Die AAAchse des Bösen

23. Juli 2015
von Börsenblatt
Wie ich bereits irgendwo erwähnte: ich bin eine totale Wurst, was eBooks angeht. CDs besitze ich nicht mehr, DVDs stehen schon auf meiner Roten Liste der vom Aussterben bedrohten Medien, aber Bücher habe ich immer noch als Tote-Bäume-Ausgabe.

Nicht, weil ich sentimental bin: Viele meiner Bücher sind billige Taschenbuchausgaben, weder schön, noch kostbar, noch selten. Die meisten lese ich eh erst wieder, wenn die Kinder aus dem Haus sind und der Hund tot.

Was mich davon abhält, mein Bücherregal zu entrümpeln ist ein vages formatgewuselbasiertes Mißtrauen. Anders als andere zu Recht verblichene Medien ist das Buch ja ein ganz feiner Standard! Hitze-, spritzwasser und alterungsbeständig, weltweit verbreitet, menschenlesbar. Mein dreijähriger Sohn kann ein Buch benutzen, übrigens kann er es auch verleihen, verschenken und verkaufen. Wenn er es nicht verkauft, erben es die Enkel, denn die kleine Raupe Nimmersatt wird auch ihnen noch gefallen. Jetzt du, eBook. Ich höre? Ich höre Stimmengewirr. Als ich zu einer anderen Teilnehmerin bei Prototype sagte, es sei ja kein Wunder, dass keiner eBooks kaufe, weil: kein einheitliches Format, zog sie die Augenbrauen hoch und sagte, eigentlich sei ePub3 ja jetzt der Standard. Ach was. Dieses Argument habe ich seitdem häufiger im Umfeld von ProtoTYPE gehört. Dazu ein kleiner Zwischenruf aus der eBook-Wurst-Ecke: Das weiß keiner! Ich habe Leute befragt, von denen ich annehme, dass sie mit ihren mobilen Endgeräten bereits fest verwachsen sind, und die meisten wussten genau das nicht.

Es ist auch nur bedingt richtig, denn es gibt ja noch .mobi vom Gottseibeiuns, es gibt auch pdfs und iBooks. Und jetzt? Hat man keine gesteigerte Lust auf ein Minimum von zwei Stunden Recherchearbeit, möchte aber trotzdem eBooks lesen, dann kauft man sich den Kindle, dann ist es ganz einfach. Dann nimmt Amazon dich an die Hand und Papi macht das schon für dich.

Ich habe eine private Umfrage gestartet, wer welche eBooks nutzt und auf welchem Reader (denn einige wenige machen das schon). Die Antworten halfen mir in meiner Verwirrung wenig. Will ich es einfach: Kindle. Will ich es hübsch: Nook. Will ich viele Funktionen in einem hässlichen Gehäuse: Sony. Mit pdf-Reflow! Nur wird der Bildschirm immer schwarz beim Umblättern, gehört das so? Kobo gibt es auch noch, der hat aber kein pdf-Reflow. WTF? Ich weiß jetzt noch nicht, welche Bücher ich als eBooks lesen möchte. Ich weiß nicht, wie viel ich zitieren möchte, und die Touchscreens sind nebenbei bemerkt, unterirdisch. Auch die Bilder bocken null, aber da ist unsere ProtoTYPE-Gruppe ja dran, dass das besser wird. Und alle wollen mich binden an ihre #*@§# Plattformen und ihren Shop und ihr ganzes Gekröse

Und Zeitschriften! Don’t get me started on that one. Da wollte ich neulich mal die Brigitte auf meinem iPad lesen, die gibt es bei Pubbles (WTF? Wem soll ich jetzt schon wieder meinen Kreditkartennummer in den Rachen werfen? Ach so, Paypal. Das ist gut, die amerikanische Regierung hat ja sowieso schon alle meine Daten.) Fairerweise muss man sagen, dass Pubbles kein amerikanisches Unternehmen ist, deshalb gab es erst einmal Pluspunkte.

Erst einmal, denn Brigitte hat DRM. Wie alle wissen, die schon die Musikindustrie in den Ruin getrieben haben: DRM means trouble. In diesem Fall, dass ich mir eine Adobe-ID besorgen muss. Nix Schlimmes, nur registrieren. Tut nicht weh. Dass jetzt ausgerechnet Adobe die einzigen sind, die noch keine Daten von mir haben, tut nichts zur Sache. Außerdem weiß ich von einer leidgeprüften Freundin, dass man eine Adobe-ID nur wieder von einem Gerät bekommt, indem es mit dem Vorschlaghammer zerschlägt. So etwas macht mir echt schlechte Laune.

Aber jetzt hat die Achse des Bösen ein schönes Kürzel: Apple, Amazon, Adobe – AAA. Man könnte Produktaufkleber machen „100% AAA-free“, also ich würde alles kaufen, wo das draufsteht. Allerdings nur, wenn ich deshalb nicht das eBook-Äquivalent von Nica-Kaffee kaufen muss (wer in den 90ern in alternativen Kreisen gelebt hat, weiß, was ich meine): Meine idealistische Leidensfähigkeit ist begrenzt, denn das Leben ist zu kurz, um sich mit schlechten Produkten herumzuschlagen.

Den Kauf eines eBook-Readers habe ich verschoben. Ich mache jetzt erstmal einen Doktor in Deviceology. Und dann, mal sehen, ich glaube, ich kaufe größere Mengen an physischen Büchern auf und lagere sie ein, für den Fall, dass wegen eines Sonnensturms der Strom ausfällt oder der nächste amerikanische Präsident die Erwähnung von Verhütungsmitteln in Büchern verbietet. Dann kommt meine Stunde, ihr werdet sehen.

 

Sonja Vogt studierte Kulturwissenschaft, deutsche und englische Literatur in Bremen und Cambridge. Sie war einige Zeit am Theater tätig, bevor sie anfing, interaktive Ausstellungen zu konzipieren. Heute beschäftigt sie sich mit Inhalten und Interaktionen in unterschiedlichen Medien. Sie hatte noch nie etwas mit der Buchbranche zu tun, mag aber neue Herausforderungen insofern man sie interaktiv gestalten kann.