BUCH WIEN 12

Messeeröffnung mit Carl Djerassi

23. Juli 2015
von Börsenblatt
Die internationale Buchmesse "BUCH WIEN 12" (bis 25. November) wurde gestern eröffnet. Der Chemiker und Schriftsteller Carl Djerassi sprach in seiner Rede über die Bedeutung seiner Heimatstadt Wien für sein literarisches Werk. Ein Bericht von Martin Lhotzky.

Hier einen Bildband zurechtrücken, da und dort noch eine Reklamebroschüre auslegen – nicht alle schafften es bis zum offiziellen Eröffnungstermin, mit den letzten Handgriffen punktgenau fertig zu werden. Da der erste Abend in der Messehalle D allerdings geladenen Gästen, Pressevertretern und naturgemäß den Festrednern vorbehalten war, fielen diese Hintergrundarbeiten kaum jemandem auf.

Gerald Schantin, Präsident des Hauptverbandes des Österreichischen Buchhandels (HVB), trat also um 19 Uhr ans Redepult auf der zentralen Veranstaltungsbühne, um die "BUCH WIEN 12", die größte Einzelveranstaltung der Branche in Österreich mit dem Anspruch einer internationalen Buchmesse, einzuläuten. Die Ausstellungsfläche konnte in diesem Jahr um 20 Prozent erweitert werden, um den insgesamt 322 Ausstellern genügend Präsentationsraum zu bieten. Trotz der verhalten positiven Entwicklung des Buchmarktes – im Jahresvergleich ein kleines Plus von etwas über 1 Prozent – wies Schantin auf die schwierige Lage hin, in seinen Worten eine Umbruchsituation. Der Onlinebuchhandel, namentlich nannte er den Anbieter Amazon mit Sitz im steuerlich begünstigten Luxemburg, habe zu Lasten besonders des Einzelhandels bereits einen Marktanteil von 15 Prozent erreicht. Auch die Diskussionen um das Urheberrecht bringen Verunsicherung mit sich, und so machte der Präsident dringlich auf die zur Unterschrift aufliegende Petition für einen verstärkten Schutz der Rechte der Urheber und Verwerter aufmerksam.

Kulturstadtrat Mailath-Pokorny betonte, Bildung und Buch gehörten untrennbar zusammen, um dann noch darauf zu verweisen, dass Wien sich in der sowohl ökonomisch als auch kulturpolitisch glücklichen Lage befände, über eine sehr große Buchhandlungsdichte (etwa 250 Geschäfte bei einer Bevölkerung von rund 1,7 Mio.) zu verfügen.

Bildungsministerin Schmied richtete ihre Grußworte vorab an den Hauptredner des Abends, Chemiker und Schriftsteller Carl Djerassi, während Bundespräsident Fischer mit dem Bekenntnis, er sei ein "Büchernarr" die fünfte BUCH WIEN sodann gleichsam amtlich für eröffnet erklärte und zum Festvortrag überleitete.

Djerassi, 1923 in Wien geboren, musste nach dem so genannten "Anschluss" 1938 – aufgrund der verbrecherischen Nürnberger Rassegesetze galt der säkulare junge Mann als Jude – aus Wien in die USA fliehen. Dort arbeitete er an renommierten Universitäten (Stanford, Palo Alto) als Chemiker (Cortison-Synthese, Erfinder der Antischwangerschaftspille), und begann Mitte der 1980er Jahre, auch schriftstellerisch tätig zu werden. Er erfand mit "Cantor’s Dilemma" quasi das literarische Genre "Science-in-Fiction". Die erste Wiederbegegnung mit Wien, fünfzig Jahre nach seiner Vertreibung, verarbeitete er, wie er launig mit Bezug auf Sigmund Freud meinte, darin und in zahlreichen weiteren Werken "unbewusst". In seine Festrede flocht der agile Autor die Hoffnung ein, seine Dramen mögen doch endlich auch am Burgtheater aufgeführt werden. Die Direktion des Theaters muss er noch davon überzeugen, sein Publikum bei der Eröffnung der Büchermesse hat er freilich schon für sich eingenommen.

Martin Lhotzky