Die Nominierten des Deutschen Jugendliteraturpreises 2019

Von Träumen bis Traumata

20. März 2019
Redaktion Börsenblatt

33 Titel haben Kritiker und Jugendliche heute auf der Leipziger Buchmesse für den mit insgesamt 72.000 Euro dotierten Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert. Der Sonderpreis Neue Talente widmete sich diesmal der Illustratoren-Sparte.

Die Nominierungen sind in diesem Jahr auf viele unterschiedliche Verlage verteilt. "Viele der nominierten Bücher wagen sich mit herrlichem Witz und kunstvoller Sprache an die kleinen und großen Herausforderungen unserer Welt heran", erläuterte der Vorsitzende der Kritikerjury, Prof. Jan Standke. "Dabei stellen die Autoren neue Erfahrungsräume, Figuren und ganz überraschende Sichtweisen in den Mittelpunkt. Geordnet nach verschiedenen Sparten sehen die Nominierungen wie folgt aus:

.

Sparte Bilderbuch, Kritikerjury

Jörg Mühle: "Zwei für mich, einer für dich", Moritz, 12,95 €, ab 3

Auszug aus der Jurybegründung: "Ein Bär, ein Wiesel … und drei Pilze! Mehr braucht es nicht, um eine friedliche Szene im Wald in einen heftigen Streit unter Freunden zu verwandeln. Hat der Bär mehr Anrecht auf den dritten Pilz, weil er größer ist? Oder überzeugt die Logik des Wiesels, wenn es argumentiert, dass es noch wachsen müsse und deshalb den Pilz viel nötiger habe? Wie gut, dass sich meist ein Dritter freut, wenn zwei sich streiten! In diesem Fall entführt ein Fuchs mit frechem Griff das Streitobjekt, und es kann wieder Frieden einkehren im Wald. Bis das Wiesel den Nachtisch präsentiert: Drei Walderdbeeren … Die schnell erfassbare Geschichte überzeugt mit Witz und einem offenen Ende, das zum Nachdenken anregt: Geht der Streit nun wieder von vorne los? Haben Bär und Wiesel dazugelernt? [...]"

Mac Barnett (Text) und Jon Klassen (Ill.): "Der Wolf, die Ente & die Maus", Aus dem Englischen von Thomas Bodmer, NordSüd, 15,00 €, ab 4

Auszug aus der Jurybegründung: "Als der Wolf die Maus verschluckt, denkt diese traurig an ihr Ende – und doch ist dies erst der Anfang einer absonderlichen, schwarzhumorigen, aber doch auch weisen Geschichte. Die Maus ist nicht das einzige Tier, das verschlungen wurde. Vor ihr war bereits eine Ente an der Reihe, die es sich im Innern des Wolfs sehr gemütlich gemacht hat. Da beschließt auch die Maus zu bleiben. Bietet so ein Wolfsbauch nicht alle Bequemlichkeiten? Und Sicherheit dazu – denn schließlich muss man nun nichts mehr fürchten. Auch nicht, von dem Wolf gefressen zu werden! Aus den Tiefen des Wolfs heraus freuen sich Maus und Ente ihres Lebens. Dem Wolf indes geht es gar nicht gut, und als auch noch der Jäger die Flinte auf ihn anlegt, tut Rettung not. Klar, dass Maus und Ente eingreifen müssen. Zur Belohnung dürfen sie sich etwas wünschen – und das, worauf sie sich einigen, dürfte nicht nur den Wolf überraschen! [...]"

Iris Anemone Paul: "Polka für Igor", kunstanstifter, 24,00 €, ab 5

Auszug aus der Jurybegründung: "Igor war in seinen besten Jahren als Zirkushund unterwegs mit den ganz großen Künstlern und Artisten. Aber diese Zeiten sind vorbei. Jetzt lebt er bei Olas Lieblingstante. Er ist in die Jahre gekommen, schläft viel und riecht nach sehr altem Wollpullover. Wenn aber die Familie zusammenkommt und vom Schallplattenspieler die Polka-Klänge von früher ertönen, kommt Leben in den alten Igor. Mit großen Gesten schildert er seine glamouröse Vergangenheit beim Wanderzirkus. Atemberaubende Erlebnisse gibt er preis, und das Mädchen Ola ist seine aufmerksamste Zuhörerin. Wir werden mitgenommen in Igors großen Reichtum der Erinnerungen aus Wahrhaftigkeit, Flunkerei und Phantasie und wieder zurück in die geborgene Stimmung der Familie, in der er jetzt zu Hause ist. Iris Anemone Paul legt Igor die Worte ins Mäulchen und zeigt Bilder dazu, die seine Zirkuswelt präsentieren. [...]"

Dave Eggers (Text) und Tucker Nichols (Ill.): "Wer hat die Brücke angemalt?", Aus dem Englischen von Peter und Sophie Torberg, Diogenes, 20,00 €, ab 6

Auszug aus der Jurybegründung: "Um keine geringere als die weltberühmte Golden Gate Bridge geht es in diesem Bilderbuch. Es erzählt nicht nur, wie sie zu ihrer Farbe kam, sondern zuerst von ihrem Entstehungsprozess: von der Idee im Jahr 1928 über die komplizierte Planung und fast noch kompliziertere Bauphase bis zur glücklichen Idee der Farbgebung. [...] Peter und Sophie Torberg haben in der deutschen Übersetzung einen Ton getroffen, der die Stimmung des Buches hervorragend mitträgt. [...]"

