AkS-Jahrestagung

RTL-Glücksrad vor der Buchhandlung

23. Juli 2015
von Börsenblatt
Um Lese- und Lebensweltenperspektiven, E-Book-Reader / Multi-Channel-Strategien und die Eckpunkte für den Verkauf einer Buchhandlung ging es am ersten Tag der Jahrestagung des AkS Arbeitskreis unabhängiger Sortimente an diesem Wochenende in Berlin.
"The future ist not googleable" – dieses Zitat des SF-Autors William Gibson stellten Dorothee Werner, Leiterin der Unternehmensentwicklung im Börsenverein, und Jana Lippmann, Marktforschungs-Referentin des Verbands, ihrem Vortrag „Hipp und weg: Lese- und Lebensweltenperspektiven“ voran. Hip sein für die Kunden. Aber wie? „Sie sind diejenigen, die direkt beim Kunden sind. Ihr Alleinstellungsmerkmal ist daher, dass Sie Ihr Angebot für die Kunden maßschneidern können“, so Dorothee Werner. Neben Bewährtem gelte es, immer wieder Neues zu denken und zu erproben.

Nach einem umfassenden Überblick über die Sinus Milieus von Jana Lippmann durften die AkSler in einem Mini-Workshop kreativ werden und sich Ideen für eine neue Zielgruppe ausdenken. Im Angebot waren die Prekären, die Hedonisten und die adaptiv Pragmatischen. Besonders originell: ein Glücksrad vor der Buchhandlung in Kooperation mit RTL für die Prekären. Hauptgewinn: eine Mischung aus (sprechender) Karte und Buch, die sich ganz besonders gut als Geschenk eignet. 

Die Zukunft ist jetzt 

AkS-Sprecherin Andrea Nunne und Susanne Martin, Inhaberin der Schiller-Buchhandlung in Stuttgart, ließen die etwa 90 Teilnehmer der Tagung (darunter zwei Drittel AkS-Mitglieder) an ihren Erfahrungen in Sachen E-Book-Reader und Multi-Channel-Strategien teilnehmen.  „Dass wir alle einen Online-Shop haben, sollte das selbstverständlichste von der Welt sein“, sagte Andrea Nunne.  Sie nutzt das AkS-Webprojekt, bietet verschiedene E-Reader an, bespielt Facebook (250 Fans) und versendet alle zwei Wochen einen Newsletter an ihre Kunden (ebenfalls 250 Adressen). Nunne: "Wir sollten der kompetente Ansprechpartner für Inhalte bleiben.“ Ihre Probleme beim E-Book-Geschäft beginnen u.a. mit der Einbindung der Warenwirschaft: „Wir brauchen vom Börsenverein und von der MVB Unterstützung, beim Zusammenspiel der verschiedenen Shops, Formate und Abrechnungsmodelle." 

Susanne Martin beeindruckte das Plenum mit ihrem umfassenden digitalen Engagement: Homepage seit 1996; Newsletter mit 330 Abonnenten, Podcast, Twitter-Account seit 2009 (über 1600 Follower), Facebook (900 Fans), Youtube-Kanal, Blog, Account bei Lovelybooks. Der Mittelpunkt sei der Laden, alle lokalen Aktivitäten versuche sie im Netz zu spiegeln. Arbeitsaufwand: ein Tag pro Woche.   

Der Lohn für die Mühe sei ein überdurchschnittlicher Umsatzanteil im Internet von ca. 8 Prozent und ein gutes Googe-Ranking ihrer Buchhandlung, so Martin. Die Anzahl der E-Book-Downloads über Libri.de von Januar bis Mai gibt Martin mit 95 an (Umsatz: 753,49 Euro), über Libreka wurden 13 Downloads generiert. 

Die Gründe für die bescheidene Ausbeute bei hohem Engagement sieht die Stuttgarter Buchhändlerin in erster Linie in den beim E-Book-Verkauf extrem geringen Margen und dem komplizierten Handling. Martin: „Wir brauchen einen einheitlichen Buchkatalog, der alle Formate unter einer Oberfläche vorhält – möglichst die Datenbanken vieler Marktteilnehmer. Nur wenn wir die Kleinstaaterei über Bord werfen, können wir gegen Amazon bestehen.“ Für diesen Appell erhielt sie Szenenapplaus.


Was ist mein Laden wert? 

Leicht geschockt waren einige AkSler nach dem Vortrag von Klaus W. Bramann, Berater und Verleger buchhändlerischer Fachliteratur, der empfahl, mit 55 Jahren die Nachfolgeregelung zu klären. 25 Prozent aller Unternehmer würden das Problem ignorieren, weiß Bramann. Daraus resultiere schädlicher Zeitdruck bei Verhandlungen.

Zu berücksichtigen sind betriebswirtschaftliche Aspekte ebenso wie psychologische, rechtliche und steuerliche Aspekte. Deutlich wies Bramann bei seinen Rechenspielen (ebenfalls demnächst zum Download) darauf hin, dass der Unternehmenswert die Altersvorsorge nicht abdecke, der Verkaufspreis also nur ein Baustein der Altersvorsorge sein könne. "Je gesünder Ihre Firma im Hier und Jetzt agiert, umso höher wird der Verkaufspreis sein. Den Verkaufswert sinnvoll ansteuern heißt also: den Verkauf systematisch vorbereiten, überprüfen, ob derzeitige Erträge zu optimieren sind, und gegebenenfalls strategische Weichenstellungen treffen", so Bramann.

Seine Eckdaten für gute Verkaufsaussichten:  

- Lagerleistung (LUG)         (> 5)
- Anteil Durchlaufgeschäft ( Ihr ›Abholfach‹)
- Handelsspanne (> 32 Prozent)
- Kostenstruktur (Personalkosten inkl. Unternehmerlohn < 20%; Miete/Mietnebenkosten < 5%)
- Durchschnittlicher Bon-Umsatz (> 17,00 Euro)
- Barumsatz je Quadratmeter Verkaufsraum  (> 3.500 Euro für Betriebe mit ca. 650.000 € Umsatz; > 3.000 Euro bei kleineren Unternehmen

Bramanns Appell: "Setzen Sie sich mit den für Ihre Firma relevanten Zukunftsfeldern auseinander. Und investieren Sie in digitale Geschäftsmodelle."

Am morgigen Sonntag geht es bei der AkS-Tagung weiter mit den Themen Buy local, Musikalien verkaufen und Hörspielen. boersenblatt.net berichtet.