Gastspiel

Bequem – nicht kostenlos

26. Februar 2015
von Börsenblatt
In der Urheberrechtsdebatte wird zu oft aneinander vorbeigeredet. Ein Klärungsversuch. Von Benjamin Stein.

In der seit Monaten tobenden Urheberrechtsdebatte werde ich den Eindruck nicht los, dass beide Seiten nicht wirklich verstehen, was die andere fordert, und schon gar nicht warum. Als IT-Berater, der auch Autor ist, stehe ich mit je einem Bein in beiden Lagern. Die Ängste und Nöte der Kulturschaffenden sind mir vertraut, und immerhin verstehe ich die mitunter nerdige Sprache der Piraten.

Ist das Urheberrecht obsolet? Sicher nicht! Muss es an die Gegebenheiten des Netzzeitalters angepasst werden? Unbedingt!

Die geforderte Verkürzung der Schutzfristen ist überfällig. Dass die Erben großer Künstler über mehrere Generationen ihr Leben fristen als Verweser der Rechte an einem Werk, das sie nicht selbst geschaffen haben, wollte mir noch nie in den Kopf. Künstlerische Arbeit andererseits ist Arbeit. Sie soll, wenn sie denn jemand will, entlohnt werden, und also braucht es einen gewissen Schutz, solange der Urheber lebt. Auch die Investitionen eines Verwerters – etwa eines Verlags – sind für eine gewisse Zeit nach dem Tod des Urhebers schutzwürdig, doch kaum länger als die geforderten 25 Jahre. In diesem Zeitrahmen muss ein Kaufmann auf seine Kosten gekommen sein.

Das Wort "Kaufmann" ist entscheidend. Es braucht, wenn Kunst an den Mann und die Frau gebracht werden soll, drei Parteien: Künstler, Kaufmann und Publikum. Künftige Szenarien werden nur funktionieren, wenn alle drei dieser Parteien etwas davon haben. Es mag sein, dass es weniger sein wird als heute, aber etwas muss bleiben.

Das Publikum muss verstehen, dass die Werke ohne Künstler und Kaufmann nicht oder nicht in gleicher Qualität existieren und in aller Regel nicht bis zu ihm durchdringen würden. Künstler und Kaufleute hingegen müssen verstehen, dass sie sich in einem Markt bewegen. Da gibt es kein Anrecht auf Pfründesicherung. Digital Rights Management ist ein Graus für den zahlenden Kunden. Es schmälert die Attraktivität digitaler Angebote derart stark, dass allein aus diesem Grund Schwarzkopieren oft näherliegt, als für Unbequemlichkeit und Gängelei durch das DRM-Gedöns auch noch freudig zu zahlen.

Die Musikbranche hat das alles bereits durchexerziert. Auf iTunes wie auf Amazon ist das DRM-Trauerspiel unterdessen beendet. Umsatzeinbrüche gab es deswegen nicht, sondern mehr zufriedene und damit auch zahlungswillige Kunden.

Der besonders im Netz herrschende Wunsch nach "instant gratification" bedeutet: sofort und bequem, nicht aber zwingend kostenlos. Der überwältigende Erfolg von iTunes beweist dies nachdrücklich. Nicht das preiswerteste, sondern das komfortabelste Angebot setzt sich durch. Statt zu zetern, sollten die Kaufleute sich Gedanken machen, wie sie ihre Produkte marktgerechter gestalten. Dann regelt sich das mit dem Umsatz auch.

Völlig im Recht sind die Piraten, wenn sie fordern, nicht zu kriminalisieren, was schlichtweg nicht zu verhindern ist: privates Kopieren von gekauften Inhalten. Kom­merzielle Vermarktung von Hehlerware durch Download-Portale hingegen muss unterbunden werden, aber dafür braucht es noch nicht einmal neue Gesetze, denn Hehlerei steht bereits unter Strafe. Auch hier muss man den Kaufleuten klar sagen: Ihr könnt euch den Markt nicht machen, wie ihr ihn wollt; ihr müsst ihn nehmen, wie er ist, und das Beste draus machen.

Statt sich in Gefechten um Dinge zu verschleißen, die auf Dauer ohnehin nicht aufzuhalten sind, sollte man die Energien darauf verwenden, die tatsächlich größte Herausforderung zu meistern: Wie gewährleistet man den gleichberechtigten Zugang zu Wissen, das ja nun nach wie vor häufig in Büchern steckt? Wann also, frage ich mich, kümmern sich Künstlerverbände, Universitäten und Verlage endlich um ein taugliches Konzept für digitale Bibliotheken – auch hier wieder unter Wahrung der legitimen Interessen aller Beteiligten?

Benjamin Stein lebt als Autor und IT-Berater in München. Zuletzt erschien von ihm der Roman »Replay« (Beck)

Der Beitrag ist in der heutigen Ausgabe (Heft 21) des Börsenblatt erschienen.