Initiative protoTYPE

Der Innovation auf der Spur

23. Juli 2015
von Börsenblatt
Seit März 2012 arbeiten rund 40 kreative Köpfe im Rahmen der Initiative protoTYPE zusammen. Wie die Arbeit vorangeht und an welchen Projekten konkret gearbeitet wird, zeigt der Werkstattbericht mit ausgewählten Beispielen.

Leipzig, ein Wochenende im Frühjahr 2012. Es ist Buchmesse, Treffpunkt der Bücherwelt und diesmal auch: Treffpunkt der Innovatoren. Rund 40 Quer-, Vor- und Mitdenker kommen zusammen und spinnen kreative Zukunftskonzepte – rund ums Buch, für die Branche. Die Zukunft? Wartet auf genau solche Menschen.

Was da beginnt, läuft unter dem Namen protoTYPE und ist eine Initiative, die vom Forum Zukunft und dem Arbeitskreis Elektronisches Publizieren (AKEP) im Börsenverein des Deutschen Buchhandels ausgeht. Für Alexander Skipis, Hauptgeschäftsführer des Börsenvereins, ist das Projekt ein Experiment zur rechten Zeit: "Innovative Ideen und Konzepte entstehen nicht im Selbstgespräch, sondern im Austausch. Derzeit herrscht vielerorts in der Buchbranche eine große Aufbruchstimmung, die wir für protoTYPE nutzen und mit dem Projekt fördern wollen."

Schon seit mehreren Jahren kümmert sich der Verband intensiv um das Thema Innovation und gibt selbst mit modernen Veranstaltungsformaten ein Beispiel. So sind das BuchCamp oder die Zukunftskonferenz als Plattformen für den kreativen Austausch zur Zukunft des Buches Bestandteil des Bücherjahres.

Das Format protoTYPE ist auf Nachhaltigkeit angelegt: Menschen aus der Buchbranche und verwandten Geschäftszweigen entwickeln gemeinsam verschiedene Projektansätze und Konzepte, die ihrer Meinung nach das Potenzial haben, die Weiterentwicklung der Buchbranche zu unterstützen. Über einen Zeitraum von sechs Monaten werden diese protoTYPEn dann zu zukunftsfähigen Modellen weiterentwickelt und stehen anschließend der gesamten Branche zur Verfügung.

Der Börsenverein begleitet und fördert die Ideen, stellt die Infrastruktur für den kontinuierlichen Austausch der Teams, das Projektmanagement und die Moderation für die Innovationsprozesse zur Verfügung. Sarah Harnecker, die protoTYPE als Koordinatorin betreut, ist von der Projektarbeit begeistert. "Es ist unglaublich, wie engagiert die Teilnehmer ihre protoTYPEn vorantreiben. Ursprünglich hatten wir an vier protoTYPEn gedacht, die wir im Herbst bei der Frankfurter Buchmesse vorstellen – gearbeitet wird seit der Leipziger Buchmesse nun an sieben Projekten. Sehr unterschiedlich und sehr spannend."Soweit die Theorie. Doch was kann man sich unter so einem protoTYPEn eigentlich vorstellen? Zeit für eine exemplarische Auswahl.

Suche nach Gefühl – Emotional Booksearch


Da gibt es die ganz neue Art der Suche – bei "Emotional Booksearch" geht es nicht um Titel oder Autoren, sondern um die Gefühle, die Bücher bei Lesern auslösen. Rieke Höpfner, Business Development Manager bei John Wiley and Sons, erklärt, wie das geht: "Bücher können grundsätzlich mit unterschiedlichen Emotionen vertaggt werden, da sie aufgrund verschiedener Genres auch bestimmten Basis-Gefühlen zuzuordnen sind. Dazu werden Emotionsgruppen erstellt, denen der Inhalt und das Emotionserlebnis beim Lesen zugeteilt wird."

Derzeit experimentiert das fünfköpfige Team in kleinem Rahmen und versucht, sinnvolle Kategorien zu finden – als Grundlage für eine Tag-Datenbank. Die Gruppe arbeitet schon jetzt mit potenziellen Kooperationspartnern zusammen und will im Herbst einen Vorschlag zur Umsetzung präsentieren. Und dann kann die Suche nach Freude, Wut und Glück hoffentlich losgehen.

