Dennis Loy Johnson, als Gründer von Melville House Publishing (New York) und Betreiber des Blogs "Moby Lives" einer der bissigsten und kenntnisreichsten Beobachter des US-Markts, skizzierte eine Realität, die seinen Kollegen aus dem alten Europa (noch) als düsteres Zukunfts-Szenario erscheinen muss: Heute publizieren Melville House und andere Indies viele der Autoren, die noch vor 20 Jahren in großen Häusern erschienen wären – Bücher von Fallada (vormals Simon & Schuster), Nobelpreisträger Imre Kertesz (vormals Knopf) oder jüngst David Graeber. Dessen Überraschungserfolg "Debt" rettete Melville House durch ein schwieriges letztes Geschäftsjahr – inzwischen hat der Occupy-Vordenker, der seine Leser fröhlich zum Raubkopieren animiert, bei Random House unterschrieben. Die Independents besetzen tapfer ihre Nischen – doch der Markt, auf dem sie antreten, ist alles andere als unabhängig; er wird von einer Handvoll Verlags- und Medienkonzernen und scheinbar allmächtigen Händlern wie Amazon bestimmt. Selbst in unabhängigen Buchhandlungen, so Johnson, grassiere inzwischen ein Volkssport namens "Show-Rooming" – man scannt sich durchs Angebot und kauft anschließend billig beim Online-Krösus.
Während Johnson und Elisabeth Ruge (Hanser Berlin) energisch die Preisbindung als Schutzwall einer vielfältigen Bücherlandschaft gegen die Allmacht der Konzerne hochhielten, provozierte Wendelin Hess vom kleinen Zürcher Echtzeit Verlag mit dem dieser Tage eher selten gehörten Plädoyer für ein freies Rabatt-Spektrum. Echtzeit hat einen hohen Direktvertriebsanteil, verkauft aber auch über Amazon und die Migros-Tochter Exlibris "Mit Preisbindung würden wir weniger Bücher verkaufen. Und da sie heute schon tendenziell zu billig sind, würden sie dann wohl noch billiger."