Kommentar

Unverhältnismäßig tatenlos

26. Februar 2015
von Börsenblatt
Während der Börsenverein lautstark Rechtssicherheit im digitalen Raum einfordert und Kritiker zum Gespräch einlädt, werden Entscheidungen auf politischer Ebene seit Jahren blockiert. "Nur die Bundesjustizministerin fällt seit Jahren nicht durch Tätigkeit in dieser Sache auf", kommentiert Börsenblatt-Chefredakteur Torsten Casimir.

Das Internet ist kein rechtsfreier Raum. Allerdings birgt es für Rechtsverletzer weitaus geringere Gefahren als die reale Welt: Viele Verstöße sind nicht oder nur sehr schwer einer konkreten Person zurechenbar, und deshalb können sie nicht verfolgt werden. Das gilt insbesondere für die illega­le Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke im Netz.

Ein Modell, das vom Börsenverein gemeinsam mit der Musikindustrie und der Filmwirtschaft propagiert wird, sieht vor, dass Urheberrechtsverletzer einen Warnhinweis erhalten – zur Abschreckung und Aufklärung. Das Modell ist rechtlich nicht ohne, weil es die Anbieter von Internetzugängen (Provider) zur Mithilfe verpflichten würde. Gutachten und Gegengutachten zur Frage der Unbedenklichkeit werden auf den Weg gebracht: eine begrüßenswerte Schärfung der Argumente.

Nur die Bundesjustizministerin fällt seit Jahren nicht durch Tätigkeit in dieser Sache auf. Anstatt gesetzgeberisch auf den Umstand massenhafter Urheberrechtsverletzungen im Internet zu reagieren, sagt Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) bloß, was sie nicht will: zum Beispiel Warnhinweise. Die halte sie für ein "Angst-Modell", das nur mit "Überwachung des Internets" zu machen sei. So ersetzt alarmistische Rhetorik und Gefahrensuggestion die fachliche Arbeit.

Sowohl rechtliche Erwägungen als auch praktische internationale Erfahrungen sprechen dafür, dass Warnhinweise ein präventiv wirksames Mittel sein können. Die repressiven Anteile dieses Modells sind vergleichsweise gering; kein vernünftiger Rechteinhaber verlangt nach Internetsperren. Dass aber ohne Provider nichts geht, liegt schlicht an den technischen Gegebenheiten: Provider halten quasi das Monopol auf alle im Internetverkehr anfallenden Daten. Deshalb erscheint deren Mitwirkungspflicht bei der Rechtsdurchsetzung als ein verhältnismäßiges Mittel – anders als die unverhältnismäßige Tatenlosigkeit der Ministerin.

Mehr zu den aktuellen Entwicklungen im Bereich des Urheberrechts lesen Sie im morgen erscheinenden Börsenblatt (Ausgabe 35, Seite 6).