Barbara Scheuer-Arlt, Gesamtherstellungsleiterin, Verlagsgruppe Random House:
"Seit rund zwei Jahren analysieren wie unseren Carbon-Footprint sehr genau. Das erklärte Ziel der Verlagsgruppe und damit aller unserer Verlage ist es, nachhaltig zu produzieren. In diesem Zusammenhang schauen wir uns auch intensiv die eingesetzten Materialien an – und haben die Ausstattungen hinsichtlich ihrer Umweltverträglichkeit kategorisiert. Dazu haben wir bestimmte Veredelungen identifiziert, die nach Möglichkeit vermieden werden sollen. Beispielsweise Kaltfolie und UV-Lacke sind nicht gut für die Umwelt, oder auch die Pigmente der Neonfarben, sie sind insbesondere für die Recyclierbarkeit sehr schwierig. Die Themen ziehen sich vom Umschlag über den Inhalt bis zum Farbschnitt. Wir überlegen also bei jeder Veredelung: Muss sie sein? Welche Alternativen haben wir? Wir wollen natürlich weiterhin jedem Buch bei seiner Zielgruppe, bei seinen Leserinnen und Lesern, die notwendige Sichtbarkeit ermöglichen. In diesem Spannungsfeld müssen wir also von Fall zu Fall abwägen – letztlich geht es darum, ein Produkt für seine Käuferschaft so passend wie möglich ausgestattet auf den Markt zu bringen. Ich persönlich denke, dass Veredelungen so sparsam wie möglich eingesetzt werden sollten – und gleichzeitig so aufwändig wie nötig. Unsere Produktvermarktung und die Lektorate sind für diese Thematik sensibilisiert. Wo bestimmte Veredelungen nicht unbedingt notwendig sind, wird verzichtet, oder eine umweltfreundliche Alternative eingesetzt. Nur so können wir unsere Ziele erreichen."
Thomas Narr, Leitung Herstellung und Einkauf, Gräfe und Unzer:
"In Sachen Nachhaltigkeit haben wir bei Gräfe und Unzer ein ganzes Bündel von Maßnahmen initiiert, an denen wir kontinuierlich arbeiten: Wir verwenden heute zu 95 Prozent PEFC-zertifizierte Papiere, das ist der wohl größte Hebel zur Verringerung der CO2-Emission. Dazu reduzieren wir inzwischen die Anzahl der eingeschweißten Bücher auf ein Minimum – waren es von den rund 5,5 Millionen Exemplaren pro Jahr früher zehn bis zwölf Prozent, haben wir die Quote nun auf acht Prozent heruntergefahren. Wir verzichten, wo immer möglich, auf hypersensible Umschlagmaterialien. Was die angesprochene ›Ausstattungsspirale‹ angeht – anstelle einer Heißfolienprägung kann man sehr elegante Lösungen mit einfacher Prägung erzielen. Ein schönes Beispiel ist die neue ›Sous vide‹-Reihe bei Teubner: Anstelle einer Folienprägung wurde der Titel hier auf der U1 nur tief geprägt und weiß bedruckt. Natürlich wünschen sich Marketing und Vertrieb in der Regel üppige Ausstattungen. Aber man kann auch Hingucker kreieren und trotzdem nett zur Umwelt sein."
Silvia Menczykalski, Herstellungsleiterin, Bastei Lübbe:
"Veredeln wir, weil wir’s können? Oder hat es einen Mehrwert für die Leserinnen und Leser? Mit solchen Fragen beschäftigen wir uns in der Herstellung sehr intensiv. Noch vor zwei Jahren hat fast jedes Taschenbuch einen Spotlack bekommen, das war gewissermaßen gesetzt. Dann haben wir diskutiert: Kann das Cover nicht auch ohne Veredelung ein Hingucker sein? Das ist ja auch eine Herausforderung für die Grafiker. Wenn ich mir unsere letzten Monatsproduktionen anschaue, ist alles schon sehr zurückgenommen. Wir lassen inzwischen gern das Motiv sprechen, gern auch die Materialität des Papiers, um die besondere Haptik des Buchs hervorzuheben. Tja, und dann gibt es Ausnahmetitel wie zum Beispiel die Romane von Ken Follett, dessen Fangemeinde auch eine bestimmte Aura der Ausstattung erwartet. Das Cover kriegt natürlich seine Goldfolie, seine Prägung, das Buch seinen Leineneinband. In solche Titel stecken wir unser ganzes herstellerisches Können und unser Herzblut. Denn so ein Buch ist dann auch ein Energiespeicher mit sehr langer Lebensdauer."
