Sind sie untergetaucht, entführt worden? Die Dorfgemeinschaft spekuliert, ein überforderter Bürgermeister mit einem irritierten Wächter als Gehilfen sucht das Geheimnis zu ergründen und verheddert sich in einem Geflecht aus Gedanken. Was ist wahr, was ist wirklich? Entsteht der gesamte Kosmos des anatolischen Dorfs vielleicht nur im Kopf des Erzählers, der regungslos auf einem Besucherstuhl im Friseursalon sitzt? Irgendwann entpuppt er sich als Schriftsteller, der nicht von der Existenz seiner Figuren, sondern von deren Nichtexistenz ausgeht. An E. T. A. Hoffmann erinnernd, lässt Toptas¸ in einem orientalisch anmutenden Erzählstrom die Ebenen von realer und fiktionaler Welt durchlässig werden. Die gewohnten Wahrnehmungsmuster greifen nicht mehr, die Szenerie lässt sich kaum noch entwirren, nichts ist eindeutig: Die Gesetze der Logik werden von Toptas ständig außer Kraft gesetzt.
Der Erzähler breitet eine Fiktion der Fiktion aus, der Leser staunt, denkt nach und amüsiert sich von Seite zu Seite: ein großartiger Roman!
Stefan Hauck
Hasan Ali Toptas¸: »Die Schattenlosen«.
Unionsverlag, 2008, 256 Seiten, 9,90 Euro
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