Sommerliche Belletristik

Überwiegend heiter

13. Juni 2019
Redaktion Börsenblatt
Nur weil mal länger die Sonne scheint, muss man ja nicht gleich schlicht gestrickte Liebesromane lesen. Hier kommen anspruchsvolle Bücher – mit Sommer im Titel.

Liebe, Freundschaft und Kunst, dazu große Empfindsamkeit und Misstrauen – das sind die Ingredienzen des Sommers, den eine kleine Gruppe in einem Herrenhaus in Dänemark erlebt. Die Literaturkritik war von Madame Nielsens Roman durchweg begeistert. Denis Scheck sagte in "Druckfrisch": "'Der endlose Sommer', das ist ein Text, von dem ein magisches Flirren, ein unwiderstehlicher Sog ausgeht. Lange hat mich kein Buch mehr so begeistert wie dieses (...) unbedingt lesen!"

Madame Nielsen: "Der endlose Sommer", aus dem Dänischen von Hannes Langendörfer, Kiepenheuer & Witsch, erschienen im März 2018, 192 S., 18 €

Zwei Paare auf einer Yacht vor der Kulisse Capris – das muss nicht schön sein. Der Ich-Erzähler Pierre und seine Freundin Lone werden von Pierres Bruder Jean zum Segeltörn eingeladen. Jean und Lone waren einmal ein Paar ... "Sommerbücher sollten sein wie dieses: die Farben grell, das Meer verlockend, die Atmosphäre schwirrend, die Menschen schier in Trance vor lauter Hitze und die Konturen der Geschichte immer ein wenig unklar", befand Ulrich Rüdenauer in der "Zeit".

Vincent Almendros: "Ein Sommer", aus dem Französischen von Till Bardoux, Wagenbach, erschienen im März 2017, 96 S., 15 €

Isabel Allende erzählt in "Ein unvergänglicher Sommer" gewohnt routiniert die Geschichte dreier Flüchtlingsschicksale. Und einer späten Liebe. "... Man hat das Gefühl, dass Allende wieder neue Lust am Zusammenspinnen von Realität und Magie gewonnen und in manchen Schilderungen zu ihrer alten Fabulierkraft zurückgefunden hat", urteilte Anja Weigmann in der "Nürnberger Zeitung". Dieses Sommerbuch beginnt übrigens mit einem Schneesturm.

Isabel Allende: "Ein unvergänglicher Sommer", aus dem Spanischen von Svenja Becker, Suhrkamp, erschienen im August 2018, 350 S., 24 €

"Im Sommer 1969, ein paar Wochen nach der ersten bemannten Mondlandung, nahm sich meine Mutter das Leben." So beginnt der Roman von Ulrich Woelk. Erzählt wird eine Coming-of-Age-Geschichte vor zeitgeschichtlichem Hintergrund – rasanter technischer Fortschritt, Emanzipation der Frau, antiautoritäre Erziehung. Woelk habe mit seinem Roman nicht nur der Zeit, sondern auch dem Mond ein literarisches Denkmal gesetzt, meinte Dorothea Westphal im Deutschlandfunk.

Ulrich Woelk: "Der Sommer meiner Mutter", C. H. Beck,189 S., erschienen im Februar 2019, 19,95 €

Annette von Droste-Hülshoff (1797 – 1848) ist die Hauptfigur in Karen Duves Sommerroman. Die junge Dichterin wird von ihr als Nervensäge, störrisch und vorlaut gezeichnet, nicht passend für eine Adelige zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Von der Liebe zum Bürgerlichen Heinrich Straube ganz zu schweigen. Großes Lob von Britta Schmeis im "Spiegel": "Es geht um das Porträt einer ganzen Epoche, das Karen Duve so entzückend romantisch und zynisch-nüchtern aufschreibt."

Karen Duve: "Fräulein Nettes kurzer Sommer", Galliani Berlin, erschienen im September 2018, 592 S., 25 €

Ein "Benimmpapst", eine Paartherapeutin, ein Entwickler und eine junge Feministin stellen das Personal in "Der restliche Sommer". Drei fliehen vor ihrem Leben nach Portugal, einer hat einen Anschlag überlebt und liegt im Krankenhaus (Darmtumor). Max Scharnigg packt viel ernsten Stoff in seinen Roman. Hilft alles nichts. "Bei ihm sind sogar die Bombenlegerinnen irgendwie süß und die Dystopien wie Geheimtipps für schnuckelige Sommerferien zu zweit", urteilte Martin Halter in der "FAZ".

Max Scharnigg: "Der restliche Sommer", Hoffmann und Campe, erschienen im März 2018, 240 S., 20 €

Der alt gewordene Leo Colston findet sein Jugendtagebuch wieder und blickt zurück auf einen Sommer im Jahr 1900 – als er Überbringer heimlicher Liebesbotschaften zwischen Pächter und Schlossherrentochter war. Das klingt übel kitschig, ist aber schön poetisch geschrieben. Der Roman erschien 1953 unter dem Titel "The Go-Between". "Wer Ian McEwans 'Abbitte' mochte, wird 'Ein Sommer in Brandham Hall' lieben!": Das schrieb die Frauenzeitschrift "Cosmopolitan" über den Roman. 

L. P. Hartley: "Ein Sommer in Brandham Hall", neu aus dem Englischen übersetzt von Wibke Kuhn, Eisele, erschienen im Mai 2019, 400 S., 22 €

Benedict Wells' Debütroman über den Lehrer und gescheiterten Musiker Robert Beck hat Leser und Kritiker bei der Premiere 2008 gleichermaßen verzaubert; 2015 wurde das Buch mit Christian Ulmen in der Hauptrolle verfilmt. "Einer, der sein Handwerk versteht und der eine Geschichte zu erzählen hat: Der 23-jährige Benedict Wells schlägt in seinem Erstling einen neuen unangestrengten Ton an", lobte der jetzige Rowohlt-Verleger Florian Illies damals in der "Zeit".

Benedict Wells: "Becks letzter Sommer", Diogenes, erschienen im Dezember 2009, 464 S., 12 €

Ursula, frisch verheiratet und bereit für den ersten gemeinsamen Urlaub, wacht vor der Reise in der Vergangenheit auf, bei ihrer herrischen Tante Priska und ihrem öden Bürojob. Um wieder im Jetzt anzukommen, muss sie den Weg unverändert rückwärts gehen ... Der Roman erschien erstmals 1967 und wurde mit Marlen Haushofers "Die Wand" verglichen. "Die dichten Schilderungen entfremdeter Arbeit suchen in der Literatur ihresgleichen", schrieb Karl-Markus Gauss in der "NZZ".

Hannelore Valencak: "Das Fenster zum Sommer", Residenz, erschienen im November 2011, 256 S., 19,90 €

Potsdam, 1985. Der 16-jährige André bleibt in den großen Ferien allein zu Hause. Mit seinen Freunden streift er durch die heiße, leere Stadt – und erlebt die erste Liebe, die Musik und die Bücher, die für immer bleiben. "Kubiczek hat ein hinreißendes Prosastück über das juvenile Schwingen zwischen Wirklichkeiten und Wünschen, teuren Westimporten und erfinderischen Selbstentwürfen" geschrieben, meinte Rose-Maria Gropp in der "FAZ".

André Kubiczek: "Skizze eines Sommers", Rowohlt Berlin, erschienen im Mai 2016, 384 S., 19,95 €