Kommentar

Experiment in der Vertikalen

2. Mai 2012
von Börsenblatt
Die schwedische Verlagsgruppe Bonnier wächst weiter vertikal: sie übernimmt die Pocketshop-Kette. "Es braucht nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, welche Optionen sich Bonnier nun bieten", meint Börsenblatt-Redakteurin Christina Schulte.
Ein bemerkenswerter Deal: Die schwedische Verlagsgruppe Bonnier kauft den nach eigenen Angaben führenden und profitabelsten schwedischen Buchhändler Pocketshop. Das ist ungefähr so, als würde in Deutschland Random House eben mal Thalia übernehmen. Vertikale Diversifikation heißt das lapidar in der Sprache der Betriebswirtschaftler – und meint nichts anderes, als dass sich der Zukauf eines Unternehmens auf eine vor- oder nachgelagerte Stufe der Wertschöpfungskette bezieht. Damit ändert sich die Ausdehnung der Fertigungstiefe. Fachverlage, zu denen Fachsortimente gehören, kennen das. Publikumsverlage betreten hier weitgehend Neuland. Bonnier macht jetzt nicht mehr nur Bücher, sondern verkauft sie auch – in 15 eigenen Läden. Die Lösung ist charmant für Bonnier, manch anderen Verlagen dürften sich hingegen die Nackenhaare aufstellen.

Es braucht nicht viel Fantasie, um sich auszumalen, welche Optionen sich Bonnier mit diesem Coup bieten – zumal in einem Land ohne feste Ladenpreise. Nicht nur, dass die eigenen Titel besonders attraktiv in den Buchhandlungen präsentiert werden können. Die Selektion, welche Bücher anderer Verlage angeboten werden, obliegt ebenfalls dem Händler. Und an der Preisgestaltung lässt sich auch das ein oder andere drehen: Bonnier-Werke im eigenen Outlet oder Flagshipstore zu günstigeren Preisen als anderswo, etwa. Ob und wie der Verlag seine neu gewonnene Handelsmacht ausspielt, wird sich noch zeigen.

Zwar gibt es schon populäre Verlage, die selbst Läden betreiben, Taschen etwa, doch steckt dahinter ein anderes Konzept. Ein Showroom, der die eigene Produktpalette in Szene setzt – und nicht darauf angelegt ist, Erzeugnisse der Konkurrenten mitzuverkaufen. Man wird die Aktivitäten von Bonnier genau beäugen, denn auch hierzulande zählt die Gruppe nicht zu den kleinsten.