Joanne Schwartz (Text) und Sydney Smith (Ill.): "Stadt am Meer", Aus dem Englischen von Bernadette Ott, Aladin, 18,00 €, ab 6

Auszug aus der Jurybegründung: "Hier erleben die Bilderbuchbetrachter durch die Augen der kindlichen Hauptfigur einen unbeschwerten Sommertag irgendwo in einer kleinen Stadt am Meer. Ein Junge wird vom Möwengeschrei geweckt, er spielt, er erledigt für seine Mutter kleine Besorgungen. Joanne Schwartz lässt ihn seinen Tag in ruhigen Worten schildern. Immer erzählt der Junge dabei auch von seinem Vater, der als Bergmann tief drunten unter dem Meer nach Kohle gräbt. Die Gedanken an den Vater wiederholen sich ebenso wie die heranrauschende Brandung des Meeres. Illustriert werden sie mit querformatigen Doppelseiten voller Schwärze, die den arbeitenden Bergleuten ganz am unteren Bildrand kaum Raum zugestehen. [...]"

Blexbolex: "Unsere Ferien", Jacoby & Stuart, 22,00 €, ab 8

Auszug aus der Jurybegründung: "In einem alten Haus mitten in der Natur verbringt ein Mädchen unbeschwerte Ferientage beim Großvater, bis eines Tages ein Gast vom Bahnhof abgeholt wird: Ein junger Elefant steht dort, mit ungewöhnlichem Gepäck. Er ist ab jetzt bei allem mit dabei, sitzt am Tisch und isst, läuft durch Wohnzimmer und Garten und schleicht sich bedrohlich in die Träume des immer eifersüchtiger werdenden Kindes, das den Ferienort offenbar nicht teilen mag. Mit allen Mitteln und sich steigernder Boshaftigkeit versucht sie, den Elefanten zu vertreiben, bis er schließlich tatsächlich in Gefahr gerät. Dieser Bilderroman erzählt ganz ohne Text mit unterschiedlichen Bildformaten. Elemente des Comics beflügeln dabei zusätzlich die Phantasie des Betrachters, etwa wenn in einem Kästchen mit einem vergrößerten Vogel offenbar vom Gezwitscher in den Bäumen erzählt wird oder das Zifferblatt einer Uhr beklemmend das Vergehen der Zeit vor Augen führt. [...]"

.

.

Sparte Kinderbuch, Kritikerjury

Franziska Biermann: "Jacky Marrone jagt die Goldpfote", dtv junior, 12,95 €, ab 7

Auszug aus der Jurybegründung: "Aurelia, das Huhn der Witwe Bolte, ist verschwunden! Geklaut, von gemeinen Dieben! Wer könnte diesen Fall besser lösen als Privatschnüffler Jacky Marrone? Zum Glück hat Jacky als Fuchs nicht nur eine gute Spürnase für Kriminalfälle aller Art, nein, er besitzt auch noch den Agentenkoffer „Sherlock“ mit eingebautem SpurenSicherungsSauger. Schon bald führt ihn die Fährte zum Pfandhaus von R. Stilzchen. Was hat dieser heuchlerische Goldhändler mit Aurelia zu tun? Und warum tauchen plötzlich die gefürchteten Pancake-Brüder vor dem Pfandhaus auf? Knifflige Fragen, für deren Lösung der Meisterdetektiv Schrumpftropfen, Sprühseil und jede Menge Sachverstand benötigt. [...] Die Autorin präsentiert hier ein Füllhorn an großartigen Ideen."

Silke Lambeck (Text) und Barbara Jung (Ill.): "Mein Freund Otto, das wilde Leben und ich", Gerstenberg, 12,95 €, ab 9

Auszug aus der Jurybegründung: "Berlin ­– Prenzlauer Berg: Matti und Otto kennen sich seit Ewigkeiten und stellen sich täglich den Herausforderungen einer Kindheit, in der alles nach Plan abläuft: Schule, Klavierunterricht, Yogastunden. Weit und breit ist vom wilden Leben nichts zu sehen. Die einzige Gefahr ist, dass Ottos Mutter einen peinlichen Mama-Blog über ihre Kinder verfasst hat. Als Otto und Matti einen Rap für die Schule schreiben sollen, beschließen sie, endlich einmal etwas Verbotenes zu unternehmen. Sie planen einen Rap auf den Kiosk-Besitzer Hotte, denn der ist der totale Kinderfeind. Bei den Recherchen stellt sich allerdings heraus, dass nicht Hotte, sondern skrupellose Immobilienhaie die wahre Bedrohung darstellen. Mutig brechen sie zu einer ganz besonderen Reise auf: Sie fahren heimlich nach Neukölln, um „echte“ Gangsta-Rapper um Hilfe zu bitten. [...]"

