Börsenverein

Der Urheber - aus der Zeit gefallen?

26. Februar 2015
von Börsenblatt
Warum sich Autor Moritz Rinke wie ein Dinosaurier fühlt - und sein Kollege Sascha Lobo nur in "Mäuseschrittchen" vorankommt: Ein Buchmesse-Podium zum Urheberrecht.

Laserpointer an, Lieblingsthema auf der Pinnwand anleuchten - und los diskutieren: Beim Korsakow-Prinzip gibt das Publikum die Stichworte vor, über die auf dem Podium debattiert wird. Ist Piraterie ein Problem - und wenn ja, für wen? Mit dieser Frage begann auf der Buchmesse ein Podiumsgespräch des Börsenvereins zum Urheberrecht. Die saloppe Antwort von Sascha Lobo: "Ja - vor der Küste von Somalia".

Im weiteren Verlauf ging es dann allerdings durchaus ernsthaft zu. Lobos These: "Verlage machen es den Kunden nicht einfach genug, ihr Geld auszugeben". Er habe zum Beispiel mit dem Rowohlt Verlag, der gerade Lobos neues Buch "Internet - Segen oder Fluch" (Co-Autorin: Kathrin Passig) herausgebracht hat, lange darum ringen müssen, das entsprechende E-Book DRM-frei anzubieten - und habe das Gefühl, nur in "Mäuseschrittchen" voranzukommen. Die Verlage müssten lernen, "geschmeidiger" mit dem Urheberrecht umzugehen.

Klar, "Piraterie ist doof", findet auch Lobo. Trotzdem dürften die Verlage nicht angstbesetzt an das Thema herangehen. Und der Dialog zum Urheberrecht dürfe nicht nur auf übergeordneter Ebene stattfinden, sondern müsse auch im Kleinen geführt werden, zwischen dem Autor und seinem Verleger.

Lobos Vorstellung vom Urheberrecht der Zukunft: Verkürzte Schutzfristen, eine wasserdichte Lösung für Creative Commons Lizenzen und die Einführung des angloamerikanischen "Fair use"-Prinzips. Kann damit alles gut werden? "Ich bezweifle, dass das überhaupt möglich ist", räumte Lobo ein. "Ich warne davor zu glauben, dass es eine einfache Lösung gibt".

Moritz Rinke, bei Podiumsrunden sonst gern als "Jungautor" begrüßt, kommt sich derzeit eher wie ein Dinosaurier vor. "Der Urheber ist etwas sehr altes, aus der Zeit gefallenes geworden", meint er und erinnert sich, als der Streit um das Urheberrecht der Zukunft vor einigen Monaten besonders hochkochte, an anonyme Telefonbeschimpfungen als "Urheberschwein".

Wer Urheber pauschal verdamme, wisse nicht, was ein Autor tue, machte Rinke deutlich. An einem Theaterstück arbeite er sieben bis acht Monate, an einem Roman gerne mal drei Jahre. "Ich brauche einen Verlag, der den Stoff mit mir weiterentwickelt und will mich am Ende nicht auch noch um den Vertrieb kümmern. Die Lektoren leisten harte Arbeit im Verlag - und die Vertreter verkaufen die Bücher mit Leidenschaft."

Zumindest einer auf dem Podium dürfte das gerne gehört haben: Peter Kraus vom Cleff, kaufmännischer Geschäftsführer bei Rowohlt. Piraterie sei ganz klar ein wirtschaftliches Problem für die Verlage: "Ist Diebstahl ein Problem? Das wäre immer nur eine rhetorische Frage".

Und wie viel Kontrolle darf sein beim Urheberrecht? Auch darüber wollte das Publikum diskutieren. Für Kraus vom Cleff gilt: "Wir kontrollieren nicht, sondern sorgen dafür, dass unsere Rechte gewahrt werden". Es gehe darum, die Rechte des Urhebers zu schützen - ohne gleichzeitig die Rechte des Einzelnen einzuschränken.

Das Publikum vermisste zwischendrin den versprochenen Dialog zum Thema: "Dialog, Dialog - wann fängt er an? Stattdessen werden nur altbekannte Statements ausgetauscht", so ein kritischer Zwischenruf. Podiumsgast Matthias Spielkamp (irights) wollte den Ball bewusst eher flach halten: "Auf der Bühne sind solche Diskussionen immer schwierig". Schließlich neige jeder Diskutant dazu, die Position des Gegenüber zu konterkarieren. Für ihn geht es beim Piraterie-Problem nicht zuletzt um die Frage, "ob man Sachen, die man haben möchte, wirklich wertschätzt". 

Hinzu komme, dass jeder unter dem Urheberrecht letztlich etwas anderes verstehe - je nach dem, ob er nun Bibliothekar, Blogger, Zeitungsverleger, Fotograf oder eben Büchermacher sei. Spielkamps Appell: Erst mal eine gemeinsame Basis finden - mit den Punkten, in denen sich alle Seiten einig sind. "Und danach können wir anfangen, über die Unterschiede zu sprechen".

Das will der Börsenverein nicht nur bei zwei Podiumsrunden auf der Buchmesse tun. Hauptgeschäftsführer Alexander Skipis kündigte einen runden Tisch zum Thema an, nach Möglichkeit noch für 2012. Die nächste Messe-Diskussion zum Urheberrecht: Am Samstag um 14 Uhr, mit Autor Peter Prange und Julia Schramm von der Piratenpartei - unter dem Motto: "Wem gehört mein Werk?" (Paschen Literatursalon, Halle 4.1, D 150).