Buchtipp

Warten, Mithoffen und Aushalten

14. März 2008
von Börsenblatt
In Frankfurt, Berlin, Zürich gibt es sie noch – die Straßenbahnen, die Kim Dong-Seong zeichnet. Notfalls gehen sie für heutige Kinder auch als Bus durch.
Der Lokalkolorit ist das Seoul der 30er Jahre des vergangenen Jahrhunderts, aber es spielt keine Rolle, es wirkt zeitlos. So zeitlos wie das Thema des Bilderbuchs: Warten auf die Mama. Mit wenigen Pastell- und Pinselstrichen skizziert Kim Figuren und schafft Räume, zeigt die Einsamkeit, die Entschlossenheit, die Geduld des Knirpses mit Kindchenschema. Landschaftsbilder mit Weitwinkelperspektive vergrößern die Distanz des Kindes zu seiner Umgebung, zugleich erhofft sich der Leser eine Antwort auf die Frage nach der Mama: Steckt sie noch irgendwo fest? Nähert sie sich vielleicht schon der Haltestelle und alles wird gut? Mit jeder ankommenden Straßenbahn wird die Hoffnung des Lesers enttäuscht, wird die Einsamkeit des Kindes um so schmerzlicher empfunden, und dass weder Mama noch eine gute Fee um die Ecke schießen wollen, verstört den Disney-Happy-End gewohnten Bilderbuchbetrachter – erst am Ende nimmt eine Frau das Kind an die Hand, beide so verschwindend klein innerhalb der Stadtlandschaft, dass sie wie verloren wirken. Über lange Strecken muss der Betrachter die Hilflosigkeit des Kindes miterleiden, muss sie aushalten, wird den Fragen der kleinen Bilderbuchbetrachter eine Antwort geben müssen oder ihnen anbieten, gemeinsam zu überlegen, warum denn die Mama noch nicht kommt. Dabei steht auch bei den Kindern schon früh im Raum – der einsetzende Schnee ist ein deutliches Zeichen –, dass sie vielleicht nie mehr kommt. Auch das gilt es auszuhalten. Und das ist eine Ausnahme in der Bilderbuchszene. Lee Tae-Jung / Kim Dong Seong: Wann kommt Mama? NordSüd Verlag 2007, 40 S., 13,80 Euro