"Sie verlegen doch den islamischen Nobelpreisträger?", wollte neulich ein Journalist von Lucien Leitess wissen. Höflich fragte der Büchermacher zurück: "Sie meinen sicher Nagib Machfus, der von einem Islamisten niedergestochen wurde?" Die Empörung über den unverhohlenen Eurozentrismus des Kulturbetriebs war es, die Leitess im Zürich der 70er Jahre jenen Dachbodenverlag gründen ließ, der heute bestens als Unionsverlag bekannt ist.
"Wir stellten damals fest, dass auf dem deutschen Buchmarkt ganze Kontinente fehlten", blickt Leitess zurück. Rund ein Zehntel der vom Unionsverlag publizierten Autoren hat arabische Wurzeln: Zu den 23 Schriftstellern gehören unter anderen die Friedenspreisträgerin Assia Djebar und die junge Ägypterin Mansura Eseddin. Leitess ist der Nimbus des Verlegers noch heute suspekt: Er erzählt vom Schauder, der ihn überfällt, wenn er an der Hotelrezeption das Wort in die Sparte "Beruf" einträgt. Einen Monat im Jahr ist der Büchermacher, wie er sich lieber nennt, auf Reisen.
Wohin zieht es den 61-Jährigen, dessen eigene familiäre Wurzeln bis nach Petersburg, Paris und Budapest reichen? »Durch alle Kontinente, am liebsten im Bus«, schmunzelt er. Leitess, ein ewig Reisender, aber bitte kein Tourist: "Eine Reise ist dann bereichernd, wenn man auf der Weltkarte nicht weiterkommt, als die Fläche, die unter einem Daumen Platz hat."