Stefanie Schelleis, Herstellungsleiterin Literaturverlage, Hanser:
"Wenn wir uns mit aufwendigen Veredelungen zurückhalten, geschieht dies weniger aus Umwelt- oder Nachhaltigkeitsgründen. Es liegt daran, dass Hanser überwiegend Literatur- und Sachthemen veröffentlicht und dass wir, wenn wir besondere Ausstattungen für unsere Bücher wählen, den Fokus auf das Buch als Ganzes legen, den Buchkörper noch mal anders denken und damit auffallen wollen. Wir haben früh angefangen, unsere Schutzumschläge in der Regel nicht mehr zu zellophanieren. Stattdessen haben wir uns für ein hochwertiges Papier entschieden und auch dafür, dieses in keiner Weise zu kaschieren, um die angenehme Oberfläche zu erhalten. Eine Gratwanderung zwischen nachhaltigem Agieren und den Ansprüchen an ein einwandfreies Buch – das fordert ein Umdenken bei allen: bei Verlagen, Buchhändlern und Lesern. Natürlich wird auch bei uns gespotlackt, dort wo es eine Gestaltung, ein Thema fordert, denn die Anforderungen sind von Buchtyp zu Buchtyp, von Genre zu Genre unterschiedlich. Manche Bücher müssen in der Buchhandlung blinken und schillern."
Michaela Philipzen, CTO, Ullstein Buchverlage:
"Wir sind mit dem Pilotprojekt #ohneFolie und einem alternativen Frischesiegel losgelaufen und haben uns so Anschluss an eine zunehmend verpackungskritische Verbraucheröffentlichkeit verschafft. Allerdings sind sich Fachleute einig, dass es für echte Ressourcenersparnis im Sinn der Klimaunschädlichkeit sowie für echten Gesundheitsschutz nicht reicht, einzelne Komponenten der Lieferkette auszutauschen. Auch die Veredelung lässt sich unter Nachhaltigkeitsaspekten nicht solitär betrachten – jede Alternative hat einen anderen Impact. Das merken wir sehr schnell, wenn wir mit Materiallieferanten oder Druckereien über Einzeltitel sprechen. Um solche Themen strukturiert aufarbeiten zu können, haben wir im Kreis der Bonnier-Verlage eine Arbeitsgruppe mit allen Produktionsverantwortlichen initiiert. Eine Runde zum spannenden Thema Verbundstoffe war bereits geplant, ist aber Corona-bedingt vertagt worden. Aufgeschoben ist allerdings nicht aufgehoben!!"
Frauke Weller, Leitung Produktion, Verlagsgruppe Oetinger:
"Ausstattung heißt bei uns schon länger nicht mehr nur Glitzer und Lack. Wenn man im Bild der ›Ausstattungsspirale‹ bleibt, geht es nicht ums Aussteigen – sondern darum, die Spirale zu drehen: hin zu alternativen Materialien und Gestaltungsmöglichkeiten. Wir versuchen das etwa mit einem sehr wertig ausgestatten ›Peter und Piet‹-Pappbilderbuch von Peter Wohlleben, das wir zusammen mit einem neuen Lieferanten, der Gugler GmbH in Melk entwickeln. Gugler ist weltweit eine der ersten Druckereien, die cradle-to-cradle-zertifizierte Printprodukte herstellen kann; gedruckt wird da ausschließlich mit Substanzen, die wieder in den biologischen Kreislauf zurückgeführt werden können. Wenn man für das Thema Nachhaltigkeit sensibilisiert ist, muss man schauen, mit welchen Produktideen man in die Welt geht. Wir gehen kleine Schritte, die wir an konkreten Produkten testen. Wenn es funktioniert, können wir relativ schnell auf der Programmebene skalieren. Am Ende ist es wohl die Summe der vielen kleinen Erfahrungen, die zu Veränderungen führt."
Normal 0 21 false false false DE X-NONE X-NONE /* Style Definitions */ table.MsoNormalTable {mso-style-name:"Normale Tabelle"; mso-tstyle-rowband-size:0; mso-tstyle-colband-size:0; mso-style-noshow:yes; mso-style-priority:99; mso-style-parent:""; mso-padding-alt:0cm 5.4pt 0cm 5.4pt; mso-para-margin:0cm; mso-para-margin-bottom:.0001pt; mso-pagination:widow-orphan; font-size:12.0pt; font-family:"Calibri",sans-serif; mso-ascii-font-family:Calibri; mso-ascii-theme-font:minor-latin; mso-hansi-font-family:Calibri; mso-hansi-theme-font:minor-latin; mso-bidi-font-family:"Times New Roman"; mso-bidi-theme-font:minor-bidi; mso-fareast-language:EN-US;}
Alexandra Stender, Herstellungsleiterin, Suhrkamp:
"Ich würde viel lieber von Ausstattungs-Variantenreichtum sprechen. Oftmals kann man schon mit vergleichsweise kleinen Effekten einiges bewirken. Nehmen Sie Lutz Seilers „Stern 111“ – da haben wir ein leicht strukturiertes Schutzumschlag-Material gewählt, was haptisch Assoziationen zur Lautsprecherabdeckung eines Radios weckt. Auch mit Blind- oder Tiefprägungen lässt sich einiges machen. Wir setzen das natürlich nicht x-beliebig ein, sondern immer da, wo man tatsächlich hinfasst, wenn man das Buch in die Hand nimmt. Im besten Fall verbringen Sie ja viel Zeit mit einem Buch, da sollte die haptischen Wahrnehmung positiv unterstützt werden."
Mehr zum nachhaltigen Büchermachen und -verkaufen lesen Sie im Börsenblatt 16 vom 16. April. Und falls Sie gerade keine Printausgabe auf dem Tisch haben: Hier können Sie sich für einen kostenfreien Zugang zum E-Paper registrieren.