Kommentar: Volksentscheid in der Schweiz

Der freie Markt auf der Schlachtbank

14. März 2012
von Börsenblatt
Die Mehrheit der Schweizer hat im Volksentscheid vom 11. März gegen feste Bücherpreise gestimmt. Wer wird von einer Schweiz ohne Buchpreisbindung profitieren? Ein Kommentar von Börsenblatt-Redakteurin Sabine Cronau.

Ein Gewinner steht schon mal fest – die Plattform billigbuch.ch. Auf einen Klick lassen sich hier die Preise in der Schweiz vergleichen und Marktstudien im eidgenössischen Preiskampf betreiben.

Während Thalia.ch für Jussi Adler-Olsens Bestseller "Das Alphabethaus" 22,90 Franken verlangt und damit der unverbindlichen Preisempfehlung von dtv folgt, geht Orell-Füsslis Netzableger Storyworld.ch mit einem Dumpingpreis von 9,80 Franken in die Vollen. 50 Prozent Rabatt muss sich ein Verkäufer erst mal leisten können.

Viel haben die Gegner der Preisbindung vor dem Volksentscheid am vergangenen Sonntag vom Verbraucher gesprochen. Aber hat eine derart hohe Preisspreizung wirklich noch was mit Verbraucherinteressen, mit Preisklarheit und Preiswahrheit zu tun? Mit angemessenen Preisen für ein Buch? Von den langfristigen Folgen für den Markt, für die Wirtschaftlichkeit des Buchhandels mal ganz zu schweigen. Dass der Umsatz der preisaggressiven Migros-Tochter Ex Libris 2011 um satte zwölf Prozent gesunken ist, spricht für sich. Es dürften vor allem die Großen sein, die nach dem abgeschmetterten Preisbindungsgesetz noch tiefer in diesen Preisstrudel geraten. Kleinere Buchhandlungen können nur noch auf perfekten stationären Service setzen – im Online-Handel sind sie bei diesem massiven Preiskampf ohnehin chancenlos.

Aus Schaden wird man klug? Leider gilt das nur für die Romandie. 63,2 Prozent der Westschweizer hätten die Preisbindung nach 20 Jahren Abstinenz gern zurückgehabt. Mit ihrer Erfahrung sind sie allein geblieben.

Immerhin: Heidi ist die Niederlage nicht anzukreiden. Als charmante Gallionsfigur der Schweizer Pro-Preisbindungskampagne hat die Kinderbuchheldin einen tollen Job gemacht. Dass es am Ende trotzdem nicht gereicht hat, dürfte vor allem daran liegen, dass der freie Markt für viele Schweizer eine heilige Kuh ist. Und das Preisbindungsgesetz zur Schlachtbank stilisiert wurde.

Lesen Sie dazu auch den Beitrag "Alles oder nichts" im kommenden Börsenblatt, Heft 11, Seite 19.