Auf Twitter schrieben die Veranstalter am Vormittag des 1. März: "Die Leipziger Buchmesse findet statt! Wir stehen mit den zuständigen Gesundheitsbehörden im Kontakt und es liegen uns bisher keine weiteren Auflagen vor. Wir sehen uns zur #lbm20!"
- Aktuelle Hinweise der Leipziger Messe zu Covid-19 finden Sie hier.
Auch auf der Website der London Book Fair (10.−12. März) heißt es aktuell (2. März): "The London Book Fair will run as scheduled". Allerdings gibt es bereits Absagen größerer Verlage:
- Update, 16:15 Uhr: Wie "Publishing Perspectives" mitteilt, haben Amazon Publishing, Macmillan (USA) und HarperCollins (USA) sowie das US-Lizenzteam von Hachette ihre Teilnahme an der London Book Fair abgesagt. Am vergangenen Freitag hatte das Online-Magazin bereits die Absagen von Simon & Schuster sowie Ingram gemeldet.
- Update, 3. März: Laut "Bookseller" haben heute Penguin Random House und Hachette Livre ihre Teilnahme an der LBF abgesagt.
Krisenstab der Bundesregierung zu Großveranstaltungen
Am Freitag, den 28. Februar hatte sich der Krisenstab des Bundesgesundheitsministeriums und Bundesinnenministeriums zu seiner zweiten Sitzung getroffen und weitere Beschlüsse zur Gesundheitssicherheit gegen Corona-Infektionen gefasst. Dabei wurden auch Prinzipien zur Risikobewertung von Großveranstaltungen beschlossen. Dort heißt es:
"Der Krisenstab beschließt die Prinzipien des Robert Koch-Instituts (RKI) zur Risikobewertung von Großveranstaltungen. Er empfiehlt, diese Kriterien unverzüglich bei der Risikobewertung zu berücksichtigen."
Die Empfehlungen des Robert Koch Instituts zur Bewertung von Großveranstaltungen finden Sie hier. Ob und wie Veranstaltungen durchgeführt werden, entscheiden danach die Veranstalter und die lokalen Behörden vor Ort.
Laut übereinstimmenden Medienberichten habe Bundeskanzlerin Angela Merkel dennoch für "Maß und Mitte" im Umgang mit dem Coronavirus plädiert. Es sollten nicht alle Veranstaltungen deshalb abgesagt werden.
Schweiz und Frankreich verbieten Großveranstaltungen
In diesen beiden Ländern gibt es bereits jeweils landesweit geltende Regelungen:
- Am 28. Februar hat der Schweizer Bundesrat wegen der Ausbreitung des Coronavirus Großveranstaltungen mit mehr als 1.000 Personen bis mindestens 15. März untersagt (siehe Archiv)
- Am 29. Februar verbietet Frankreich bis auf Weiteres alle Großveranstaltungen mit mehr als 5.000 Personen. Das teilte Gesundheitsminister Olivier Véran mit. Abgesagt wurde etwa der Halbmarathon in Paris. Ausgenommen seien Veranstaltungen in Stadien.
Salon du livre de Paris abgesagt
Die Pariser Buchmesse, geplant vom 20. bis 23. März an der Porte de Versailles, ist wegen der Risiken im Zusammenhang mit dem Coronavirus laut Medien abgesagt worden. Jedes Jahr kommen mehr als 160.000 Besucher zum Salon. Zur Messe 2020 wurden 1.200 Aussteller und 3.000 Autor*innen erwartet.
Die Absage erfolgte aufgrund des Verbots von Großveranstaltungen in Frankreich: "Nachdem die Regierung beschlossen hatte, begrenzte Zusammenkünfte von mehr als 5.000 Personen zu verbieten, haben wir mit Bedauern die Entscheidung getroffen, die Ausgabe 2020 abzusagen", sagte der Messe-Präsident Vincent Montaigne laut Medien in einer Erklärung am Sonntagabend. "Unser Verantwortungsbewusstsein verpflichtet uns dazu, kein Risiko für die Gesundheit all derer einzugehen, die den Erfolg der Livre Paris ausmachen: Verleger, Aussteller, Autoren, Referenten, Partner aus mehr als 50 Ländern und natürlich unser Familienpublikum mit mehr als 160.000 Besuchern pro Jahr", so Montagne, der auch Vorsitzender des Syndicat national de l'édition (SNE) ist.
Das Kernproblem ist aber nicht das Risiko für den einzelnen, sich anzustecken, sondern die Belastung für das Gesundheitssystem. Aus der Stellungnahme des Robert Koch-Instituts heißt es dazu: "Ziel dieser Strategie ist es, in Deutschland Zeit zu gewinnen, um sich bestmöglich vorzubereiten und mehr über die Eigenschaften des Virus zu erfahren, Risikogruppen zu identifizieren, Schutzmaßnahmen für besonders gefährdete Gruppen vorzubereiten, Behandlungskapazitäten in Kliniken zu erhöhen, antivirale Medikamente und die Impfstoffentwicklung auszuloten. Auch soll ein Zusammentreffen mit der aktuell in Deutschland laufenden Influenzawelle soweit als möglich vermieden werden, da dies zu einer maximalen Belastung der medizinischen Versorgungsstrukturen führen könnte."
Die LBM2020 läuft diesem Ziel definitiv zuwider.
Warum muss man der Leipziger Messeleitung, die zu der Einschätzung gekommen ist, dass die Messe nicht abgesagt werden sollte, gleich Verantwortungslosigkeit oder gar Profitgier vorwerfen (Profitgier ist in unserer Branche ja sowieo ein Witz). Könnte es nicht auch verantwortungslos sein, die Aussteller und die Besucher zu verprellen, indem man die Messe absagt, ohne dass eine übermäßig gravierende Gefährdung zu erwarten ist und damit einer doch etwas hysterisierten Stimmung nachgibt?
Der Messe, die all ihre Entscheidungen in enger Abstimmung mit den verantwortlichen Behörden trifft, Verantwortungslosigkeit vorzuwerfen, erscheint mir in jedem Fall als unangemessen und unfair. Ich gehe zumindest zuerst immer davon aus, dass niemand sich eine solche Entscheidung leicht macht, ob sie nun meinen Wünschen entspricht oder nicht.
Jeder Verlag hat in Abstimmung mit seinen Mitarbeitern und Autoren jederzeit die Möglichkeit, für sich eine eigene Entscheidung zu treffen, wenn er anderer Meinung als die Messeleitung und die Behörden ist. Kein Aussteller und kein potenzieller Besucher ist gezwungen, an der Messe teilzunehmen.
Kurzum: Gerade in unserer Branche könnten wir uns doch vielleicht alle wieder angewöhnen, etwas pfleglicher mit anderen Menschen und anderen Meinungen umzugehen. Alternativ können wir uns sonst auch gleich unter die pöbelnden Fans in den Stadien der Bundesliga mischen - die übrigens auch am letzten Wochenende ohne Ausnahme geöffnet waren, wenn ich es recht verfolgt habe.
Und vielleicht noch ein Gedanke.
Bei dem Mangel an Desinfektionsmitteln, die es bereits in Praxen und Kliniken gibt, denke ich, dass die auf der Buchmesse massig verbrauchten Desinfektionsmittel in öffentlichen Spendern, an anderen Orten dringender gebraucht würde.
Es geht nicht um Panik, es geht um Vernuft.