E-Book-Geschäft

Der Liro Color – ein Werkstattbericht

23. Juli 2015
von Börsenblatt
Auf der Buchmesse 2011 hat die MVB mit dem Liro Color erstmals in ihrer Geschichte ein Hardware-Gerät vorgestellt – nicht nur ein Novum, sondern eine große Herausforderung für die gesamte Organisation.
Zunächst ein kurzes Resumee: wir sind mit dem Gerät sehr zufrieden, der überwiegende Teil unserer Kunden ebenfalls. Wir haben viel bewegt, um dem Buchhändler ein auskömmliches und nachhaltiges Geschäft mit digitalem Content zu ermöglichen.
 
Doch erst einmal die Frage, warum die MVB diesen Schritt gegangen ist: immer mehr zeigt sich, dass es sich mit E-Books und Readern so verhält wie mit Petroleum und der Lampe. Der Kunde kauft in der Regel den Content über den Shop, der auf dem Lesegerät voreingestellt ist. Daher ist der Vertrieb eines eigenen Lesegeräts zwingende Voraussetzung für Erfolg im E-Book-Geschäft. Und für uns war es entsprechend wichtig, ein eigenes Lesegerät auf den Markt zu bringen, bei dem der E-Book-Shop des Verkäufers auch automatisch auf dem Gerät hinterlegt ist.
 
Die Realisierung eines Geschäftsmodells, bei dem der Buchhändler von jedem E-Book-Verkauf profitiert, und das mit einer Provision von 20 Prozent auf den Nettoverkaufspreis, war natürlich in betriebswirtschaftlicher Hinsicht eine Herausforderung. Noch größer und auch unberechenbarer waren die technischen Hürden. Während die Hardware weitgehend standardisiert ist, durften wir bei der dazugehörigen Software eine Vielzahl von Überraschungen erleben. Diese reichten von einer kaum akzeptablen Geschwindigkeit bei der Bedienung des auf der Buchmesse vorgestellten Prototyps bis hin zu Problemen mit dem korrekten Download von E-Books einzelner anderer Anbieter. Die Summe dieser Probleme führte zu einer Vorweihnachtszeit, die von nächtlichen Telefonkonferenzen mit den Software-Entwicklern in China geprägt war.
 
Und schließlich hat uns das Wetter einen Strich durch die Rechnung gemacht. Durch die Unwetter in Südostasien wurde die gesamte Produktion von elektronischen Produkten gestört, was letztlich auch zu der – extrem ärgerlichen – späten Auslieferung des Liro geführt hat.
 
Natürlich waren wir gespannt auf das Feedback von Endkunden, Buchhändlern und der Presse. Parallel liefen deshalb eine deutschlandweite Roadshow für Buchhändler und eine Pressekampagne. Besonders gut angenommen hat die Presse die Stärkung des lokalen Buchhandels durch dieses Angebot. Mit am meisten gefreut haben wir uns über die Resonanz auf unsere Roadshows. Da die MVB keinen Außendienst hat, war die Tour für uns nicht einfach zu stemmen. Jede einzelne Veranstaltung war mit 20, zum Teil mit über 30 Buchhändlern deutlich besser besucht als erwartet.Mit allem konnten wir sehr zufrieden sein.
 
Endkundenstatements wie „Die Vielfalt der Nutzungsmöglichkeiten ist für mich der ausschlaggebende Punkt“ legen nahe, dass das Gerät gut ankommt und richtig positioniert ist. So oder ähnlich äußern sich eine Vielzahl der Liro-Kunden gegenüber der MVB. Sie überzeugt gerade das Farbdisplay und die Möglichkeit, zusätzlich ihre Lieblingsmusik oder Hörbücher zu hören.
Erste Bewertungen, beispielsweise auf der Website von Lehmanns, und das Feedback von Buchhändlern bestätigen diesen Eindruck. Und mehr noch: Von den mehr als 500 Buchhändlern, die den Liro ins Programm aufgenommen haben, haben gerade einmal sieben von unserer kulanten Rückgabemöglichkeit Gebrauch gemacht. “Ich bin vom Gerät begeistert und froh, dass der Buchhandel damit die Möglichkeit hat, den Kunden – die ja immer weniger werden – etwas im Bereich E-Books anbieten zu können.“ Kommentare wie diese bestärken uns in der Meinung, dass der Liro das richtige Gerät ist.
 
E-Ink vs. LCD
 
Natürlich gab und gibt es auch kritische Stimmen zum Liro. Besonders häufig wurde die Frage gestellt, ob ein Gerät mit LCD-Bildschirm, also nicht mit einem E-Ink-Display, das  „richtige“ Gerät für den Buchhandel sei. Oft wird argumentiert, LCD sei nur etwas für Einsteiger, Vielleser würden und sollten immer E-Ink wählen. Leider (oder zum Glück) ist die Realität nicht so eindimensional. Vielmehr ist ein E-Ink-Gerät für einen Großteil des E-Book-Angebots kaum nutzbar. Man denke beispielsweise an Reiseführer, Kinderbücher o. ä., die ohne Farbe nicht auskommen. Das soll nicht heißen, dass farbige Displays besser sind als E-Ink; es hängt vielmehr von der persönlichen Lesesituation und den Gewohnheiten ab, welches Gerät besser geeignet ist.
 
Der Liro ist ein Lesegerät mit attraktiven Features zu einem noch attraktiveren Preis. Obwohl er auf Android basiert, soll und kann der Liro kein Tablet sein oder gar mit dem iPad konkurrieren (kleiner Hinweis: UVP Liro € 99, UVP iPad ab € 499).
 
Natürlich wird die Modellpalette erweitert; Hinweise und Wünsche sind hier hochwillkommen. Viel wichtiger ist meiner Meinung nach aber der aktive Einstieg des stationären Sortiments in das digitale Geschäft. Und zwar mit viel Schwung. Buchhändler sollten sich sehr genau ansehen, was Amazon online macht: die halbe Homepage mit Kindle-Werbung tapezieren, jedes Mailing für den Kindle nutzen – jeder mag sich einmal selbst ausmalen, was das für seine Buchhandlung bedeuten würde.
 
Wichtig ist dabei vor allem eins: die MVB kann die Grundlagen schaffen, d. h. ein attraktives Lesegerät inkl. Geschäftsmodell für den Buchhandel schaffen, Marketingmaterialien erstellen und Pressearbeit leisten. Das Marketing vor Ort, die lokale Pressearbeit und vor allem der Verkauf müssen aber über die Buchhandlung vor Ort erfolgen.
 
In diesem Sinne wünsche ich uns allen viel Erfolg mit dem Liro.
 
Ihr Ronald Schild