Interview mit Carlsen-Verleger Klaus Humann

Endlich wieder richtig Bücher machen!

6. Dezember 2011
von Börsenblatt
Klaus Humann hat den Carlsen Verlag in den vergangenen 15 Jahren an die Spitze der Jugendbuchverlage geführt. 2012 möchte er nun die verlegerische Leitung abgeben und einen neuen Verlag gründen. Im Interview mit boersenblatt.net erläutert er warum.
Mit „Harry Potter“ und der Bis(s)-Serie haben Sie große Erfolge gefeiert und Carlsen ganz nach oben katapultiert. Jetzt haben Sie sich entschieden, noch einmal einen Neustart zu wagen – warum?
Im Spätsommer habe ich mir im Urlaub lange überlegt, ob ich so weiter machen soll wie bisher. Und ich habe ganz nüchtern festgestellt, dass ich zugunsten des Managements fast vollständig auf die Lektoratsarbeit  habe verzichten müssen – aber gerade dafür schlägt mein Herz. Ich habe dann die Programmverantwortung fürs Bilderbuch übernommen, nur konnte das nicht funktionieren, weil alles so weiterlief wie bisher und ich 130 Mitarbeiter führen und Hunderte von Titeln begleiten musste. Ich brauche mehr Zeit für die Inhalte und um Ideen zu entwickeln.
 
Jonas Bonnier zeigte sich äußerst zufrieden über die Umsätze von Carlsen – wie hat die Konzernzentrale reagiert? Man verliert ja ungern eines der besten Pferde im Stall ...
Ich habe sehr offen gesagt: So geht es nicht weiter, ich möchte am liebsten einen neuen und kleineren Verlag aufbauen, und da ich mit Bonnier soviel gute Erfahrungen gesammelt habe, möchte ich das eigentlich am liebsten unterm eurem Dach machen. Und sowohl der Bonnier-Deutschland-Chef Hartmut Jedicke als auch die schwedische Chefin Maria Curman haben ausgesprochen positiv reagiert, was mich gefreut hat. Sie wüssten nicht, wie sie ihr Geld besser investieren könnten. Na, warten wirs mal ab. Aber ich war erleichtert.
 
Wie soll der neue Verlag heißen, wann soll er starten?
Einen Namen gibt’s noch keinen. Ich werde, wenn es klappt,  hier in Hamburg ein paar Straßen entfernt von Carlsen loslegen, im Prinzip sind große Teile eines Programms für die nächsten zwei Jahre vorhanden, weil ich ja schon Titel für das Carlsen Bilderbuch 2013 eingekauft habe. Die werde ich mitnehmen. Im Frühjahr 2013 soll es losgehen mit nicht nur aber auch ambitionierten Bilder- und Kinderbüchern, so 30 bis 40 Titel im Jahr. Zunächst mehr Bilderbücher, aber die Gewichtung kann sich auch verschieben, schließlich muss sich so ein neuer Verlag erst formen, entwickeln. Das hängt ja auch von den Mitarbeitern ab.
 
Wie viele Mitarbeiter sollen denn bei dem neuen Verlag in Lohn und Brot stehen – und wird Carlsen einige Verlagsaufgaben übernehmen?
Ganz sicher! Carlsen macht den Vertrieb – sonst würde ich gar nicht erst anfangen. Ich will, dass sich die Titel in den Buchhandlungen verkaufen und nicht nur im Feuilleton in Schönheit sterben. Ich brauche jemanden für Presse und Marketing, für die Herstellung, für das Lektorat – so fünf bis sechs Mitarbeiter werden es mit mir werden.
 
Wie soll sich das Programm von den Carlsen-Titeln unterscheiden – oder ist die Konkurrenz unterm Bonnier-Dach angestrebt?
Nein, identische Programme ergäben wenig Sinn.  Obwohl, ein bisschen Konkurrenz tut gut. Es werden die besonderen Bilderbücher sein, die  in einer dünneren Vorschau  ganz anders wahrgenommen werden als in einer prall gefüllten. Bei den Kinderbüchern werde ich so bis zum Alter von elf Jahren gehen, Carlsen hat eine große Stärke im Jugendbuch und in All-Age-Titeln, da ist der Verlag schwer zu schlagen.
 
Wie schwer fällt der Abschied nach 15 Jahren Carlsen?
Noch ist es nicht so weit, aber er wird schwer fallen. Ich werde all die tollen Leute hier vermissen, die sehr selbstständig und erfolgreich arbeiten. Das Haus ist bestellt. Aber ich weiß, wenn ich jetzt länger hier bleiben würde, wäre es für mich mühsam, weiterhin 95 Prozent meiner Arbeitszeit mit Managementaufgaben zu verbringen. Und damit wäre auch niemandem geholfen.
 
Haben Sie Renate Herre als Nachfolgerin mit ausgesucht?
Joachim Kaufmann und ich haben mehrere Vorschläge gemacht, und die Bonnier-Zentrale hat gut entschieden. Renate Herre war bei Ravensburger, bei Coppenrath, sie kommt mit großen Häusern und auch mal komplizierteren Situationen gut zurecht und freut sich auf Carlsen – das ist wichtig. Ich hätte das vor 15 Jahren mit meinen damaligen Erfahrungen gar nicht gekonnt. Zudem gibt es derzeit viele Erwartungen bezüglich der neuen Medien, und da ist es gut, wenn die Verlegerin  jünger ist und der digitalen Entwicklung aufgeschlossen gegenüber steht.