Kommentar: Amazon

Konkurrenzfähige Lösungen entwickeln

23. Juli 2015
von Börsenblatt
"Das Unternehmen arbeitet wie ein Enzym, das die DNA der Buchwelt kopiert und neu codiert", meint Börsenblatt-Redakteur Michael Roesler-Graichen zur Strategie von Amazon. Und wie sollte der Buchhandel darauf reagieren?
Über Amazon – den "Giganten ohne Geist", wie eine Wochenzeitung titelte – sind schon viele Kommentare geschrieben worden, und es wird immer mühsamer, dem bereits Veröffentlichten noch einen tiefschürfenden Gedanken hinzuzufügen. Daher bleibt einem kaum mehr übrig als zu konstatieren, dass Amazon mit seiner Strategie, die gesamte Buchindustrie zu reduplizieren, unverdrossen und scheinbar unaufhaltsam voranschreitet.

Das Unternehmen arbeitet wie ein Enzym, das die DNA der Buchwelt kopiert und dabei neu codiert. Die einzelnen Bausteine der Strategie – E-Reading-Devices, E-Books, Self-Publishing-Plattformen, Online-Buchhandel, Verlag (Amazon Publishing), Software- und Cloud-Services und mehr – fügen sich zu einem kaum noch überschaubaren Portfolio, das nicht in Wettbewerb zu einzelnen Produkten und Unternehmen tritt, sondern zur gesamten Buch- und Medienbranche. Das US-Justizministerium hat das Unternehmen mit seinem Vergleich gegen das Agency-Modell darin noch weiter bestärkt.

Der (teilweise digitalen) Buchwelt tritt ein eigenes Amazon-Universum gegenüber, das immer noch in der heißen Expansionsphase begriffen ist und mit seiner Energieballung zu einer Gefahr für die Branche und für den in ihr noch existenten freien Wettbewerb werden könnte. Was tun? Zunächst:
  • Keine Angst haben.
  • Amazons Strategie kopieren, zum Beispiel, indem große Player sich zusammenschließen und konkurrenzfähige Plattformen und Lösungen entwickeln.
  • Vor allem aber: Mit dem Riesen kooperieren, ihn "umarmen", auch wenn das nicht immer gelingen mag.
Was Kunden, Händler und Autoren am wenigsten brauchen, sind Parallelwelten. Deshalb ist die Integration des Giganten das bessere Modell als verteufeln, verzagen – oder beten.