Kommentar

Instrument des Monopols

23. Juli 2015
von Börsenblatt
Das US-Justizministerium hat gegen Apple und einige amerikanische Verlagsgruppen eine Kartelluntersuchung eingeleitet – vorgeworfen werden ihnen unerlaubte Preisabsprachen bei E-Books. Damit machen sich die Wettbewerbshüter ungewollt zum Instrument des Online-Händlers Amazon, der ein Monopol im Medienmarkt anstrebt, meint Börsenblatt-Redakteur Michael Roesler-Graichen.
Wettbewerb setzt produktive Kräfte frei. Ihn durch Absprachen zu behindern oder übermäßig zu regulieren, hieße, dem Dirigismus oder der Planwirtschaft das Wort zu reden. Das führt im Extremfall zur Agonie, in der das ökonomische Potenzial nur noch brachliegt. So weit das Credo der freien Marktwirtschaft, an das auch die Wettbewerbshüter des US-Justizministeriums glaubten, als sie vor wenigen Tagen die Kartelluntersuchung gegen Apple und fünf große amerikanische Verlagsgruppen (darunter Holtzbrincks Macmillan Group) einleiteten. Der Vorwurf: unerlaubte Preisabsprachen zwischen Apple und den Verlagen, bekannt geworden unter dem Stichwort Agency-Modell.

Doch ganz unabhängig vom Ausgang des Verfahrens, losgelöst von der Frage, ob wirklich Verabredungen zwischen Händler und Anbietern nachweisbar sind, melden sich starke Zweifel, ob die Antitrust-Beamten des Ministeriums wissen, was sie tun. Sie wenden ein rechtlich gebotenes Instrumentarium an und machen sich damit ungewollt selbst zum Instrument einer anderen Macht, die ein Monopol im Medienmarkt anstrebt: Amazon.com. Mit jedem Schritt, den die Kartellwächter vermeintlich in Richtung Wettbewerbsschutz tun, geben sie ebenso viel Terrain an den Monopolisten ab. Denn der Online-Händler kann – selbst wenn ein Vergleich den Verlagen eine Übergangsfrist zur Abkehr vom Agency-Modell einräumen würde – seine aggressive Niedrigpreis-Politik bei Büchern, vor allem E-Books, ungestraft fortsetzen.

Wohin dies führt, wird man in einigen Jahren besichtigen können, wenn der US-Buchhandel weitgehend leer gefegt sein wird und die Verlage am Tropf eines großen Online-Händlers hängen, der zum Synonym für Buch- und Medienversorgung geworden ist. Man kann nur hoffen, dass die Europäische Kommission, die ebenfalls Verdachtsmomenten in europäischen Verlagshäusern nachgeht, Weitblick genug beweist und sich nicht zum Erfüllungsgehilfen globaler Internetkonzerne macht.