Schweiz

Streit um einen Eckpfeiler der Preisbindung

23. Juli 2015
von Börsenblatt
Kurz vor der Volksabstimmung am 11. März kommt in der Schweiz plötzlich eine Grundsatzfrage zum Preisbindungsesetz auf den Tisch: Gilt der feste Ladenpreis auch für grenzüberschreitende Online-Verkäufe an Privatkunden, etwa via Amazon?

Losgetreten wurde die Debatte bei einer Pressekonferenz am Dienstag von Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann. Als er die Abstimmungsvorlage für das Referendum am 11. März vorstellte, betonte der Bundesrat, dass das Preisbindungsgesetz private Käufe bei ausländischen Online-Händlern nicht erfasse.

Im Gesetz, das vom Schweizer Parlament verabschiedet worden ist und nun sechs Wochen vor einer Volksabstimmung steht, heißt es wörtlich, das Gesetz regele die Preise von ungebrauchten und mängelfreien Büchern in den Schweizer Landessprachen,

  • a) "die in der Schweiz verlegt werden,
  • b) gewerbsmäßig in die Schweiz eingeführt oder
  • c) in der Schweiz gehandelt werden".

Wie diese Passage auszulegen ist, darüber gehen jetzt die Meinungen auseinander. Fakt ist: Bei der Abstimmung im Parlament ist eine dezidierte Ausnahme für den grenzüberschreitenden Online-Handel aus dem Gesetz gestrichen worden - was deutlich macht, dass die Parlamentarier ein Preisbindungsgesetz haben wollten, das sich auch auf ausländische Internetkäufe via Amazon & Co. erstreckt.

Die Schweizer Regierung sieht in der jetzt aufgekommenen Streitfrage offenbar keinen Klärungsbedarf vor dem Referendum am 11. März: Wie das Gesetz zu interpretieren sei, sei nicht die Aufgabe des Bundesrats, sondern der Gerichte, so der Sprecher des Bundesrats gegenüber der "Neuen Zürcher Zeitung". Was für die Branche bedeutet: Stellen sich die Schweizer Bürger im März hinter das vom Parlament verabschiedete Gesetz, könnte der jahrelange Kampf um die Preisbindung anschließend im Gerichtssaal weitergehen.

Der Schweizer Buchhändler- und Verleger-Verband (SBVV) hält die Aussage des Wirtschaftsministers jedenfalls schlichtweg für "falsch". Das betont der SBVV in einer Stellungnahme, die auf der Kampagnen-Website "Ja zum Buch" nachzulesen ist. "Einem solchen Gesetz hätte die Schweizer Buchbranche nie zugestimmt. Sie hat entsprechende Gesetzesvorschläge immer bekämpft. Die Schweizer Buchhändler an feste Preise zu binden und ausländische Onlinehändler davon befreien zu wollen, wäre absurd und tatsächlich kontraproduktiv."

Entscheidend für den SBVV ist die Frage, was das Parlament wollte und will. Die Abgeordneten hätten die Ausnahmeregelung für den grenzüberschreitenden Onlinehandel im Entwurf ersatzlos gestrichen (die Passage im Wortlaut: "Es gilt nicht für Bücher, die aufgrund eines elektronisch abgeschlossenen Vertrags aus dem Ausland direkt an Endabnehmerinnen und Endabnehmer in der Schweiz versendet werden".) Damit hätten National- und Ständerat "den klaren Willen manifestiert, den Kauf von Büchern von Privaten von ausländischen Onlinehändlern der Preisbindung zu unterstellen."

Auch Rechtsanwalt und SBVV-Berater Jürg Borer hat sich diese Woche in einer Stellungnahme zum Geltungsbereich des Preisbindungsgesetzes geäußert. Seine Einschätzung: "Währenddem der Begriff der gewerbsmässigen Einfuhr noch als Spielball für eine Umgehung des parlamentarischen Willens missbraucht werden könnte (die Befürworter der Preisbindung stellen sich auf den sachlich richtigen Standpunkt, dass der Import von Büchern durch einen Online-Buchhändler eine gewerbsmässige Aktion ist), ist die Sachlage bei Punkt c unbestritten: Der Akt des Kaufes findet auch bei einem Onlinegeschäft in der Schweiz statt, weshalb auch der Kauf eines Privaten aus der Schweiz der Schweizerischen Gesetzgebung über die Preisbindung unterstellt wäre."

Wer im Schweizer Preisbindungsdrama auch mal schmunzeln will: Der Berner Autor Pedro Lenz hat für die SBVV-Kampagne "Ja zum Buch" kleine Filme zum Thema Preisbindung produziert.