Sabine Lemire (Text) und Rasmus Bregnhøi (Ill.): "Mira #freunde #verliebt #einjahrmeineslebens", Aus dem Dänischen von Franziska Gehm, Klett Kinderbuch, 15,00 €, ab 9

Auszug aus der Jurybegründung: "Mira möchte Bloggerin werden und später Fotografin. Doch noch dringender möchte sie sich genau wie ihre beste Freundin Karla verlieben. Gemeinsam mit Beate, der Neuen, hat Karla sogar einen Club der Verliebten gegründet! Und ohne Schmetterlinge im Bauch darf Mira nicht mitmachen. Das ist schmerzhaft für Mira. Doch die Lösung könnte bei Louis liegen, ihrem besten Freund, mit dem sie gerne zusammen ist und vielleicht schafft sie es, sich ein klitzekleines bisschen in ihn zu verlieben. Ihrer Mutter gelingt die Liebe ja anscheinend viel müheloser … [...] Originell sind neben den Panels und den großflächig gestalteten Tagebuchseiten, die gezeichneten Instagram-Bilder von Mira, die mittlerweile auch ein echtes Instagram Profil hat: @mira_lemire. Franziska Gehm hat mit viel Feinsinn für die Übersetzung des Comics gesorgt."

Erin Entrada Kelly: "Vier Wünsche ans Universum", Aus dem Englischen von Birgitt Kollmann, dtv Reihe Hanser, 14,95 €, ab 10

Auszug aus der Jurybegründung: "Der 11-jährige Virgil ist extrem schüchtern und schafft es trotz aller Vorsätze nicht, seine Klassenkameradin Valencia anzusprechen. Valencia ist selbstsicher und unabhängig, aber fast taub, weshalb auch sie nur schwer Freunde findet. Damit nicht genug werden beide von Chet, einem Fiesling der übelsten Art, gemobbt. Unabhängig voneinander suchen Virgil und Valencia Hilfe bei Kaori, einem Mädchen, das anderen ihre hellseherischen Fähigkeiten anbietet. Auf dem Weg zu Kaori trifft Virgil auf Chet. Zufall? Oder Fügung? Fest steht, dass diese folgenreiche Begegnung das Schicksal aller verändert. Es kommt zu einem finalen Showdown im Wald, an dessen Ende die Kinder über sich hinauswachsen und ihre Ängste überwinden. [...] Birgitt Kollmann hat das Buch ausdrucksstark und sensibel aus dem Englischen übertragen."

Kieran Larwood: "Podkin Einohr. Der magische Dolch", Aus dem Englischen von Katharina Orgaß, Ravensburger, 14,99 €, ab 10

Auszug aus der Jurybegründung: "Ein Barde führt uns mit seiner Heldensage tief unter die Erde, hinein in einen prachtvollen Kaninchenbau: Podkin, seine Geschwister und alle anderen Kaninchenkinder warten sehnsüchtig auf den Beginn der Frostnacht. Doch plötzlich überfallen die Gorm, gefühlskalte Kaninchen in eisernen Panzern, den Bau der Gänseblum. Podkin muss mit ansehen, wie ihr Anführer, Scramashank, seinen Vater und Stammesführer angreift, bevor er mit seiner Schwester Paz und seinem Bruder Puk fliehen kann. Welches Schicksal alle anderen Hasen ereilt, kann man nur erahnen. Nun liegt es an Podkin, Paz und Puk, die Kaninchenheit zu retten. Viele Gefahren und Abenteuer warten auf die drei, bevor sie ihrem Erzfeind erneut gegenüberstehen müssen. [...] Besonders die Figur des Barden ist gut gewählt. [...] Die Übersetzung von Katharina Orgaß überträgt dieses heimelige Gefühl perfekt ins Deutsche und lässt ferne Zeiten lebendig werden."

Anna Woltz: "Für immer Alaska", Aus dem Niederländischen von Andrea Kluitmann, Carlsen, 12,00 €, ab 11

Auszug aus der Jurybegründung: "Parker musste sich von ihrem geliebten Hund Alaska trennen, weil ihr kleiner Bruder unter einer Hundehaarallergie leidet. Sven ist neu in Parkers Klasse, ein Ekelpaket wie Parker findet, der ihr das Leben schwer macht und ein Geheimnis mit sich trägt, das leider keins bleiben kann: Er hat Epilepsie. Deshalb ist Alaska jetzt sein Assistenzhund. Doch als Parker bei Sven einbricht, um Alaska zurückzuholen, geraten ihre festen Ansichten über Sven ins Wanken. In nächtlichen Gesprächen, in denen Parker sich nicht zu erkennen gibt, erzählen sie sich ihre Geheimnisse. Der Weg zur gegenseitigen Akzeptanz allerdings ist steinig und das Ringen um Alaska nimmt erst ein Ende als beide entdecken, dass Alaska wirklich ein ganz besonderer Hund ist. [...] Sven und Parker sind am Ende des Romans spürbar ein Stück älter geworden. Andrea Kluitmann hat besonders die Dialoge sprachlich herausragend übersetzt und der Geschichte dadurch Authentizität verliehen."

