Urheberrecht

Digitale Moral

26. Februar 2015
von Börsenblatt
Bei der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus am 18. September gewann die Piratenpartei 8,9 Prozent der Stimmen. Mit ihren Positionen zum Urheberrecht sind die Piraten eine Herausforderung für die gesamte Buchbranche. Ein Kommentar von Börsenblatt-Redakteur von Michael Roesler-Graichen.

Es war vielleicht weniger das Programm, mit dem die Piraten das Berliner Abgeordnetenhaus geentert haben, als das coole Nerd-Image, das vor allem junge Wähler angezogen hat. Aber die Berliner Wahl ist dennoch eine Zäsur. Sie zeigt, dass sich quer durch Gesellschaft und Parteien ein Graben zieht: digitales Denken im Internet hier, analoge Welt mit traditionellen Werten dort. Das meint auch die Verlage und das sie mehr oder weniger schützende Regelwerk des Urheberrechts, das laut Piraten-Parteiprogramm "auf einem veralteten Verständnis von so genanntem 'geistigen Eigentum' basiert".

Viele Forderungen der Digital Natives mögen ja durchaus sympathisch klingen – zum Beispiel, für einen möglichst breiten und ungehinderten Zugang von Werken im Internet zu sorgen. Die Vervielfältigung dieser Inhalte soll aber unbegrenzt möglich sein, weil jede Art von Kopierschutz "aus einem freien Gut ein wirtschaftliches" mache (Programm Piratenpartei).

Da liegt der Hase im Pfeffer. Das privatwirtschaftliche Modell der Produktion und Verwertung von Inhalten gilt den Piraten im Netz als "unmoralisch". Das moralische Gefühl in Ehren: Aber verdient kreative, unternehmerische Leistung nicht, dass sie honoriert wird? Und dass man, wenn man sie nutzt, auch zahlt? Wie wäre es um die "kulturelle Vielfalt" bestellt, wenn Werke im Netz freigegeben würden? Kreativität würde sich nicht mehr lohnen. Im Netz drohen fundamentale Werte zu erodieren – nicht nur beim Urheberrecht. Das könnte, neben den Verlagen, die gesamte Gesellschaft teuer zu stehen kommen.

Siehe auch Artikel "Im Sog der digitalen Gratishaltung" im aktuellen Börsenblatt (Heft 38, S. 24 f.).