Die Sonntagsfrage

Welche Marktzahl der vergangenen Monate haben Sie für einen verfrühten Aprilscherz gehalten, Herr Langendorf?

1. April 2012
von Börsenblatt
Als Branchenbeobachter wertet Boris Langendorf täglich Daten zum Buchmarkt aus. Boersenblatt.net hat den Herausgeber von Langendorfs Dienst gefragt, ob er sich dabei manchmal fühlt wie am 1. April.

"Das Vordringen neuer Techniken ist zweifellos eine faszinierende Sache. Und wer dabei für sich selbst einen Etappenerfolg melden kann, stellt verständlicherweise sein Licht nicht unter den Scheffel. Dabei kann es freilich passieren, dass eine Meldung auch ohne einen Zweifel an der Richtigkeit der enthaltenen Zahlen so übertrieben wirkt, dass man sie in der Tat auf den ersten Blick für einen Aprilscherz hält.

Ein Beispiel aus dem Reich der Hörbücher: "Erstmals mehr Downloads als physische Verkäufe" ist die erste Titelzeile der Pressemeldung von Lübbe Audio vom 10. Januar, und erst die zweite Zeile klärt uns einschränkend auf: ". . . von Eschbachs 'Herr aller Dinge'". Dieses Hörbuch habe im Weihnachtsgeschäft 2011 doppelt so viele Downloads wie CD-Verkäufe gezählt.

Der Durchbruch bei Hörbuch-Downloads, das Ende der CD oder gar des Papiers? Bei näherer Betrachtung lässt die Brisanz doch ziemlich nach:

  •  Es geht hier nur um Absatzzahlen; beim Umsatz ergeben sich andere Relationen, denn die Download-Varianten sind billiger und teils gekürzt.
  • Hier handelt es sich offenbar um einen ganz besonders hör-affinen Titel, denn die verschiedenen Hörbuch-Varianten zusammen machen stückzahlmäßig 60 Prozent der Zahl der verkauften papierenen Bücher aus, und der Verlag selbst nennt 12 Prozent als marktüblich.

Die Hörbuchmacher sind damit in guter Gesellschaft, denn dick aufgetragene Schlagzeilen sind im Zusammenhang mit digitalen Errungenschaften zur Tradition geworden. Meister dieses Genres ist immer noch Online-Händler Amazon.com, von dem gemeldet wurde, er habe schon 2009 "im Weihnachtsgeschäft" mehr Kindle-Dateien als physische Bücher verkauft.

Tatsache ist, dass dies am 25. Dezember der Fall war, also an einem Tag, an dem die vielen geschenkten Kindles gefüttert werden mussten, während der Amazon-Buchversand nicht einmal theoretisch mehr in der Lage gewesen wäre, rechtzeitig zu Heiligabend zu liefern. Ganz zu schweigen von den vielen gemeinfreien Titeln, die kostenlos in die Lesegeräte fließen.

Es liegt in der Natur der Dinge, dass es einem vor allem nach Weihnachten immer häufiger so vorkommt, als sei gerade der 1. April."