Analyse

Heveling-Debatte: Verbales Schlachtgetümmel

26. Februar 2015
von Börsenblatt
Die Attacke, die der CDU-Bundestagsabgeordnete Ansgar Heveling im „Handelsblatt“ gegen die „liebe Netzgemeinde“ ritt, kommt nicht aus dem Nichts: Schon mehrfach, auch im Börsenblatt, hat sich Heveling für den Schutz des geistigen Eigentums und für ein gerechtes Urheberrecht ausgesprochen, in dem der Urheber im Mittelpunkt stehe.

Die öffentliche Debatte knüpfe das Kriterium der Gerechtigkeit an die Perspektive der Nutzer und operiere sehr subtil „mit einer Umwertung von Werten“, sagte Heveling damals (Börsenblatt 42/2011, siehe PDF). Dies sei „ein Versuch, den in unserer Verfassung garantierten Schutz des Eigentums in der digitalen Welt einfach auszuhebeln. Da haben wir ein gewisses Kommunikationsproblem.“

An diesem Befund hat sich offenbar nichts geändert. Heveling, dem seine Kritiker jetzt Ahnungslosigkeit und Herumschwadronieren vorwerfen, den sie als „Trollitiker“ verunglimpfen (ein Blick auf die Beiträge und Kommentare auf handelsblatt.com oder netzpolitik.org mag schon genügen), weiß, worüber er spricht: Er ist Mitglied des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestags und gehört der Enquetekommission Internet und digitale Gesellschaft an. Er kennt auch die dort vertretenen Sachverständigen, von denen sich nun einige mit heftigen Repliken zu Wort melden.

Die teilweise bombastische Metaphorik, die sarkastische Polemik, die Heveling in seinem Gastbeitrag im Handelsblatt verwendet, mag die digitale Avantgarde verblüfft haben. Diese Art von aggressiver, unversöhnlicher Rhetorik sind sie von einem Vertreter der „alten Welt“ (des „geistigen Eigentums“, des „Verwertungskartells“) nicht gewohnt. Heveling griff zu den Waffen – und das werfen ihm nun Kritiker aller Couleur bis zur stellvertretenden CSU-Generalsekretärin vor –, die sonst Blogger oder „Kommentatoren“ im Web 2.0 einsetzen. Dem Web 2.0, dem Heveling seinen baldigen Untergang prophezeit. Muss man sich über solch drastische Worte wundern, wenn Vertreter der Netzgemeinde Verlagen prophezeien „Das Netz ist Euer Untergang?“. Heveling zahlt nur – und das mag dem Vernunftmenschen missfallen – mit gleicher verbaler Münze zurück.

Das digitale Milieu reagierte nicht amüsiert. Wer möchte schon gern hören, dass er im historischen Maßstab nur ein ephemeres Phänomen ist, ein Zwischenstadium – auch der Urheberrechtsgeschichte? Die Reaktion der zutiefst getroffenen Webgemeinde war wildes Schäumen auf allen Kanälen – von Twitter bis Youtube: Heveling der „Troll“; „hevelingen“ – ein Synonym für ahnungsloses Herumschwadronieren; Hevelings Beitrag – unterlegt mit Bildern von Joseph Goebbels’ Berliner Sportpalastrede aus dem Februar 1943, in der er die Massen zum „totalen Krieg“ mobilisierte. Art und Ausmaß der Reaktionen stellen alles in den Schatten, was man bisher an Häme, Sarkasmus und persönlicher Verunglimpfung kannte – von der Causa Guttenberg bis zu Wulff. Billige Rhetorik, die um echte Argumente verlegen ist oder – wie in Frank Riegers (Chaos Computer Club) Replik – nur wieder bei altbekannten Vorschlägen wie jenem der als kollektives Vergütungsinstrument gedachten „Kulturwertmark“ landet, ersetzt hier echte Auseinandersetzung und, vielleicht, kritische Selbstbefragung. In der antiken Rhetorik galt das „argumentum ad personam“ als schlechtes, zumindest fragwürdiges Mittel der Rede.

Natürlich kann man sich fragen, ob das Kommunikationsproblem, das Heveling in seinem Interview ansprach, durch polemische Auslassungen wie in seinem Gastkommentar behoben wird. Nimmt man seine Polemik „cum grano salis“, so enthält sie doch mindestens einen wahren Kern: Die merkwürdige Allianz zwischen digitalem Milieu und mächtigen Internetkonzernen, die mit den Aktivitäten und Daten der Nutzer Geld verdienen und Kapital in einer bisher kaum bekannten Geschwindigkeit und Dimension anhäufen (siehe Facebook). Heveling spricht hier von einer „unheiligen Allianz aus … ‚digitalen Maoisten’ und kapitalstarken Monopolisten, die hier am Werk ist“.

Es könnte zudem der Verdacht aufkommen, dass zumindest Teile der Netzgemeinde „nützliche Idioten“ im Kampf großer Internetkonzerne und der kreativen, originären Inhalteproduzenten um den „Content“ und die Nutzer sind. Denn ohne diese sind die großen Plattformen nichts.

Wie auch immer die Debatte weitergehen mag: Mit der Heveling-Debatte ist ein weiterer Tiefpunkt in der Auseinandersetzung um das Urheberrecht und allgemein der Streitkultur im Internet erreicht. Der Vorgang zeigt zudem, dass die Toleranz, Argumente Andersdenkender zu ertragen, im Netz nicht gerade sehr verbreitet ist.

Hoffnung besteht, dass die Debatte mit starken Argumenten weitergeführt wird. In diesem Sinne kann man auch Lawrence Lessigs Beitrag auf handelsblatt.com lesen, der ja nicht das Urheberrecht abschaffen, sondern aktualisieren will. Die Architektur der Urheberrechts-Gesetzgebung, so Lessigs These, müsse an das digitale Zeitalter angepasst werden. Wie dieser Weg aussehen könnte – und ob Gesetzesinitiativen wie SOPA (Stop Online Piracy Act) und PIPA (Protect IP Act) dabei hilfreich sind, darüber wird hoffentlich trefflich gestritten.