.

.

Sparte Jugendbuch, Kritikerjury

Stefanie Höfler: "Der große schwarze Vogel", Beltz & Gelberg,13,95 €, ab 12

Auszug aus der Jurybegründung: "Bens Mutter ist gegangen, ihr Herz ist plötzlich stehen geblieben und damit auch das gemeinsame Familienleben. Die Brüder Ben und Karl (von allen Krümel genannt) müssen den plötzlichen Tod ihrer geliebten Mutter verarbeiten, was dem sechsjährigen Krümel scheinbar leichter fällt als allen anderen Familienmitgliedern. Vor allem der Vater versinkt in schwere depressive Phasen und kann seinen Söhnen kaum Trost spenden. Auch Bens Umfeld kann nur schwer mit dem Tod seiner Mutter umgehen, viele sind unbeholfen und sprachlos. Nur eine sagt, was sie denkt, seine Mitschülerin Lina. Sie stellt Fragen, nimmt Ben an die Hand. In der Zeit der Trauer wächst die Zuneigung zwischen den beiden. [...] Die Handlung ist chronologisch aufgebaut, erzählt wird von der Woche nach dem Tod der Mutter. Zwischen den Kapiteln erleben die Leserinnen und Leser mit Ben ein 'Davor', in der Mitte des Romans das 'Jetzt' und in der zweiten Hälfte ein 'Danach'. [...]"

Lauren Wolk: "Eine Insel zwischen Himmel und Meer", Aus dem Englischen von Birgitt Kollmann, dtv Reihe Hanser, 14,95 €, ab 12

Auszug aus der Jurybegründung: "Crow, ein wenige Tage altes Baby, wird auf dem Meer ausgesetzt, von dem Maler und Einsiedler Osh gefunden und großgezogen. Osh lebt auf einer kleinen Insel vor der Küste von Massachusetts und teilt sich Crows Erziehung fortan mit Miss Maggie von der Nachbarinsel. Crow wächst heran und bemerkt, dass sie von den Einwohnern der Insel gemieden und als Aussätzige behandelt wird. Schließlich macht sie sich auf die Suche nach ihrer Herkunft. Ein zerrissener, nicht mehr lesbarer Brief sowie ein Rubinring ihrer leiblichen Mutter sind dabei die ersten Anhaltspunkte. Als sich ihr der vermeintliche Vogelwart Mr. Kendall immer häufiger in den Weg stellt, wird die Suche zu einem gefährlichen Unterfangen. [...] Die rührende Verbundenheit von Crow, Osh und Maggie verdeutlicht, dass eine gemeinsame Abstammung dafür nicht immer erforderlich ist."

Natalie C. Anderson: "City of Thieves", Aus dem Englischen von Beate Schäfer, dtv, 14,95 €, ab 13

Auszug aus der Jurybegründung: "'Wenn du ein Dieb sein willst, musst du als Erstes begreifen, dass es dich nicht gibt.' (S. 7) – Dies ist die erste von 18 Regeln, welche sich die 16-jährige Tina auferlegt, um in einer kenianischen Großstadt zu überleben. Nach der Ermordung ihrer Mutter bleibt ihr nur die Straße. Im Schutz der Goondas, der führenden Gang vor Ort, setzt sie alles daran, den Tod der Mutter aufzuklären und Rache zu nehmen. Dafür darf sie keine Schwäche zeigen und sich schon gar nicht für Freundschaften öffnen. Die Härte gegen sich selbst findet Ausdruck in der nüchternen Sprache der Ich-Erzählerin, die jedoch je nach Situation einen ironischen Ton oder mitunter sogar Verletzlichkeit durchscheinen lässt. [...] Das Buch ist ein wichtiger Beitrag, dem afrikanischen Kontinent eine Stimme zu geben."

Steven Herrick: "Ich weiß, heute Nacht werde ich träumen", Aus dem Englischen von Uwe-Michael Gutzschhahn, Thienemann, 15,00 €, ab 14

Auszug aus der Jurybegründung: "Anfang der 1960er Jahre, ein Vater, die Mutter tot, zwei Söhne, die heranwachsen. Der Vater arbeitet hart, trotzdem ist wenig Geld da. Die Jungs sind tagsüber auf sich selbst gestellt. Sie sind weder gewaschen noch gekämmt, ihre Kleidung ist dreckig. Einmal in der Woche sorgt Tante Alice für das Nötigste. Prekäre Verhältnisse, könnte man meinen. Aber es wird eine andere Geschichte erzählt. Vignettenartig reiht Harry, der ältere Sohn und Ich-Erzähler, Eindrücke und Erlebnisse seiner Kindheit und Jugend aneinander. [...] Es ist ein Buch, das mitwächst und sowohl junge als auch erwachsene Leserinnen und Leser berührt. Nicht zuletzt gelingt dies durch die feinsinnige, poetische Sprache, die für die Schönheit des Lebens mit allen Sinnen empfänglich macht. Die Ästhetik des Textes entfaltet sich auch in der meisterlichen Übersetzung von Uwe-Michael Gutzschhahn."

