corso: Insolvenzverfahren

"Die halbe Miete ist eben nicht die ganze"

28. März 2012
von Börsenblatt
Warum corso ins Insolvenzverfahren gerutscht ist – und wie die Zukunft des Verlags aussehen könnte: Antworten von Gründer Rainer Groothuis im Interview für boersenblatt.net. Vor zwei Tagen hatte der Verleger mittgeteilt, dass für corso ein Insolvenzantrag gestellt wurde.

corso ist zahlungsunfähig. Hat dazu auch Ihr eigener, hoher Anspruch an Ausstattung und Inhalt der Bücher beigetragen?
Rainer Groothuis: Offen, selbstkritisch und leider: Ja – unser Kostenmanagement war nicht konsequent, effizient und in möglichen Konsequenzen schnell genug. Aber die Gemengelage ist natürlich komplexer. Das gesamte Klima, nicht nur in der Buchbranche ist im Moment eher schwierig. Und als es finanziell eng wurde, haben wir das getan, wovon wir sonst immer abraten: Wir haben die variablen Kosten wo es ging gesenkt, unmittelbar die Werbung zurückgefahren. Doch hinten kommt nur raus, was man vorne rein gibt: Wenn man für ein Programm wie corso zum Beispiel keine Anzeigen in der "Süddeutschen Zeitung", in der "Zeit"  oder der "Welt am Sonntag" mehr schalten kann, vergibt man Potenzial – die Menschen können nur etwas nachfragen, von dem sie wissen.

Sie hatten mit Elke Heidenreich und Martin Walser doch zugkräftige Autoren im Programm...
… und mit Erwin Koch und Martin Mosebach und Eva Menasse und und – es war ein schöner Part der Arbeit, wie wir mit den ersten Büchern Autoren begeistern und für neue gewinnen konnten. Unser Weihnachtsgeschäft waren ja auch gar nicht schlecht: Von Elke Heidenreichs Venedig-Buch "Die schöne Stille" haben wir in wenigen Wochen fast 8.000 Exemplare verkauft, von Erwin Kochs "Was das Leben mit der Liebe macht" annähernd 10.000. Aktuelles "Sahnehäubchen" in diesem Frühjahr ist der Martin-Walser-Band "Meine Lebensreisen", für den Walser auf der Leipziger Buchmesse dankenswerter Weise viel getrommelt hat. Am Ende hat es nicht gereicht – die halbe Miete ist eben nicht die ganze.

corso wollte ein Programm für "Freunde des Gedruckten" machen. War die Zeit nicht mehr oder noch nicht reif dafür?
Das kann man so oder so sehen, wenn man müßig spekulieren möchte. Die 80er Jahre, als unter anderem "Die Andere Bibliothek" gegründet wurde, waren insgesamt gute Zeiten für die Buchbranche – da hätten wir bessere, ertragreichere Anfangsjahre gehabt. Auch wenn ich den lamentösen Kulturpessimismus von heute nicht teile: Der gesellschaftliche und kulturelle Resonanzboden war früher größer. Was im übrigen auch für die 60er Jahre gilt, als, um ein Beispiel zu nennen, Klaus Wagenbach seinen Verlag gründete. Dem Programm hat die Studentenbewegung enorme Schubkraft gegeben, die Wagenbach wiederum ideenreich und mit Haltung aufgenommen hat. Insofern waren wir mit corso zu spät. Genauso gut waren wir kommenden Zeiten aber auch voraus: Denn dass die Digitalisierung mehr Qualität beim Gedruckten erzwingt, und damit auch höhere Buchpreise, steht außer Zweifel – abgesehen davon, dass sich die Akzeptanz von Preisen immer subjektiv einstellt und natürlich mit dem Begehren zu tun hat, das ein Buch, ein Produkt auszulösen vermag.

Sie hoffen, dass der Verlag "gestärkt aus dem Insolvenzverfahren" hervorgeht. Wie könnte das aussehen?
Ich möchte hier nicht so tun, als hätte ich momentan Entscheidungshoheit – der Verlag steht zunächst unter der Kuratel des kommenden Insolvenzverwalters. Insofern kann ich hier und heute nicht vorgreifen. Ich denke aber, dass wir etwas geschaffen haben, das einen Wert darstellt, den zu verstehen so schwer nicht fallen kann. Insofern sehe ich positive Optionen, zumal, wie wir bei Eichborn, der Anderen Bibliothek und weiteren Fällen gesehen haben, ein Insolvenzverfahren nicht das Ende bedeuten muss, im Gegenteil. Wir freuen uns auf jedes Möglichkeiten auslotende Gespräch, im Zweifel auch mit Teufels Großmutter.

Ist Ihre Agentur von der corso-Insolvenz betroffen?
Nein, in keiner Weise, die ist stabil und betreut ihre Kunden vollumfänglich.

Liegt der Fehler im System? Ist es in diesen Zeiten aussichtslos, einen neuen Verlag zu etablieren?
Nein, natürlich nicht – das würde ja heißen, sich von der eigenen Verantwortung freisprechen und ein "System" verantwortlich machen zu wollen. Aber natürlich ist es schwieriger geworden… beispielsweise: Dass die dereinst so stolzen Marktführer des Buchhandels Probleme haben, führt nach meinem Eindruck zu einer Verunsicherung vieler Händler. Diese Verunsicherung sickert in die gesamte Branche hinein, bis hinunter zu den Stadtteilbuchhandlungen, die von der Krise der Großen so gar nicht betroffen sind. Wenn aber der Leitbulle einer Elefantenherde wankt, kommen eben auch die hinteren Reihen aus dem Takt, zumindest subjektiv. Gemessen an solchen Stimmungen sind wir mit corso in der kurzen Zeit sehr weit gekommen. Was uns gut tut, sind die vielen Sympathie-Bekundungen von Buchhändlern, von Lesern und Journalisten, von Branchenkollegen, die im Moment bei uns eintreffen. Das Sortiment möchte ich bitten: Bleiben Sie uns gewogen, bitte nicht remittieren, sondern weiter verkaufen, jetzt erst recht. Auch damit ist uns geholfen.

Interview: Sabine Cronau