Buchjournal-Talk mit Marion Brasch

"Ich wollte aus meiner Perspektive schreiben"

16. März 2012
von Sabine Schmidt
Von ihrer berühmten DDR-Familie handelt das Romandebüt von Marion Brasch: "Ab jetzt ist Ruhe". Vor großem Publikum hat Buchjournal-Redaktionsleiter Eckart Baier mit ihr in Leipzig gesprochen.

Das Forum auf der Leipziger Buchmesse platzte aus den Fugen - viele Zuhörer mussten stehen oder setzen sich einfach auf den Boden, während sie konzentriert einem lebendigen Gespräch zuhörten. In ihm gab Marion Brasch offen und ernst, dabei aber auch humorvoll Auskunft über ihr Buch, ihre Familie und ihr privilegiertes Leben als "Bonzentochter".

Ihr Vater war Horst Brasch. "Er war ein Jude, der zum Katholizismus konvertiert war, dann aber als Jude vor den Nazis nach England floh und dort  zum Kommunismus konvertierte." In der DDR wurde er, dem der Kommunismus und die Partei sehr am Herzen lagen, zum hochrangigen SED-Parteifunktionär, 1960 schließlich zum stellvertretenden Minister für Kultur. Als sein Sohn Thomas 1968 gegen den Einmarsch der Sowjets in Prag demonstrierte und ins Gefängnis musste, versuchte sein Vater nicht einmal, ihm zu helfen - und verlor dennoch seinen Ministerposten. Als sein Sohn Klaus 1980 starb, zog der Vater eine geplante Japan-Reise durch. "Es war nicht Kälte, sondern Pflichtbewusstsein, die aber natürlich als Kälte empfunden wurde" - und die zu einer immer tiefgreifenderen Entfremdung zwischen dem Vater und seinen Söhnen führte.

"Ich selbst war nicht so politisiert wie sie", sagte Marion Brasch. Sie, die kleine Schwester von drei älteren Brüdern, die sie sehr bewundert hat, hat nicht rebelliert. Im Gegenteil: "Ich bin sogar in die Partei eingetreten, um meinem Vater einen Gefallen zu tun. Gezwungen hat mich keiner." Und lange Zeit wollte "die Kleine" nur eines: dass der ewige Krach in der Familie endlich aufhört und alle sich lieb haben.

Inzwischen ist sie 52, längst erwachsen - und setzt sich auf ihre Weise mit ihrer Familie und der DDR auseinander, dem Land, "in dem es mir gut ging", dem sie aber dennoch keine Träne nachweint, "auch wenn ich mir gewünscht hätte, dass es nach 1989 einen anderen Weg gegeben hätte."

Damit sie es so schreiben konnte, wie sie wollte, aus ihrer eigenen Perspektive, "aus der Perspektive der kleinen Schwester", hat sie sich für die Romanform entschieden - und mit ihrer Geschichte und mit ihrer offenen, lebendigen Art hat sie das Publikum in Leipzig in ihren Bann gezogen.