Eröffnung der 64. Internationalen Frankfurter Buchmesse

Guido Westerwelle: "Eine Kulturnation muss ihr geistiges Eigentum schützen"

23. Juli 2015
von Börsenblatt
Für den Schutz des geistigen Eigentums, für einen starken, unabhängigen Buchhandel, für Weltoffenheit, einen wachen Blick auf die eigene Vergangenheit und neue Bildungschancen, für Vielfalt und Europa: Die 64. Frankfurter Buchmesse beginnt mit einem Funkenflug an politischen Appellen.

Sind Reden gut, wird am Ende applaudiert. Begeistern sie, und inspirieren sie zum Nachdenken, reagiert das Publikum sofort. Bei der Eröffnung der Frankfurter Buchmesse im Congress Center geschah das heute gleich mehrmals – den Auftakt machte Gottfried Honnefelder, der Vorsteher des Deutschen Börsenvereins.

"Wir wünschen uns klare Worte aus der Politik"

Wie schon bei der Pressekonferenz am Vormittag erinnerte Honnefelder zunächst noch einmal an den Status quo der Buchbranche („Das marktbeherrschende Thema ist neben der Digitalisierung das Ende der Expansion im stationären Buchhandel, die Verringerung und die Umwidmung von Flächen“). Er hieß neue Entwicklungen willkommen („Kultur ist ein Prozess, kein Zustand“), betonte einmal mehr: „jetzt schlägt die Stunde des unabhängigen Buchhandels“ – und knüpfte daran zugleich einige Forderungen an die Politik.

Die französische Kulturministerin Aurélie Filipetti habe nicht nur die Mehrwertsteuer für E-Books gesenkt (auf sieben Prozent), sondern stelle sich bewusst vor den Buchhandel und traue sich auch, Amazon offen zu kritisieren. „Solche klaren Worte wünschten wir uns in diesen Zeiten auch von den deutschen Politikern und Regierungsmitgliedern“, so Honnefelder. Dass dahinter tatsächlich mehr steckt, als der Wunsch eines einzelnen, zeigte der prompte, knappe, aber umso heftigere Applaus - noch bevor er seine Rede beschließen konnte.

Die Schicksalsfrage aller Kulturnationen 

Vizekanzler und Bundesaußenminister Guido Westerwelle, der den Reigen der Redner anderthalb Stunden und sechs Ansprachen später beendete, ließ es an Zuspruch für die Branche nicht fehlen – konzentrierte sich dabei allerdings weniger auf den Buchhandel als auf eines der zentralen Themen des Jahres: die Frage nach der Zukunft des geistigen Eigentums. Westerwelle hält sie sogar für eine „Schicksalsfrage“, die alle Länder angehe, die von Ideen lebten (anstatt: von Bodenschätzen) - also auch Deutschland. Westerwelle: „Eine Kulturnation bleibt keine Kulturnation, wenn sie geistiges Eigentum nicht hegt, pflegt und schützt.“ Das geistige Eigentum dürfe „nicht auf die schiefe Bahn geraten.“

"Es gibt eine Zukunft, für die es sich anzustrengen lohnt"

Politisch motiviert geht auch Buchmesse-Direktor Juergen Boos die 64. Ausgabe der Frankfurter Buchmesse an. Dass man in diesem Jahr Kinder und Jugendlich als Zielgruppe der Buchbranche in den Mittelpunkt der Messe rücke, folge nicht nur einem brancheninternen, rein wirtschaftlichen Kalkül, stellte Boos klar. Zwischen bildungsnahen und bildungsfernen Familien existiere nach wie vor eine Kluft. "Hier müssen wir uns als Branche anstrengen – und Brücken bauen", appellierte er, und wollte seine Zuhörer damit zugleich motivieren. Boos: "Es gibt eine Zukunft, für die es sich anzustrengen lohnt."

"Ein Festival der Inspirationen"

Peter Feldmann, der heute zum ersten Mal als Oberbürgermeister von Frankfurt das Buchmesse-Publikum empfing (vor einem Jahr war er noch nicht gewählt), absolvierte seine Premiere hessisch-bodenständig, mit einem Blick für das Besondere dieser Messe – für ihre besondere Strahlkraft, das Ansehen, das sie der Stadt in aller Welt verschaffe, die kulturellen und wirtschaftlichen Impulse. Die Buchmesse sei „ein Festival der Inspirationen“, so Feldmann. „Von hier aus geht das Wissen seinen Weg.“  Feldmann bedankte sich dafür bei den Anwesenden, vor allem jedoch bei Buchmesse-Direktor Juergen Boos: 500 Frankfurter Kinder aus allen Bildungsschichten erhielten in den nächsten Tagen „Zugang zur Faszination, die von Büchern ausgeht“, so der OB. „Danke, Herr Boos!“

Die Schatten der Vergangenheit 

Auf Feldmann folgte der stellvertretende hessische Ministerpräsident Jörg-Uwe Hahn, der noch ganz unter dem Eindruck der Verleihung des Deutschen Buchpreises von gestern Abend stand. Dass dem Roman "Landgericht" von Ursula Krechel der Preis zuerkannt wurde – für Hahn war das genau die richtige Entscheidung. "Das Buch enthält einen Auftrag für uns: Wir sollten uns intensiver mit der NS-Vergangenheit der Justiz beschäftigen." Seine Botschaft an die Branche: Die Buchmesse setze ein Signal für die Freiheit des Wortes; wie sein Parteikollege Westerwelle nehme er daher die Frage des geistigen Eigentums und die Anliegen der Branche in diesem Punkt "sehr ernst". 

"Wir sind Träumer, Autoren und beflissene Leser"

All diese politischen Appelle waren aber nur die eine Seite der Eröffnungsfeier. Das andere war, wie sich das Gastland der Frankfurter Buchmesse 2012 – Neuseeland – vorstellte: sympathisch, eloquent, weltoffen. Und sehr unterhaltsam. Neuseeland nutzte den Augenblick, um, rein rhethorisch, ein kleines Feuerwerk abzubrennen. Fakten, Anekdoten, Gedichte, Geschichten: Alles war dabei.

Joy Cowley und Bill Manhire, die literarischen Redner des Abends, gaben dem Publikum eine Ahnung davon, was Neuseeland, seine Literatur und Kultur ausmacht. "Das Positive an der geringen Größe und der Isolation ist ein ausgeprägter Hang dazu, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen - und unser Bildungssystem begünstigt das", erzählte Cowley. Während Manhire sich darauf konzentrierte, der neuseeländischen Seele auf den Grund zu schauen: Neuseeländer seien bescheiden ohne Grund, bedauerte er. "Ich hoffe, dass die Freunde, die wir in Frankfurt gewinnen werden, uns dazu ermuntern, ein bisschen anzugeben." Der Plan dürfte aufgehen.

Befeuert wurden beide noch von Simon William English, dem Vize-Ministerpräsidenten des Landes. Er stärkte seinen Landsleuten den Rücken, fasste zudem ihre Eigenheiten in Worte: "Wir Neuseeländer betrachten uns als praktische Menschen, pragmatisch und sportbegeistert. Aber wir sind auch Träumer, Autoren und beflissene Leser", so English. "Wir sind eine Nation von Buchliebhabern."