Meinung: Kopien

Sextricks und Deko-Kränze

10. November 2011
von Börsenblatt
Vom immer Gleichen: Der Autor Markus Barth über Uniformität in der Textproduktion.

Wenn Ihnen mal wieder langweilig ist, machen Sie’s wie ich: spielen Sie eine Runde »Men’s Health«-Bingo. Dazu brauchen Sie zwei Ausgaben der »Men’s Health« aus unterschiedlichen Monaten, viel Geduld und ein waches Auge. Legen Sie die beiden Zeitschriften nebeneinander, vergleichen Sie die Themen auf dem Cover und wenn Ihnen ein Unterschied auffällt, springen Sie auf und schreien laut: »Bingo!« Keine Angst, dieses Spiel kann man auch gut in der Öffentlichkeit spielen, denn Sie werden vermutlich nie aufspringen.
Ich meine das gar nicht abschätzig. Im Gegenteil, ich bewundere die Fähigkeit der Redakteure, ein und dieselbe Zeitschrift jeden Monat für 4,20 Euro an ein und dieselbe Kundschaft zu verkaufen. Und das nur durch ein bisschen Satzbau-Änderung auf dem Cover: »Weniger Bauch in vierzehn Tagen!«, »In vierzehn Tagen weniger Bauch!«, »Bauch weniger in Tagen vierzehn!«

Im Heft dann: Faszinierende Sextricks (»Ein noch verschlossener BH, aus dem die Brüste oben herauslugen, lässt diese üppiger erscheinen«). Überraschende Ernährungstipps (»Kartoffelchips sind schlimme Dickmacher!«). Und alles zu dem Thema, das meiner Ansicht nach sowieso nicht oft und gründlich genug behandelt werden kann: der Weg zum perfekten Sixpack. Die »Men’s Health« ist wie eine gut geschüttelte Pralinenschachtel: Man weiß immer, was man kriegt, aber nie, in welcher Reihenfolge.

Doch es gibt noch eine Steigerung. Man kann nämlich nicht nur die gleiche Zeitschrift jeden Monat wieder verkaufen. Man kann auch das gleiche Blatt jeden Monat in fünffacher Ausführung verkaufen! Glauben Sie nicht? Dann durchstöbern Sie mal im Zeitschriftenregal die Abteilung mit den Land-Zeitschriften. »Mein schönes Land«, »LandIdee«, »Landlust«, »Liebes Land« – wenn Ihnen da schon bei den Namen schwindlig wird, dann lesen Sie besser nicht die Inhaltsverzeichnisse: »Herbstgarten«, »Herbstzauber«, »Herbstmenü«, »Herbstkönigin Dahlie« und, endlich sagt’s mal einer: »Herbst – Die unterschätzte Jahreszeit!«

Vielleicht bin ich einfach nicht der richtige Ansprechpartner. Ich habe 20 Jahre meines Lebens auf dem Land gewohnt und wir sind, soweit ich mich erinnern kann, nie »durch farbenfrohe Herbstwälder gestreift«, um »Bucheckern, Hagebutten und Birkenrinden« zu sammeln, aus denen wir dann »leuchtende Deko-Kränze« geflochten hätten. Wir saßen dagegen jeden Freitagabend mit denselben Menschen in derselben Disco, wo DJ »Anton« dieselben Songs in derselben Reihenfolge gespielt hat.

Ich wäre nie darauf gekommen, dass das Leben auf dem Land Stoff für einen ganzen Schwung unterschiedlicher Zeitschriften liefern könnte. Tut es natürlich auch nicht. Aber, das haben wir ja von der »Men’s Health« gelernt, manchmal reicht ein kleines bisschen Variation: »Jetzt ist Kürbis-Zeit!«, »Die besten Kürbis-Suppen!«, »Kürbissuppen – einfach lecker!«, »Lecker wie nie: Kürbis-Küche«. Der Kürbis ist quasi das Sixpack der Landfrau.

Zum Glück geht so etwas nur im Zeitschriftenhandel. Im Buchhandel ist das völlig undenkbar. Stellen Sie sich mal vor, was da los wäre, wenn zum Beispiel Rhonda Byrne ihr Buch »The Secret« einfach noch mal unter dem Titel »The Power« veröffentlichen würde und dann ... Ach nee, das ist jetzt vielleicht ein doofes Beispiel.