Dirk Pope: "Abgefahren", Hanser, 15,00 €, ab 15

Auszug aus der Jurybegründung: "Als Viorel, 17 Jahre alt, dick, ohne Freunde, seine Mutter morgens tot am Küchentisch findet, gerät seine Welt aus den Fugen. Wollte sie nicht immer zurück in ihre Heimat am Schwarzen Meer? Aber wie soll er sie da beerdigen, ohne Geld, Totenschein und Sarg? Kurz entschlossen verpackt er die tote Mutter im alten Schlafsack und übernimmt selbst den Transport. Ohne Führerschein im Opel Corsa. Es ist eine Reise in den „Wilden Osten Europas“, bei der Viorel sich am Ende verliebt und Hoffnung für sein Leben gewinnt. Durch innere Monologe werden die Leserinnen und Leser hineingezogen in Viorels Gedanken- und Gefühlswelt. Anfänglich ist er wirr, zerfahren, noch unter Schock. Im Laufe der Fahrt gewinnt er zunehmend an Klarheit und Zielstrebigkeit und wächst schließlich über sich hinaus. [...]"

Neal Shusterman (Text) und Brendan Shusterman (Ill.): "Kompass ohne Norden", Aus dem Englischen von Ingo Herzke, Hanser, 19,00 €, ab 15

Auszug aus der Jurybegründung: "Der 15-jährige Caden wird in die geschlossene Psychiatrie eingewiesen. Diagnose: Schizophrenie und bipolare Störung. Was er in seiner schwer zugänglichen, verworrenen Welt erlebt, schildert er in einer verstörend-packenden Geschichte. Brunnen, Trichter, ein Sprung vom Hochhaus und der Mariannengraben – der Sog der Tiefe und die Panik vor dem freien Fall sind bestimmende Motive des Erzählens. Zusätzlich gibt es eine zweite, phantastische Erzählebene. Ein Schiff, seine bizarre Besatzung und mittendrin Caden. Unweigerlich werden die Leserinnen und Leser in sein Unterbewusstsein hineingezogen und verstricken sich in einem Geflecht aus Realität und Wahn. [...]"

.

.

Sparte Sachbuch, Kritikerjury 

Antje Damm: "Was wird aus uns? Nachdenken über die Natur", Moritz, 18,00 €, ab 5

Auszug aus der Jurybegründung: "Ist Natur überall? Ist Technik schlauer als Natur? Haben Tomaten Angst vor uns? Sind giftige Pflanzen böse? Wo in deinem Leben hat Naturschutz keinen Platz? Woran erkennt man, ob etwas lebt? Was möchtest du über die Natur wissen? [...] Antworten gibt es bei Damm keine, erläuternde Sachinformationen nur punktuell. Und das ist gut so. Denn gerade in der assoziativen Auseinandersetzung mit der Thematik wird die bewusste Begegnung mit der eigenen Umwelt geschult, wird Neugier und Wissen generiert. Das kleine quadratische Buch ist ebenso eine Aufforderung zur Interaktion – zwischen Buch und Lesenden, zwischen Kindern und Erwachsenen – wie zum bedachten Umgang mit der Natur."

Mike Unwin (Text) und Jenni Desmond (Ill.): "Wanderungen. Die unglaublichen Reisen der Tiere", Aus dem Englischen von Stephanie Menge, Fischer Sauerländer, 16,99 €, ab 5

Auszug aus der Jurybegründung: "Buckelwal, Kaiserpinguin, Karibu, Monarchfalter und Weihnachtsinselkrabbe – so unterschiedlich diese Tiere anmuten, haben sie doch eines gemeinsam: Auf der Suche nach Nahrung oder um sich fortzupflanzen begeben sie sich auf Wanderschaft und legen im Lauf ihres Lebens unvorstellbar weite Strecken zurück.

In ihrem Sachbilderbuch greifen Mike Unwin und Jenni Desmond mit den Tierwanderungen ein Thema auf, das im Kontext von Globalisierung und Migration einerseits und angesichts von Erderwärmung und Umweltverschmutzung andererseits zunehmend Aufmerksamkeit erfährt und derer bedarf. [...] Knappe Texte rücken dabei ganz nah an das jeweilige Tier heran, schildern seine Lebensumstände in anschaulicher Sprache. [...]"

Heike Faller (Text) und Valerio Vidali (Ill.): "Hundert. Was du im Leben lernen wirst", Kein & Aber, 20,00 €, ab 7

Auszug aus der Jurybegründung: "Was hast du bisher gelernt in deinem Leben? Was wirst du noch lernen? Die Antworten, die Heike Faller und Valerio Vidali auf diese Fragen geben, sind mal überraschend einfach, mal philosophisch tiefschürfend; die Lebensereignisse, die sie im Zusammenspiel von knappem Text und variantenreich stilisierten Bildern zeigen, andeuten und hinterfragen, sind so individuell wie beispielhaft: Mit sieben ist die Welt noch neu und will ganz genau betrachtet werden. 30 ist das Alter, in dem man erkennt, dass Glück relativ ist, mit 44 wiederrum entdeckt man erste Falten auf den Zehen und mit 75 lernt man, Dinge zu verlernen. [...] Basierend auf Erfahrungen der Autorin und zahlreichen Interviews, die sie mit Menschen jeden Alters geführt hat, geben die gezeigten Stationen von 0 bis 99 Anlass zum Nachdenken und zum generationenübergreifenden Gespräch."

