Urheberrecht

Neumann fordert mehr Rechtssicherheit

27. Oktober 2011
von Börsenblatt
"Die Sicherung des geistigen Eigentums ist die größte politische Herausforderung dieser Jahre", sagte Kulturstaatsminister Bernd Neumann am Mittwoch in Berlin. Die Initiative Urheberrecht und die Deutsche Literaturkonferenz, in der auch der Börsenverein Mitglied ist, hatten ihn als Redner zu einer Diskussionsveranstaltung in der Landesvertretung Sachsen-Anhalt geladen, wo es um "Mehr Respekt!" und mehr Rechtssicherheit für Urheber im Internet gehen sollte.

Neumann erklärte sich auf Basis seiner im Vorjahr publizierten "Zwölf Thesen zum Urheberrecht" zum "Anwalt der Kreativen". Der Urheber – und nicht die Nutzer – müsse auch im Internet Ausgangspunkt des Urheberrechts bleiben; auch das Urheberrecht sei ein "Menschenrecht". Deshalb müsse größere Rechtssicherheit hergestellt werden, die es erlaube, geistiges Eigentum zuverlässiger zu schützen. Konkret schlug Neumann vor, eine "Providerhaftung" einzuführen, also diejenigen in die Pflicht zu nehmen, die auf ihren Seiten illegale Downloads ermöglichen.

 

"Machen wir uns nichts vor, ein Schutz gegen kasachische Server ist nicht möglich, es sei denn, wir verhalten uns wie die chinesische Regierung", erwiderte der Schriftsteller Burkhard Spinnen in der anschließenden Diskussionsrunde, an der Neumann nicht mehr teilnahm, und in der auch kein Vertreter der Piratenpartei vorgesehen war, der die Position derer hätte erläutern können, die für unbeschränkten, freien Zugang auf alle Daten im Netz eintreten.

Ob und wie sich die bürgerliche Urform des Eigentums überhaupt ins Netz übertragen lässt, stand deshalb gar nicht erst zur Debatte. Dabei gleicht dieses Bemühen ein wenig der Aufgabe, einzelne Wassertropfen im Meer als persönliches Eigentum zu reklamieren. Stattdessen klagten die Vertreter der verschiedenen Berufssparten – Film, Musik, Wort – unter der Moderation des Drehbuchautors Fred Breinersdorfer ausgiebig über miserable Bezahlung. Ihre Sorge galt zunächst und vor allem der "angemessenen Vergütung" für die Produkte von Künstlern und Urhebern, die schon das bestehende Urheberrecht nicht gewährleistet.

Deutlich wurde vor allem, dass das Urheberrecht zweierlei Interessen gleichzeitig schützen muss, die nicht unbedingt kompatibel sind: Das der Verwerter, also der Verlage, der Musik oder der Filmindustrie ebenso wie das der Autoren, die doch von den Konzernen als ihren Auftraggebern abhängig sind. Die Bedrohung des Urheberrechts im digitalen Zeitalter betrifft beide Seiten, die sich bei Tarifverhandlungen aber als Gegner gegenübersitzen oder als Freiberufler sowieso nicht viel zu melden haben. Das macht die Sache nicht leichter, und machte aus der Diskussionsrunde eine Versammlung zu Besitzstandswahrungszwecken mit gewerkschaftlicher Anmutung.

Die Frage, ob künstlerische Existenz vielleicht auch mit anderen Formen als der des "geistigen Eigentums" abgesichert werden könnte, tauchte dann gar nicht erst auf – kein Wunder, wenn Andersdenkende nicht eingeladen werden. Allein der Karlsruher Jurist Thomas Dreier stellte ein paar Überlegungen in diese Richtung an – und wurde dafür ausgebuht. Er sprach von jungen Künstlern, die gar nicht mehr davon ausgingen, mit ihrer Kunst Geld zu verdienen, sondern sie bloß "teilen" wollten, um damit Bekanntheit zu erlangen. Das Urheberrecht müsse "kommunikativ eingebettet" sein, sagte Dreier. Es müsse denjenigen möglich sein, sich an vorhandenem Material zu bedienen, die daraus etwas Neues schaffen wollen. Neben den (verwerflichen) Nutzern mit "kostenloser Gratismentalität" müsse man auch diejenigen berücksichtigen, die als kreative Nutzer zu bezeichnen wären.

Der Datenfluss im Netz bringt die Vorstellung eines Urheberrechts, das auf "geistiges Eigentum" rekurriert, gründlich durcheinander. Überzeugende Antworten, die mehr wären als ein Beharren auf alten Rechtspositionen, sind bei der Berliner Diskussionsrunde nicht sichtbar geworden.