9. Publishers’ Forum

Die zeitgemäße Form des Lesens

23. April 2012
von Börsenblatt
Alles neu in der Verlagswelt – so ließe sich die Botschaft von Michael Healy am Eröffnungstag des Publishers’ Forum knapp referieren: Neue Erwartungen der Leser respektive Nutzer. Neue Typen von Content. Neue Mitspieler wie etwa App-Entwickler am einst wohlgeordneten Markt. Welche Antworten gibt es auf den großen Umbruch?
Der Amerikaner Healy, Chef des Copyright Clearance Center in den USA, gab zu Beginn der zweitägigen Berliner Konferenz am Montag für Verlage die Zukunftsrichtung an: Der Weg zu den Inhalten sei bitte „easy, quick and painless“ zu gestalten. Da klang Healys Skepsis mit, ob schon gut genug darauf geachtet werde, dass der Zugang des Endkunden zu den Verlagsprodukten eben einfach, schnell und ohne Qualen möglich ist.

Je schlechter das gelöst werde, desto stärker wachse die Gefahr, dass Nutzer sich Inhalt anderswo beschaffen als bei denen, die ihn herstellen und auf legale Weise anbieten. Damit war das dominierende politische Thema dieser Wochen aufgerufen: das Urheberrecht. Healy regte an, dass die Branche sich in „copyright education“ engagiert. Nicht mit juristischer Komplexität und gar drohend, sondern „emotional, sympathisch und verständlich“. In der Art einer Imagekampagne fürs geistige Eigentum.

Dass in den Verlagen längst auf die Anforderungen der digitalen Zeit reagiert wird, zeigten einige Praxisvorträge. Etwa der von Uwe Naumann, der gemeinsam mit Robert Galitz das „Digitalbuch Plus“ aus dem Hause Rowohlt vorstellte. Um Enhancement also ging es, um die Anreicherung einfacher E-Books etwa durch historische Dokumente, oder etwa durch eine Homestory über den Autor. Immerhin als Vertreter eines belletristischen Verlags sprach Naumann von „Wissensvermittlung und Unterhaltung auf eine neue, spielerische Weise“, von einer „zeitgemäßen Form des Lesens“.

Die Tatsache, dass es bei den Reinbekern derzeit 1051 lieferbare Einfach-E-Books gebe, aber nur ein Dutzend enhanced E-Books, liege an dem erheblichen Mehraufwand an Zeit und Kosten, der nötig sei, zum Beispiel ein Produkt herzustellen, das den Filmausschnitt einer Rede Albert Einsteins aus dem Jahr 1931 zeigt. Eine Reihe von Problemen stelle sich. Rechte zum Beispiel für Bewegtbilder seien häufig schwer zu beschaffen. Die Mitarbeiter in den Verlagen – von der Presseabteilung bis zu den Lizenzen – bräuchten für die neuen Aufgaben „dringend einen Qualifizierungsschub“. Internationalisierung und Kooperationen müssten vorangetrieben werden.

Last but not least plagt die Buchanreicherungsstrategen bei Rowohlt auch ein Wahrnehmungsproblem: „Die Resonanz auf unsere enhanced E-Books in Presse und Öffentlichkeit ist noch recht dürftig“, berichtete Naumann. „Denn für die Feuilletons“, so seine Erklärung, „fällt das, was wir machen, zwischen alle Stühle.“ Also befasse sich kaum ein Rezensent damit. Klopotek-Direktor Helmut von Berg, der die Forums-Reihe organisiert, spitzte das Problem in einer Frage zu: „Sind Sie sicher, dass der Begriff Buch hier noch richtig ist?“

 

Christine Hauck, bei Cornelsen für den Bereich „New Business“ zuständig, knüpfte am Ende ihres Vortrags über „Digitale Schulbücher“ an die Begriffsfrage an: „Buch“ werde irgendwann vielleicht „nur noch eine Metapher sein für so etwas wie ein digitales Lernsystem“. Aber vor einem möglichen Abschied vom Zentralbegriff steht für die Schulbuchverleger eine andere, schwierige Aufgabe: Produkte zu entwickeln, die in den Schulen heute noch kaum die Aufmerksamkeit und auch nicht die technischen Voraussetzungen finden, die nötig wären. Hauck denkt aber in die Zukunft, an künftige Lehrergenerationen, an den Bedeutungszuwachs von Medien- und Technikkompetenz. Man sei mit diesem Projekt des Verbands Bildungsmedien der Schulwirklichkeit voraus – immerhin 27 Verlage, die bereits mitmachen, schreckt das jedoch nicht ab.