Susanna Partsch: "Schau mir in die Augen, Dürer! Die Kunst der Alten Meister", C. H. Beck, 28,00 €, ab 12

Auszug aus der Jurybegründung: "Ob Rembrandt, Raffael oder Giotto – wir kennen viele berühmte Namen und Bilder Alter Meister. Und doch bleiben Fragen offen. Wollten wir nicht immer schon wissen, ob Hieronymus Bosch unter Drogen stand, als er Das Jüngste Gericht malte? Wie sah wohl Peter Paul Rubensʼ Arbeitsplatz aus? Und zeigt das Museum wirklich die wertvollen Originale oder doch nur Kopien? Susanna Partsch kennt die Antworten, füllt zuverlässig Leerstellen.

Das gewichtige Handbuch ist sinnvoll in acht Großkapitel gegliedert wie „Themen der Maler“, „Malerei als Spiegel der Welt“, „Bilder in ihrer Zeit und heute“. [...] So schauen wir Dürer hochachtungsvoll im „Selbstbildnis im Pelzrock“ in seine blau-grauen Augen, kennen nun die Geschichte, die das Bild erzählt, wissen, was es mit Frisur und Handhaltung auf sich hat, wie seine Zeit darüber dachte. [...]"

Anja Reumschüssel: "Extremismus", Carlsen, 6,99 €, ab 13

Auszug aus der Jurybegründung: "Es ist trotz Taschenformat nicht zu übersehen, dieses rote Jugendsachbuch, das seinen Titel gleich auf dem Cover durch Kurztext und Bildsymbole definiert. Kein Schnickschnack, der vom wichtigen Anliegen ablenkt. [...] Entstehungsmöglichkeiten – auch historisch – werden durchleuchtet und alle Untersuchungen durch treffende Beispiele (wie etwa „Rechtsextremismus“) belegt. Zudem überzeugt das Buch mit sauber nachprüfbaren Internet-Quellenangaben in einem zehnseitigen Anhang. So gelingt es, die Fülle des Stoffes differenziert und doch angemessen reduziert abzubilden. Alle Überlegungen münden in der Frage: „Wie kannst du helfen?“ Auch hier folgt man gern dem Credo der Autorin, die für Aufklärung und Bildung plädiert. Ein Buch, das ein unmissverständliches Zeichen für Demokratie setzt.

Nora Krug: "Heimat. Ein deutsches Familienalbum", Penguin, 28,00 €, ab 14

Auszug aus der Jurybegründung: "Ein machtvolles Zitat auf dem Buchcover eröffnet den gewaltigen Bilderreigen dieses in seiner Machart und seinem Anliegen zugleich beeindruckenden und überwältigenden Sachbuches. Nora Krug, international tätige Publizistin und Professorin für Illustration in New York, erzählt hier ihre Familiengeschichte und spiegelt zugleich deutsche Vergangenheit. Dafür reiste sie quer durch Deutschland. Und stellt nun Fragen: Wer bin ich? Was bedeutet Heimat? Was hat Zeitgeschichte mit mir zu tun? Die Flut der Bilder – Zeichnungen, handgeschriebene Bildergeschichten und Tagebuchnotizen, Fotos, alte Dokumente, Archiv- und Flohmarktfunde – in direkter Layout-Mischung mit Texten, Geschichten, Ideen, bilden ein ebenso Aufsehen erregendes wie irritierendes Potpourri, das nicht auf den ersten Blick zu entschlüsseln ist. [...] Wie viel davon ist subjektiv, wie viel gehört auch zum kollektiven Gedächtnis? Das Fazit könnte heißen: 'Nur Annäherung ist möglich.' Eine Fundgrube, dieses Buch."

.

.

Nominierungen der Jugendjury

Monica Hesse: "Das Mädchen im blauen Mantel", Aus dem Englischen von Cornelia Stoll, cbj, 16,00 €, ab 12

Auszug aus der Jugendjury: "Ein spannendes, mitreißendes und flüssig zu lesendes Buch mit historischem Hintergrund, das eine andere Perspektive auf die Thematik Nationalsozialismus und Judenverfolgung liefert. Hier wird das Leben während des Zweiten Weltkriegs im von den Deutschen besetzten Amsterdam aus der Sicht einer jungen Holländerin geschildert. [...] Monica Hesse gelingt es – durch ihren gelungen Spannungsaufbau und den einfachen und doch literarischen Schreibstil, auch Jugendliche zum Lesen zu motivieren, die sich für geschichtliche wie auch politische Themen zunächst nicht interessieren. [...]"

