Die Sonntagsfrage

Spielt das Buch bei der documenta noch eine Rolle, Frau Funcke?

23. Juli 2015
von Börsenblatt
2012 ist documenta-Jahr in Kassel. Hat das gedruckte Buch einen Platz auf der internationalen Schau zur Gegenwartskunst? Antworten von Bettina Funcke, die bei der dOCUMENTA (13) die Publikationsabteilung leitet - und dabei auch auf digitale Medien setzt.

"Das gedruckte Buch ist im Rahmen der Kunst nicht wegzudenken. Die haptische Erfahrung der gedruckten Seiten spielt weiter eine große Rolle und auch der kritische Diskurs findet im Buch das Format, in dem Gedanken für die Zukunft aufbewahrt werden.

Auf Webseiten werden diskursive Formate natürlich auch bewahrt und exzellent vertrieben, aber jede Webseite kann vom einem auf den anderen Tag verschwinden, sobald sie ihren Schirmherren verliert. So sind heute beispielsweise die aufgezeichneten Diskussionen der documenta 11 schon nicht mehr zugänglich, die daraus entstandenen "Platform"-Bücher aber in allen Bibliotheken vorhanden.

Grundsätzlich verdrängt ein neues Medium kein älteres – es handelt sich eher um Addierungen. So wie es die Reihe der dOCUMENTA (13)-Notizbücher, 100 Notizen – 100 Gedanken, sowohl als gedruckte Büchlein als auch als E-Book gibt. Die Reihe versammelt Beiträge von Philosophen, Künstlern, Schriftstellern und Wissenschaftlern unterschiedlicher Bereiche. Der erste Band des offiziellen Katalogs ("Das Buch der Bücher") wird die ca. 3000 Seiten Inhalt dieser Reihe auf ungefähr 560 Seiten komplett wiedergeben - so dass die Notizbücher selbst zu raren und begehrten Fetischobjekten werden und der Katalog eine Erinnerungsspur an dieses herausragende Publikationsprojekt sein wird.

Außerdem wird dMAPS vorbereitet, ein digitales Tool für Smartphones. Es zeichnet Teile aus dem zweiten Katalog-Band, dem "Logbuch", auf, welches mit Schnappschüssen von Reisen und Begegnungen sowie E-Mail-Auszügen zwischen Carolyn Christov-Bakargiev, den Agenten und Künstlern Einblick in die Entstehungsgeschichte der dOCUMENTA (13) gewährt - und darüber hinaus auch alle ausgestellten Werke abbilden wird.

Der dritte Band des Katalogs, Das Begleitbuch, enthält kurze Texte über jeden Künstler, welche mit jeweils einer Seite kombiniert werden, die sie selbst beigetragen haben. Dieses Buch könnte exzellent als E-Book funktionieren und mit den Designern habe ich sogar gescherzt, dass dies der letzte gedruckte Kurzführer der documenta sein wird...

Drucktermine einzuhalten ist immer eine Herausforderung. Vor zwei Jahren habe ich daher schon begonnen, mit den Autoren und Künstlern zu kommunizieren. Mit sanften Überredungskünsten und dem Bewusstsein, dass die 100 Notizbücher und drei Bände des Katalogs eine Art Time-Capsule sind, die den Stand der dOCUMENTA (13) bis zum Frühjahr 2012 widerspiegeln, und die Ausstellung im Sommer noch einige Überraschungen aufweisen wird, ist es möglich gemeinsam mit meinem Publikations-Team Beiträge von und über alle teilnehmenden Künstler zur Ausstellungseröffnung zu veröffentlichen - neben den Gedanken und Aufzeichnungen der 100 Autoren und Künstler der Notizbuchreihe."

Zur Person

Die in New York lebende Autorin und Herausgeberin Bettina Funcke war von 1999 bis 2007 im Lektorat der Dia Art Foundation tätig, anschließend war sie Senior-Herausgeberin für das Magazin "Parkett" in den USA sowie Co-Gründerin von The Leopard Press und der Continuous Project-Gruppe. Derzeit leitet sie die Publikationsabteilung der dOCUMENTA (13).

Zur documenta

Die dOCUMENTA (13), die unter der künstlerischen Leitung von Carolyn Christov-Bakargiev steht, findet vom 9. Juni bis zum 16. September in Kassel statt. Verlagspartner ist der Hatje Cantz Verlag, Ostfildern. In der Reihe Notizbücher, die im Vorfeld erscheint, sind derzeit die Bände 1 bis 55 lieferbar. Im März und im Mai erscheinen die Bände 56 bis 100.