denen sie sonst niemals in Kontakt gekommen wären. Klar, bei der ersten Kunstwanne 2011 sind 50 Prozent der Titel am Ende remittiert worden – aber die anderen 50 Prozent haben den Weg in Buchhandlungen geschafft, die diese Bücher sonst nie geordert hätten. Für mich ist das Glas in diesem Fall halbvoll, nicht halbleer.

Was raten Sie Buchhandlungen, die sich im Kunstbuch breiter aufstellen wollen?

Rother: Für das Kunstbuch im allgemeinen Sortiment gibt es zwei entscheidende Kriterien: Es muss aktuell und populär sein. Buchhändler sollten Titel ins Sortiment nehmen, die ihnen Spaß machen.

Und welche Kunstbücher machen Ihnen im Moment besonders viel Spaß, abgesehen von den Titeln der "Kunstwanne" natürlich?

Rother: Zum Beispiel "Japanese Dream", für immerin 98 Euro, bei Hatje Cantz - das alte Japan in frühen Fotografien, eine Augenweide im XL-Format und in Seide gebunden. Oder Callweys "Blumenmalerinnen". Das ist ein perfektes Geschenkbuch für Kunst- wie für Gartenfreunde – und auch ein ansprechender Ersatz für den schnell verwelkten Blumenstrauß. Oder "Deutschland verstehen" aus dem Gestalten Verlag, der eigentlich auf Designbücher spezialisiert ist und hier eine Art statistisches Jahrbuch der Republik vorlegt.