Die beiden Hanser-Bücher „Die Nickel Boys“ von Colson Whitehead und „Miroloi“ von Karen Köhler brauchen keinen Schutzumschlag: Bei Whitehead ist die Coverklappe verlängert und kann um das komplette Buch gefaltet werden, auch „Miroloi“ kommt ohne Schutzumschlag aus. Hier ist das hintere Vorsatzpapier verlängert und kann um den Buchblock gefaltet werden (siehe Video am Ende des Beitrags). Eine ähnliche Variante hat bereits der Luftschacht Verlag aus Wien im Frühjahr 2018 Handel getestet.
Herr Hassiepen, die Diskussion um den Verzicht von Einschweißfolie ist sicher der Ursprung Ihrer Idee. Was genau ist das Ziel Ihres neuen Schutzumschlags?
Über das Thema Folienverzicht wird ja schon lange geredet. Auch uns ist es nicht sonderlich behaglich. Aber es gibt unterschiedliche Bedürfnisse was die Buchverpackung angeht. Unverpackte Bücher haben im Handel durchaus auch Probleme, wie ich selbst nur zu gut weiß. Vor langer Zeit war ich sechs Jahre lang als Buchhändler tätig und kenne die Empfindlichkeiten der Kunden aus erster Hand – ich glaube auch nicht, dass sich da etwas fundamental geändert hat. Es wäre ja einfach, die Bücher unverpackt in den Handel zu geben, aber der Folienverzicht allein löst das Problem der Buchhändler nicht und wird dem Bedürfnis des Kunden auch nicht gerecht. Unsere Idee war darum eine Verpackung zu schaffen, die ohne Verschweißung auskommt und den Kunden etwas in die Hand geben, bei dem er das Gefühl hat „Ich bin der erste, der es aufmacht.“ Wir wollen diesen psychologischen Moment bewahren und gleichzeitig dazu beitragen, dass der Kunde von der Vorstellung abkommt, dass er ein jungfräuliches Buch bekommt, auf dem kein Kratzer und kein Staubkorn sein darf. Das wird am Anfang womöglich noch schwer zu verkaufen sein, aber es wird langfristig bestimmt ein Umdenken geben - in anderen Ländern geht es ja auch!
Bei den „Nickel Boys“ lässt sich das Buch immer wieder durch die Softpoints verschließen. Ist Ihre Druckerei auf diese technischen Rafinessen überhaupt eigestellt?
Noch ist alles ein Versuch – alle Umschläge werden momentan noch per Hand umgelegt – da muss in der Druckerei irgendwann noch nachgerüstet werden, damit nichts verklebt – für Schnellschüsse oder hohe Auflagen ist das Verfahren noch nicht geeignet. Vielleicht gibt es später auch eine flächigere Lösung oder ganz andere Softpoints? Wir sind noch dabei zu experimentieren. Momentan endet der Umschlag oben etwas kantig, das ist noch keine Dauerlösung.
Welche Herausforderung ergeben sich durch den Folienverzicht in der Logistik und Herstellung?
Von außen betrachtet, denkt man: „Lasst doch einfach die Folie weg!“, aber das hat Auswirkungen auf den Transport und die Logistik. Eingeschweißte Bücher lassen sich zum Beispiel viel höher auf Europalette stapeln und rutschen weniger herum. Beim Transport im LKW wirken auf die unteren Bücher enorme Kräfte, wenn der LKW um die Kurve fährt, fängt alles an zu schaukeln und die Umschläge verkratzen. Möglicherweise brauchen wir also kleinere Verpackungeinheiten, der Einspareffekt der Folie hat also ein paar Eintrübungen.
Was sagen Ihre Vertreterinnen und Vertreter zum Thema?
Wir haben unsere Vertreter auf der Sitzung überrascht, sie waren sehr angetan – Diskussionen und Bedenken gab es natürlich trotzdem. Aber wir wollten nicht warten, bis wir das 100-prozentige Endeergebnis haben, sondern das Ganze erstmal anstoßen. Wenn man nichts versucht, bekommt man auch keine Rückmeldung aus dem Handel.
Die ersten beiden Bücher sind im Handel. Wie geht es jetzt weiter, Herr Hassiepen?
Wir warten jetzt erst einmal die Erfahrungen ab und versuchen gleichzeitig, die technische Seite in den Griff zu kriegen, damit das Verfahren auch maschinell durchgeführt werden kann. Dann sehen wir weiter. Bislang gefällt zumindest mir persönlich die Lösung bei Whitehead besser, weil hier das Buch komplett verschlossen ist und nicht nur der Buchblock.
Im Video: Art Director Peter-Andreas Hassiepen stellt die neuen Umschläge vor.
Jedenfalls ist dies eine doch prima Idee, welcher der Hanser Verlag da gerade in der Erprobung hat.
Die Lösung mit dem Buch von Colson Whitehead ,Die Nickel Boys` , welche da auch von Herrn Hassiepen positiv eingeschätzt ist, weil das ganze Buch ja komplett verschlossen ist, wirkt doch sehr überzeugend.
Der echte Schutzumschlag ist jetzt zwar nicht da, doch erfüllt diese verlängerte Coverseite um das Buch herum eine richtige Lösung, denn das Buch ist da dann wirklich geschützt, so wie dies sein soll.
Die Feinheiten werden sich dann noch bei den weiteren Planungen ergeben.
Und das Ganze, auch mit der zweiten Möglichkeit, das Buch mit dem ausfaltbaren Vorsatzpapier, ist weiter in der Bearbeitung.
Wichtig war für Herrn Hassiepen zunächst einmal einen Anfang zu machen, wie man so etwas entwickeln könnte.
Die nächsten Wochen werden dann beim Hanser Verlag und den Rückmeldungen der Buchhändler und anderer Verleger zeigen, welche Wege der Hanser Verlag dann in Richtung Schutzumschlag gehen wird und wie die gesamten Strategien aussehen.