Weltkindertag am 20. September in Berlin, es gab ein großes, vom Kinderhilfswerk organisiertes Fest rund um den Potsdamer Platz – allerdings erst zwei Tage später, am 22. September. Viele Berliner Kinder waren an ihrem Ehrentag mit ihren Freunden oder mit ihren Eltern auf der "Fridays for Future"-Demonstration. 270.000 sollen es nach Angaben der Aktivisten gewesen sein, die Polizei zählte 100.000. Und was ist mit Amazons Märchenbuch, das in einer Auflage von einer Million gedruckten Exemplaren an diesem Tag bundesweit und kostenlos an die Kinder gebracht werden sollte? Das lief wie geschnitten Brot. Schon am sehr frühen Vormittag gegen 10 Uhr war die gedruckte Fassung beim Versender nicht mehr lieferbar. Die zehn Berliner Hugendubel-Filialen waren dabei, dazu 16 Thalia-Filialen und 22 Unabhängige.
Der kleine Buchladen, im Karl-Liebknecht-Haus zwischen Rosa-Luxemburg-Saal und Europäische Linke beheimatet, konzentriert sein Kinderbuchprogramm auf das alte DDR-Kinderbuch, linke Theorie, Dienstleistungen für die linke Partei wie Büchertische und Rechnungsgeschäft bringen den Umsatz. 20 Bücher hat Inhaber Göran Schöfer geordert, „um nicht dumm dazustehen und an den nächsten Händler verweisen zu müssen“, so die Begründung des Buchhändlers. Großen Aufwand betreibt er nicht – die Bücher finden in einem Regal in Bodennähe Platz und warten auf Interessenten.
Insgesamt 17.000 Exemplare verteilt Hugendubel, 400 davon in der Berliner Filiale in der Schloßstraße im Berliner Bezirk Steglitz. Hier gibt es eine große Bücherpyramide mit Plakat – und reichlich Andrang. Schon vor Ladenöffnung hätten sieben Schnäppchenjäger vor der Tür gewartet, berichtet Filialleiter Kai Ulbricht. Er findet das blaue Buch mit dem goldenen, weihnachtlich anmutenden Schriftzug sehr ansprechend und auch in der Mischung von neuen und alten Märchen gelungen. Märchen würden einen besonders einfachen Einstieg ins Lesen und Vorlesen liefern, meint er. In der 1.460 Quadratmeter großen Buchhandlung trägt das Kinder- und Jugendbuch etwa 14 Prozent zum Umsatz bei. Ulbricht findet die Aktion perfekt: „Es ist doch schön, dass der Buchhandel auch mal etwas verschenken kann“, sagt er.
Das sieht Martina Tittel von der Nicolaischen Buchhandlung in Berlin-Friedenau genauso. 40 Bücher hat sie geordert, die ganz individuell verschenkt werden sollen. Eines bekommt die Stammkundin und Kinderpsychologin Regina Konrad, die ihren kleinen Patienten gern mal Märchen vorliest, „wenn es zum Konflikt passt“. Dass hier am frühen Vormittag schon der dritte Kunde nach dem Buch fragt, der eigentlich bei Amazon bestellen wollte und die Nicolaische in der Liste der teilnehmenden Buchhandlungen gefunden hat, kommt nicht so gut an. Sieht man diese „Kunden“ wieder? Kommen die nur, weil Amazon etwas verschenkt? Das ist die große Frage.
Das „Ich schenke Dir eine Geschichte“-Buch zum Welttag des Buches, personalisiertes Pixi, Weihnachtsgabe – die Schmargendorfer Buchhandlung ist gern dabei, wenn sie ihren Kunden etwas schenken kann. Im Vorfeld der Aktion habe sie sich geärgert, dass der unabhängige Buchhandel nicht einbezogen wurde, „und zwar nicht nur vom 'bösen Wolf', sondern eben auch von den Kolleginnen und Kollegen der großen Ketten“, sagt Mandy Schimmler. Mitgemacht hat Schimmler, die in der Schmargendorfschen das Kinder- und Jugendbuch verantwortet, um ihren Kunden zu zeigen, dass es das Buch nicht nur bei den Großen gibt. Sie wolle ein Zeichen setzen, dass man miteinander arbeite und nicht gegeneinander. Ihre 20 Exemplare verteilt sie – mit Buchhandelsaufkleber und Lesezeichen versehen – direkt an ihre kleinen Kunden. Und die spielen in der 180 Quadratmeter großen Buchhandlung in Schmargendorf, einem Ortsteil von Charlottenburg-Wilmersdorf mit nach wie vor kleinstädtischem Charakter, nicht nur am Weltkindertag eine Hauptrolle.