Stefanie Höfler: "Der große schwarze Vogel", Beltz & Gelberg, 13,95 €, ab 12

Auszug aus der Jugendjury: "Wie es ist, wenn völlig unerwartet die Mutter stirbt, beschreibt die Autorin in einer beeindruckenden Dichte aus der Sicht des 14-jährigen Sohnes Ben. Mit voller Wucht schlägt dieser Tod in sein Leben ein – und er erinnert sich an seine Mutter: voller Liebe, aber auch mit Wut, voller Zuneigung, aber auch mit Unverständnis. In diesen Erinnerungsbildern wird das Verhältnis zwischen Ben und seiner Mutter sehr lebendig. Es sind kleine Fluchten aus der Gegenwart. In der Beschreibung der aktuellen Ereignisse wird die Tragik in ihrem Ausmaß für die Zurückgelassenen brutal spürbar. Zum Glück hat Ben den kleinen Bruder Krümel an seiner Seite, der mit ungebrochener Lebensfreude und Phantasie auch in den schwärzesten Momenten Licht in ihr Leben bringt, und so schaffen sie es gemeinsam, mit der eigenen und der Trauer des Vaters zurechtzukommen. [...] Dieses Buch ist erstaunlich und perfekt, voller Schmerz und Trost und letztlich Lebensfreude."

Rindert Kromhout: "Anders als wir", Aus dem Niederländischen von Birgit Erdmann, Mixtvision, 14,90 €, ab 12

Auszug aus der Jugendjury: "[...] Angelica Bell ist die Tochter der Malerin Vanessa Bell und wächst in einer freien, ungezwungenen und künstlerisch geprägten Familie auf. Ihre älteren Brüder Quentin und Julian nutzen alle Möglichkeiten, um sich kreativ zu entfalten. Doch die heranwachsende Angelica empfindet diesen Lebensstil zunehmend als belastend und sehnt sich nach jener Normalität, die sie im schulischen Alltag kennenlernt und die ihr Orientierung bietet. Das plötzliche Verschwinden der geliebten Tante Virginia Woolf nimmt die 17-jährige Angelica zum Anlass, Quentin zu bitten, aufzuschreiben, was sie ihm aus ihrer Kindheit erzählt. Auf diese Weise ergründen die Geschwister widersprüchliche Erinnerungen und lernen sich selbst wie auch ihre Familiengeschichte immer genauer kennen. [...]Die Leserinnen und Leser begleiten die unterschiedlichen Figuren intensiv durch ihr Leben, haben Teil an ihrer Entwicklung und fühlen sich tatsächlich mit dieser Familie verbunden. Das gelingt vor allem aufgrund der ungewöhnlichen und überzeugend gestalteten Erzählperspektive.

Kristina Aamand (Text) und Sune Ehlers (Ill.): "Wenn Worte meine Waffe wären", Aus dem Dänischen von Ulrike Brauns, Dressler, 16,00 €, ab 14

Auszug aus der Jurybegründung: "Sheherazade ist als Kind mit ihrer Familie aus dem Westjordanland geflüchtet. In Dänemark angekommen, leidet der Vater unter seinem Kriegstrauma. Die Mutter flieht in ihre Religion und erwartet von ihrer Tochter ebenfalls ein religiöses Leben. Mit 17 verliebt She sich in die emanzipierte Thea. Ihre Gefühle auszuleben, scheint unmöglich. Sie beginnt, zu schreiben. [...] Kristina Aamand begleitet die junge Protagonistin in ihrem packenden Roman auf elegante und wortgewandte Weise. [...] Mit ihrem raffinierten und authentischen Schreibstil unterstreicht die Autorin die direkte Art der jungen Muslima und gewährt einen differenzierten Einblick in deren verworrene Realität. Die gelungene Übersetzung greift diese Sprache stimmig auf. Wie ein roter Faden ziehen sich die eindrucksvollen Collagen aus Bildern und Schrift durch den Roman und verbinden kreativ Emotionen und Gedanken. Diese facettenreiche Coming-of-age-Geschichte ermutigt, für Individualität und Selbstliebe einzustehen."

Karen M. McManus: "One of us is lying", Aus dem Englischen von Anja Galić, cbj, 18,00 €, ab 14

Auszug aus der Jurybegründung: "Fünf Schüler müssen nachsitzen: Bronwyn, die Streberin, Addy, die Klassenschönheit, Nate, der Drogendealer und Cooper, der begnadete Baseball-Spieler. Der fünfte, Simon, hat die berüchtigte Gerüchte-App der Schule programmiert und ist verantwortlich dafür, dass unzählige Mitschüler bloßgestellt wurden. Als Simon plötzlich zusammenbricht und später stirbt, geraten alle vier unter Verdacht. Denn Simon starb keines natürlichen Todes und jeder hat etwas zu verbergen, oder? [...] Vordergründig hat Karen M. McManus einen extrem spannenden Krimi geschrieben. Mit klarer Sprache zeichnet sie eine nachdrückliche Geschichte, die von der ersten bis zur letzten Seite fesselt. Obwohl die Protagonisten zu Beginn der Erzählung fast klischeehaft dargestellt werden, spiegeln sie gerade dadurch die Lebenswelt der Leserinnen und Leser eindrucksvoll wieder. [...] Der Autorin gelingt es, unaufdringlich wichtige gesellschaftliche Fragen aufzuwerfen. Das Buch schafft den Spagat zwischen spannender Unterhaltung und Gesellschaftskritik ohne moralischen Zeigefinger, eher beschreibend und fragend als festlegend und vorgegeben."

