Buchtage 2012

Das Buchmarketing kommt

23. Juli 2015
von Börsenblatt
Große Zustimmung für ein großes Vorhaben: Mit breiter Mehrheit haben die Mitglieder des Börsenvereins heute in der Hauptversammlung beschlossen, ein gemeinsames Buchmarketing aufzusetzen.

Nur vier Mitglieder sprachen sich gegen das Projekt aus, außerdem gab es 18 Enthaltungen. Die Hauptversammlung beauftragt damit Vorstand und Hauptgeschäftsführung mit der Umsetzung und Durchführung einer Buchmarketingkampagne (Dauer: drei Jahre, Budget: eine Million Euro pro Jahr). Die Finanzierung erfolgt über eine Sonderausschüttung der Wirtschaftsbetriebe.

Vor einigen Jahren hatte der Börsenverein schon einmal versucht, eine Branchenkampagne aufzusetzen. Damals war das Projekt unter anderem an den Finanzierungsmodellen gescheitert. Dass sich die Branche bei dem neuen Vorstoß 2012 ausnahmsweise einmal im "vorauseilenden Optimismus" üben solle, machte Ulrich Störiko-Blume für die Arbeitsgemeinschaft von Jugendbuchverlagen in der sehr kurzen Diskussion auf der Hauptversammlung deutlich.

Auch eBuch-Vorstand Lorenz Borsche betonte, dass er es "prinzipiell gut" finde, wenn die Branche gemeinsam für das Buch werbe. Da aber letztlich alle und damit auch Amazon davon profitieren würden, stelle sich die Frage, ob Amazon die Kampagne nicht auch mitfinanzieren könne. Verleger Christoph Links hakte nach, was passiere, wenn die Kampagne der angedachten Agentur "Zum Goldenen Hirschen" nicht zünde. Die Antwort von Hauptgeschäftsführer Alexander Skipis: "Dann haben wir jedes Jahr die Möglichkeit, auszusteigen".

Auch Verleger Rainer Nitsche sprach sich für das Projekt aus: "Wenn die Kampagne funktioniert, kann sich die Agentur gern in "den leuchtenden Hirschen" umbenennen". Für Nitsche stellte sich nur die Frage, ob die Sinus-Milieus, an die sich die Kampagne richten soll, richtig ausgewählt seien.

Über konkrete Vorschläge für das Marketing hatten die Mitglieder noch nicht zu entscheiden. In Berlin ging es zunächst einmal um die grundsätzliche Zustimmung zu einem solchen Projekt und seiner Finanzierung.

Vorher hatte Skipis noch einmal intensiv für das Projekt geworben: "Die Forderungen nach einem Buchmarketing verdichten sich zur Zeit. Denn das Buch hat es schwer - und es ist gerade jetzt wichtig, etwas für das Buch zu tun, betonte der Hauptgeschäftsführer. "Es gibt viele Medien, die um das Zeit-, Reiz- und Geldbudget der Kunden ringen. In diesem Wettbewerb stehen wir. Das Buch ist zwar ein Leitmedium der Gesellschaft, aber nur noch eines von mehreren."

Der Börsenverein hatte vorab eine Machbarkeitsstudie zum Buchmarketing durchgeführt, begleitet von einem ehrenamtlichen Beirat. Mehr als 60 Mitglieder aus dem Börsenverein wurden im Vorfeld befragt.

Dabei kristallisierten sich fünf Erfolgsfaktoren für eine Kampagne heraus:

  • Unterstützung durch die Mitglieder: "Es wird keine Kampagne werden, die es allen in der Branche recht macht", betonte Skipis, denn „der Wurm muss dem Fisch schmecken und nicht dem Angler“. Dennoch könne sie nur dann erfolgreich sein, wenn sie von den Mitgliedern gewollt ist und aktiv mitgetragen wird.
  • Fokussierung auf Zielgruppen mit Potenzial: Das Marketing soll sich auf die Sinus-Milieus der Adaptiv-Pragmatischen und der Bürgerlichen Mitte konzentrieren. Zusammen stellen sie etwa ein Viertel der Bevölkerung, decken die Mitte der Gesellschaft ab, sind leseaffin.
  • Optimaler Kommunikationsmix für die Kampagnenstruktur: Das Buchmarketing soll über drei Jahre laufen, um nachhaltig wirken zu können. Pro Jahr sollen eine Million Euro in das Projekt fließen. Weil eine konventionelle Werbekampagne dieses Budget sprengen würde, soll der Multiplikationseffekt der Social-Media-Netzwerke genutzt werden. Der potenzielle Partner dafür: Die Hamburger Agentur "Zum goldenen Hirschen", fünftgrößte Agentur der Republik, die unter anderem in jüngster Zeit eine Kino-Kampagne gegen Raubkopierer ins Rollen gebracht hat.
  • Vernetzung mit Kooperationspartnern: In die PR-gestützte Kampagne sollen alle Aktivitäten der Börsenvereinsgruppe (Welttag, Buchmesse, Vorlesewettbewerb u.a.) einbezogen werden. Außerdem setzt der Börsenverein auf bewährte Partner wie die Stiftung Lesen und die Bibliotheken, Druckerein, Zeitschriftenhäuser.
  • Ressourcen: Die Kampagne müsse finanziell und personell machbar sein, betonte Skipis. Umlagen oder eine Beitragserhöhung seien dafür nicht denkbar, aber auch nicht nötig. Die Wirtschaftsbetriebe könnten die jährliche Ausschüttung ohne Beeinträchtung leisen - bei Rücklagen und Bilanzgewinnen von insgesamt 19,3 Millionen Euro Ende 2011. "Damit geben wir den Mitglieder jetzt etwas zurück von den Einnahmen der Wirtschaftsbetriebe – in diesem Fall für eine Kampagne, die verkaufsfördernd für sie wirkt." 

 

Agentur-Geschäftsführer Klaus Sielker präsentierte auf der Hauptversammlung frühere Kampagnen der Agentur, etwa die Kino-Kampagne gegen Raubkopierer oder ein Marketing für Wertpapiere. Kafkas Satz „Ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns“ in eine starke Werbebotschaft umzusetzen – das sei das Ziel seiner Agentur, so Sielker. Viele seiner Kollegen, die von Facebook mittlerweile genervt seien, würden nach wie vor leuchtende Augen bekommen, wenn es um Bücher gehe.