Buchtipp

Hoppe, hoppe, Ritter

7. Mai 2008
von Börsenblatt
Muss sich denn jeder Erwachsenenautor beflügelt fühlen, ein Buch für Kinder zu schreiben? Viele scheitern, die grausamen Ergebnisse sind Legende. Jetzt hat sich Felicitas Hoppe an den mittelalterlichen Iwein-Stoff gewagt und ihn für den Nachwuchs aufbereitet. Und? Was ist dabei herausgekommen? Die Hoppe kann’s.
Denn die Hoppe hat genau hingehört, dort, wo sich Kinder unterhalten. Hat sich nicht in die Kniebeuge begeben, sondern sich ein Kissen geschnappt und versucht, in Augenhöhe zu erzählen. Ähnlich wie Johann Peter Hebel in seinem »Schatzkästlein des Rheinischen Hausfreundes« oder Walter Benjamin in seinen Rundfunkansprachen schafft sich die Hoppe einen auratischen Kreis, spricht den Leser direkt an, setzt sich in Dialog mit dem Zuhörer: »Wie verzweifelt Iwein war, könnt Ihr Euch denken!« Oder: »Er platzte vor Kraft, nur dass er nicht wusste, wohin mit der Kraft. Denn er saß mitten im Saal einer fremden Burg auf einem Bett mit einem Ring in der Hand, der ihn unsichtbar machte. Wem hätte er da seine Kraft zeigen können? Ihr könnt euch bestimmt denken, wie unruhig und ungeduldig er war. Das kennt ihr ja selbst. Wer sitzt schon gern herum und wartet? Warten ist schrecklich. Wie die Zeit sich dabei in Länge zieht und immer länger wird, und die Ungeduld wird immer größer.« Erst am Ende der Geschichte wird eigentlich klar, wer sie erzählt: Der Löwe, dem Iwein das Leben gerettet hat. Hoppe spinnt so nach und nach ihre Fäden durch die vertrackte Geschichte vom Ritter Iwein, der bei König Artus in der Tafelrunde sitzt, in Ritter Gawein einen besten Freund hat, in Turnieren unschlagbar ist. Das macht ihn satt und unzufrieden, er zieht aus, um große Abenteuer zu suchen, erschlägt einen Burgherren, verliebt sich in die Witwe namens Laudine, kann sie mit Hilfe von deren Zofe Lunete für sich gewinnen. So kommt es zum Tausch der Herzen: Iwein trägt das Herz von Laudine in der Brust und Laudine das Herz von Iwein. Dann tritt Gawein auf die Bühne, der beste Freund und kleine Hedonist, spricht so lange von Ehre, die ein Ritter durch Kampf und Abenteuer erlangen muss, um der Beste der Beste zu werden, bis Iwein sich vor lauter Eitelkeit auf den Weg macht und Laudine zurücklässt. »Dreh dich nicht um«, sagt Gawein, »wer zögert verliert! In einem Jahr bist du wieder zurück, dann ist Laudine schöner denn je, und Lunete spielt immer noch Schach. Dann hast du Ehre in Hülle und Fülle. Aber bis dahin ist noch viel Zeit. Und bis dahin haben wir Spaß!« Nach einem Jahr hat Iwein Laudine so gut wie vergessen. Die ritterlichen Ehrbegriffe, die Hartmann von Aue in seinem Iwein-Roman um das Jahr 1200 noch bitter Ernst nimmt, durchleuchtet Hoppe mit milder Ironie, stellt sie in Frage, lässt den Tierhüter in Gestalt eines Ungeheuers den Ehrbegriff hinterfragen – er versteht es nicht. Hoppe übernimmt Hartmann von Aues Handlungszyklen und seine kunstvolle Erzählstruktur in großen Teilen, setzt aber eigene Akzente. Sie arbeitet mit kurzen, knappen Sätzen, die oft bewerten, einordnen, kommentieren: »Deshalb war es hier auf dem Platz für Iwein und Lunete besonders schwer. Für Lunete, weil sie sagte, was sie sagen musste, für Iwein, weil er hörte, was er hören musste.« Wiederholt arbeitet sie mit Dopplungen: »Nichts kann mehr den König vom Ritter trennen und nichts den Ritter vom König. Auch nicht der Tod. Denn sie sind nicht mehr allein unterwegs.« Hoppe muss dem Nachwuchs bestimmte Vorgänge erklären, die dem mittelalterlichen Leser völlig klar waren. Wenn Laudine von Iwein das Versprechen fordert, nach spätestens einem Jahr wieder zurückzusein, dann wusste man damals, dass nach dieser Frist rechtliche Ansprüche wirksam werden konnten. Hoppe zeigt den Verlust von Iweins Position als Ritter und den Lernprozess, den er durchmachen muss. Sie lässt Laudine und Iwein über das Glück und die Vergänglichkeit von Glück sprechen, über Trägheit und Langeweile und immer wieder neue Kicks, eine Vielzahl von Themen, die für Kinder ewiggültig aktuell sind. Und sie lässt Gefühle zu: »Aber weil er seine Gefühle nicht zeigen wollte, legte er seinen Kopf in die Mähne des Pferdes und tat so, als würde er ein freies Haar für das tausendste Band suchen. Wenn ihr mich fragt, ich glaube, er weinte.« Stefan Hauck Felicitas Hoppe: »Iwein Löwenritter. Erzählt nach dem Roman von Hartmann von Aue.« S. Fischer, 256 Seiten, 16,90 Euro Weitere Buchtipps finden Sie hier!