Prototype

"Was kann man von anderen Branchen lernen?"

23. Juli 2015
von Börsenblatt
Die Innovationsplattform Prototype, die zur Leipziger Buchmesse starten wird, wirft ihre Schatten voraus. In dieser Woche hat boersenblatt.net die Fachberaterin Dorothea Redeker (Vanish The Borders) gefragt, was die Buchwelt von Nachbarbranchen lernen kann.

"Der Blick zu anderen Branchen ist eine sehr beliebte Herangehensweise, wenn die eigenen Positionen und Rollen in einem eingeführten und erfolgreichen Wertschöpfungsprozess ins Wanken geraten. Wie sich unsere Branche wandelt, lässt sich in vielen Unternehmen täglich erfahren: nicht nur durch digitalisierte Inhaltsformen und Onlineangebote, sondern auch durch einen Umbruch im Kauf- und Konsumverhalten im Print-Bereich werden einzelne Teilbereiche, aber letztendlich auch der gesamte Ablauf von der Produktion bis zum Vertrieb / Verkauf in Frage gestellt.

Aus meiner Sicht gibt es vier Branchen bzw. Bereiche, auf die unsere Branche besonders schauen sollte, ohne deren Herangehensweisen und Methoden nur einfach kopieren zu wollen:

  1. Die Software- und IT-Industrie, deren grundsätzliche Erkenntnis, Erfolg durch permanenten Wandel, durch Anpassung an neue Hardware und Nutzungsformen zu gestalten, entsprechende Strukturen und Geschäftsmodelle hervorgebracht hat. 
Empfehlenswert ist es, die Produktentwicklungsprozesse selbst zu betrachten, aber auch die Art des Vertriebs, der nutzenorientiert argumentiert und auf einem kontinuierlichen Austausch mit Kunden und der Integration von Pilotanwendern aufbaut. Für unsere Branche sind diese Ansätze vor allem für die Entwicklung digitaler Produkte in ihren jeweiligen Umgebungen bzw. Verwendungssituationen und für das B-to-B-Geschäft interessant.
  2. Die Musikbranche, aus deren Fehlern sich vor allem lernen lässt. Neben Stichworten wie Einsatz von oder Verzicht auf Digital Rights Management-Lösungen oder Mehrwerten, die einen Anreiz für Kunden schaffen, adäquate Preise für digitale Musikangebote zu zahlen, lohnt es sich hier vor allem, die konsumtiven Abläufe zu betrachten. Wie sieht der Weg von der Information über ein Musikstück bis hin zum Download auf ein Gerät und die Mehrfachnutzung des erworbenen Produkts aus? Läuft dieses verzahnt, einfach und hinsichtlich Nutzerführung und Bezahlung reibungslos und bequem? Der Trend zur Convenience ist ungebrochen und wer bei der Vermarktung von digitalen Produkten langfristig erfolgreich sein will, muss alle Aspekte des digitalen Konsumprozesses in einem Ansatz vereinen.
  3. Der Online-Handel anderer Branchen; hier wird viel ausprobiert, viel Lehrgeld bezahlt und es lohnt sich außerordentlich, auf den entsprechenden Tagungen und Foren – wie Exciting Commerce – Einblick in konkrete Beispiele zu gewinnen, aber auch etwas über die methodischen Herangehensweisen zu erfahren.
  4. Der klassische Handel – vor Ort, leibhaftig und in vielen Städten, Quartieren und Kommunen ein wesentlicher Faktor für ein funktionierendes Gemeinwesen. Erfolgreiche Modelle in der Stadtentwicklung bauen auf Kooperationen auf, zwischen dem Einzelhandel selbst, der Zusammenarbeit mit anderen Gewerbetreibenden und den städtischen Gremien, aber auch im Zusammenspiel mit den Kunden bzw. Initiativen der Bürger. Coburg ist ein schönes Beispiel, wo mit der Buchhandlung Riemann ein Unternehmen unserer Branche die Vielfalt und Breite der (Buch)-Inhalte in einen passenden Bezugsrahmen gestellt hat, bzw. immer wieder neu stellt, der von anderen Akteuren der Stadt genutzt wird. In dieser Vernetzung entsteht eine Dynamik, die die Stadt als sozialen Raum und Versorgungsort weiter attraktiv hält."

 

Dorothea Redeker ist Inhaberin der Beratungs- und Fachcoaching-Agentur Vanish the Borders in Bensheim.