Kommentar

Verlage in Gründerlaune

9. Mai 2012
von Börsenblatt
Der Aufbau Verlag übernimmt Walde + Graf, Usborne Publishing gründet einen deutschen Ableger und Edel kündigt ein Berliner Imprint an. "Bei so viel Goldgräbertum reibt man sich leicht verwundert die Augen", meint Börsenblatt-Redakteurin Sabine Cronau.

Die Nachricht, dass Peter Graf mit seinem vielgepriesenen Zürcher Verlag Walde + Graf jetzt bei der Berliner Aufbau-Gruppe andockt, gehört zu den erstaunlichsten der Woche – aus vielerlei Gründen. Einer davon: Auch wenn der Buchmarkt mit Filialistenkrise und Piraterieproblemen derzeit eher für ein bedrückendes Presse-Echo sorgt, gibt es Verlage, die das Gefühl zu haben scheinen: "Da geht doch noch was."

Warum sonst sollte Aufbau-Verleger Matthias Koch seinen belletristischen Radius nach Blumenbar jetzt auch noch um die Autoren von Walde + Graf erweitern und unter dem neuen Gemeinschaftslabel metrolit Bücher für junge, urbane Leser machen – allein 20 im Frühjahr 2013? Ob sich der Coolness-Faktor am Schreibtisch planen lässt, sei dahingestellt. Das Interessante an der Nachricht aber ist: Ein Verlag wie Walde + Graf, der seine Energie in sehr besondere Bücher gesteckt hat, eignet sich auch oder gerade in Zeiten wie diesen als Schmuckstück am Revers einer Verlagsgruppe, die weiter wachsen will – und explizit die hippen (digitalisierten) Städter in den Blick nimmt.

Zur Aufbau-Nachricht passen weitere Meldungen der Woche – etwa die vom ersten Programm bei Hanser Berlin, das bei der Eröffnungsparty am neuen Verlagssitz in der Friedrichstraße präsentiert wurde. Oder die Ankündigung, dass die Edel AG ein weiteres Imprint plant und zudem einen digitalen Verlag aufsetzen will. Oder der Schritt des britischen Kinderbuchspezialisten Usborne nach Deutschland, mit Vertrieb via dtv. Bei so viel verlegerischem Goldgräbertum reibt man sich leicht verwundert die Augen. Steigt nicht nur der Konkurrenzdruck im Kessel, wenn die Sortimentsflächen schrumpfen? Oder wird tatsächlich auch der Hunger nach Geschichten größer? Das schönste Zitat zum Thema Geschäftserfolg wird von Diogenes-Kopf Rudolf Bettschart kolportiert. Seine Devise: 50 Prozent sind gute Stimmung. Da verbreiten die Verlage lieber schon mal allerbeste Gründerlaune.

Lesen Sie dazu auch "Eine neue Art von Abenteuer", ein Porträt des Verlegers Peter Graf (Walde + Graf), im nächsten Börsenblatt, Heft 19 (Seite 28/29).