Handfest und geradezu bodenständig geht es dagegen in der Gruppe "Toolbox" zu. Rund die Hälfte des Umsatzes in der Buchbranche wird in den Buchhandlungen vor Ort erzielt, doch die Tendenz ist fallend. Und noch immer hat nur rund die Hälfte aller Buchhandlungen eine eigene Präsenz im Netz. Damit Buchhandlungen gut gerüstet in die Zukunft gehen, hat die Toolbox-Gruppe Anknüpfungspunkte aus Praxissicht entwickelt – einen Werkzeugkasten eben. Impulsgeber für die Ideensammlung sind Buchhandlungen, die sich bereits zukunftsorientiert positionieren.

Das Team um Sandra Thoms, Geschäftsführerin des Dryas Verlags, bündelt diese dann und stellt fachgebietsspezifische Dossiers zusammen. Dabei werden Themen wie DVDs, Kundenzeitungen oder E-Book-Verkauf behandelt. Die einzelnen Teammitglieder – darunter Verleger, Buchhändler und Studenten – arbeiten unabhängig voneinander an ihren Themen und tauschen sich bei Fragen aus. Im September treffen sich alle protoTYPE-Gruppen zum nächsten Meilenstein wieder – dann wird bei einem zweitägigen Seminar der Endspurt eingeläutet. Bis dahin heißt es: Telefonieren und Mails schreiben. Für Oktober verspricht Sandra Thoms dann ein kompaktes Handbuch – als bunten Werkzeugkasten, der alle Buchhändler weiterbringt.

Fünf Sterne - das Qualitätssiegel eQ

Und dann ist da noch "eQ – Das Qualitätssiegel für digitale Inhalte im Kinder- und Jugendbuch". eQ steht für electronic Quality und soll die Antwort auf Fragen geben wie: Welches digitale Bilderbuch ist für mein Kind passend? Welche ABC-App arbeitet mit dem sinnvollsten pädagogischen Konzept? Wie kann ich sichergehen, dass ein E-Book altersgerecht bedienbar ist? Ist ein Produkt mit dem eQ-Siegel ausgezeichnet, weiß der Käufer, dass es bestimmte Qualitätsstandards erfüllt.

Das betrifft u.a. die Bereiche Technik, Einhaltung altersgerechter Standards, pädagogische Qualität und benutzerfreundliche Bedienung. Jeder Hersteller digitaler Kinderbücher kann sein Angebot auf der eQ-Plattform einstellen. Dazu gibt er Informationen zur technischen Qualität, Sicherheitsstandards und demografische Rahmenkriterien an. Anschließend bewerten Endkunden diesen Kriterienkatalog mit Punkten und können zudem eigene Kommentare ergänzen. Der Vorteil für den Kunden: eine valide und platt-formübergreifende Orientierung. Der Vorteil für den Anbieter: ein qualitativer Mehrwert gegenüber allen "siegellosen" Angeboten.

Der Entstehungsprozess ist sehr dynamisch, so erlebt das jedenfalls eQ-Teammitglied Tine Mikliss, Gründerin der Jungen Verlagsmenschen: "Wir bringen alle unterschiedliche Erfahrungen, Fähigkeiten und Kenntnisse ein, sie vermischen sich zu unserem Projekt. Ob eQ dann im Herbst weitergeht, steht noch in den Sternen – und entscheidet sich wohl letztlich daran, ob jemand Zeit und Geld in die Umsetzung investieren möchte." Noch hat die Projektgruppe gut sechs Wochen Zeit, um am Konzept zu feilen. Dann wird man sehen, ob eQ schon fit für den Markt ist.

Frankfurt, eine Woche im Herbst 2012. Es ist Buchmesse, Treffpunkt der Bücherwelt und diesmal auch: Treffpunkt der protoTYPEn. Sieben Projektteams präsentieren kreative Zukunftskonzepte – rund ums Buch, für die Branche. Die Zukunft? Ist schon da.