In Moabit im Berliner Bezirk Mitte sind auch am Nachmittag noch ein paar der 40 Bücher da, die Susanne Sultan für ihre Buchhandlung am Spreebogen geordert hat. Viele ihrer Kunden fragen direkt danach und freuen sich, dass sie noch ein Exemplar bekommen, obwohl sie so spät dran sind. Sultan, die die 70 Quadratmeter Buchhandlung vor drei Jahren übernommen hat, hat ein paar der blauen Bücher im Fenster dekoriert. Sie freut sich, dass manche Leute in ihren Laden gekommen sind, die ohne diese Aktion wohl nicht den Weg zu ihr gefunden hätten.
Bei Thalia im Ring-Center II in Berlin-Friedrichshain an der Grenze zum Bezirk Lichtenberg, einer Gegend, die sich Studenten, neu hinzugezogene junge Familien und sozial Schwächere teilen, waren die 100 Märchenbücher zu der Zeit längst weg. Filialleiterin Martina Dudaksar-Rißmann hat zwar selbst bei Schulklassen nicht jedem Kind ein Buch gegeben, sondern nur zehn pro Klasse, trotzdem hat die Nachfrage die Menge bei weitem überschritten. Nächstes Mal hätte sie gern mehr Bücher.
Schade, da hat der BöV es versäumt klare Position zu beziehen.
Thomas Brausch - Die Buchhändler, 54338 Schweich
www.amazon.de/buchhandlungen
listen zu lassen, nur um ein paar Freiexemplare abzugreifen...
Mir fehlen ehrlich die Worte.
Das die Stiftung Lesen keine eigene Seite für die Buchhandlungen zur Verfügung gestellt hat spricht Bände. Man sieht deutlich wer das Heft in der Hand hat.
Leben und leben lassen - Buchhandel betreiben und andere Buchhandlungen (anders) handeln lassen. Dann muss man sich auch nicht "fremdschämen" oder anderen "Selbsterniedrigung" unterstellen.
Stimmt, der Börsenverein hat Position bezogen.
Aber immer wieder der gleiche, leicht abgewandelte, Text. Immer die gleiche Aussage ("das finden wir nicht gut" etc etc.)
Aber wo bleiben die Konsequenzen, wo sind die tatsächlichen Reaktionen?
Warum ist unser Dachverband immer noch Mitglied bei der Stiftung?
Was ist aus den großen Ankündigungen geworden, Konsequenzen zu ziehen?
Die Aussagen die bislang vom Börsenverein kommen sind nicht viel mehr als "Politikersprech".
Schade, hier hätte man mal deutlich zeigen können, das man auch auf der Seite der "Kleinen" steht.
Mit freundlichen Grüßen
Thomas Brausch
An @Martina Bergmann: wieso ist es Kundenservice im Sommer für die Daheimgebliebenen Einweckgläser und hübsche Klebeetiketten im Geschäft zu drapieren, aber eine Form der Selbsterniedrigung ein aktuell sehr häufig nachgefragtes Buch im Geschäft zu haben?
Das Ziel eines Händlers, muss es doch sein das Bedürfnis seiner Kunden zu befriedigen. Wenn aktuell der Bedarf von Kunden nicht ein ausgeklügeltes literarisch wertvolles Leselernkonzept ist, sondern ein in der Presse beworbenes Gratis-Buch - warum sollte man diesen Bedarf nicht decken?
Was habe ich als Buchhändler davon, dass ich Kunden erzähle, dass er doch zu Thalia, Hugendubel, Amazon oder doch beim Händler ein Ort weiter vorbeischauen muss?
Ich jedenfalls kann die Entscheidung der ca. 550 unabhängigen Buchhändler gut nachvollziehen und hoffe, dass diese Entscheidung als Form des Kundenservice wahrgenommen und belohnt wird.