Liao Yiwu beim internationalen literaturfestival berlin

Von der Pflicht des Exilanten

26. Februar 2015
von Börsenblatt
Friedenspreisträger Liao Yiwu eröffnete gestern das 12. internationalen literaturfestival berlin. In seiner Rede prangerte er die chinesische Unterdrückung der Tibeter an.

Der diesjährige Friedenspreisträger Liao Yiwu ist nicht nur Schriftsteller, im chinesischen Gefängnis lernte er das Flötenspiel und vierdiente später seinen Lebensunterhalt als Straßenmusiker. Bei seinem Auftritt im Haus der Berliner Festspiele zur Eröffnung des 12. internationalen literaturfestivals imponierte der seit dem vergangenen Jahr im Exil in Berlin lebende Autor mit seiner Musik, die er dem Kampf der Tibeter gegen die Unterdrückung durch China und für ein freies Tibet widmete.

Die Bilder von jungen Tibetern, die ihren Körper selbst in Flammen setzen, um so auf die Situation in ihrer Heimat aufmerksam zu machen, sind um die Welt gegangenen. Allein während der vergangenen vier Jahre kamen so 48 Menschen ums Leben. An sie und ihren äußersten Protest erinnerte Liao Yiwu auch in seiner Rede. Sein Engagement für Tibet begründete er mit der Pflicht des in Sicherheit lebenden Exilanten: „Ein Augenzeuge, der aus einem diktatorischen Land geflohen ist, muss, sobald er freien Boden betritt, sich dafür einsetzen, dass zu Hause das Leid von den Menschen genommen wird."

Der Satz steht in einem Brief an den deutschen Außenminister Guido Westerwelle. Liao Yiwu, der gestern aus dem Schreiben zitierte, bittet Westerwelle darin um Unterstützung bei seinem Bemühen, den 17. Gyalwa Karmapa, den höchsten Lama der Karma-Kagyü-Schule des tibetischen Buddhismus, zum literaturfestival nach Berlin zu bringen. Liao Yiwus Plan war es, gemeinsam mit dem religiösen Würdenträger aufzutreten und so den Blick der Europäer auf Tibet zu lenken. Der Plan ist gescheitert, das Ansinnen Liao Yiwus, das tibetische Drama in die Öffentlichkeit zu bringen, aber nicht.

Beim internationalen literaturfestival berlin (4. Bis 16. September), „dem internationalsten internationalen Literaturfestival" (Festivalleiter Ulrich Schreiber) werden 186 Autoren aus 56 Ländern auftreten. Der Fokus des Festivals liegt auf dem Raum Europa. Unter dem Motto „Europe Now" soll ein literarischer Rettungsschirm für Europa gespannt werden, der die (beziehungsweise eine) Wirklichkeit Europas erfassen und ausdrücken soll.