Neal Shusterman (Text) und Brendan Shusterman (Ill.): "Kompass ohne Norden", Aus dem Englischen von Ingo Herzke, Hanser, 19,00 €, ab 15

Auszug aus der Jugendjury: "Wie fühlt es sich an, wenn man tief im eigenen Kopf verloren ist? Mit viel Mitgefühl und Authentizität erzählt dieser Roman vom 15-jährigen Caden, einem ganz normalen Teenager. Er ist liebenswürdig und sympathisch, bis sich eines Tages alles verändert und er mehr und mehr abdriftet.  Zusammen mit seinem Sohn, der selbst von der Krankheit betroffen ist, beschreibt Neal Shusterman Cadens Wahrnehmung und wie es sich anfühlt, schizophren zu sein. Die Erkrankung wird mit all ihren Auswirkungen gezeigt. Die Sichtweise wechselt zwischen Cadens 'realer' Welt und seinen Wahnvorstellungen. [...] Der Schreibstil ist bedrückend und real. Das Chaos in Cadens Kopf wirkt beängstigend und poetisch zugleich. Es ist erschreckend, was eine psychische Erkrankung mit dem menschlichen Verstand anstellen kann. Diese Geschichte ist unglaublich wichtig, denn sie zeigt uns, welchen Kampf psychisch kranke Menschen immer wieder austragen. Kompass ohne Norden sensibilisiert, macht Mut und klärt auf. Etwas ganz Besonderes und Einzigartiges."

.

.

Nominierungen der Sonderpreisjury: Neue Talente im Bereich Illustration

Halina Kirschner: Nominiert für ihre Illustration von "Trecker kommt mit" von Finn-Ole Heinrich und Dita Zipfel, mairisch Verlag, 15,00€, ab 3  

Auszug aus der Jurybegründung: "'Trecker muss mit!' Das steht unumstößlich fest für den kindlichen Erzähler in Finn-Ole Heinrichs und Dita Zipfels gleichnamigem Bilderbuch, das durch Halina Kirschners ausdrucksstarke Illustrationen in Siebdruckoptik überzeugt. Das Kind ist nie ganz zu sehen in den Bildern. Wenn es Trecker fährt, sieht man nur seine wehenden roten Haare, auf anderen Bildern hat es einen großen Umzugskarton über den Kopf gestülpt, und diese Geste bringt ebenso wie seine ganze Körperhaltung zum Ausdruck, was es von dem geplanten Umzug in die Stadt hält. [...] In großer Nähe zur kindlichen Gedanken- und Gefühlswelt sind auch der Trecker und die Landtiere als eigene Persönlichkeiten dargestellt. Gegensätze bestimmen Text und Bild: nicht nur zwischen der Perspektive des Kindes und der Erwachsenensicht, sondern auch zwischen Stadt und Land sowie zwischen Maschine und Tier. Auch farblich arbeitet Kirschner mit Kontrasten und setzt ein leuchtendes Orange gegen Türkis. Flächigkeit, dynamische Linienführung sowie hervorgehobene Outlines setzen die Eigenwilligkeit des kindlichen Protagonisten gelungen ins Bild."

Iris Anemone Paul: Nominiert für ihre Illustration von "Polka für Igor", kunstanstifter, 24,00 €, ab 5

Auszug aus der Jurybegründung: "Wie sieht ein Nachfahre Münchhausens aus, der Igor heißt und ein alter polnischer Zirkushund ist? Iris Anemone Paul hat am Siebdrucktisch, mit Schraffuren, die an Schabkartontechnik erinnern, eine überzeugende Antwort darauf gefunden: Igors schwarzes Fell ist von weißen Haaren durchzogen und seine Augen blitzen beim Fabulieren. Zu Polkamusik von der Schallplatte erzählt er in Iris Anemone Pauls Bilderbucherstling Polka für Igor einem Mädchen namens Ola von seiner Zeit als Zirkusartist. Die Illustrationen zu Igors Lügengeschichte feiern osteuropäische Tradition in gedeckten bunten Farben, und die Figuren erinnern an die Bremer Stadtmusikanten. [...] Die Bilder sind von einem musikalischen Grundton und viel Geselligkeit durchzogen und überraschen mit lustigen Details. [...]"

Mikael Ross: Nominiert für seine Illustration von "Der Umfall", avant-verlag, 28,00 €, ab 14

Auszug aus der Jurybegründung: "Noel ist Anfang 20, geistig beeinträchtig und lebt mit seiner Mutter zusammen, als es zum Titel gebenden Umfall kommt: Seine „Mumsie“ kippt im Badezimmer um und er erkennt, dass sie Hilfe braucht. Auf seine ganz eigene Art enträtselt Noel die Notrufnummer, seine Adresse und seinen Nachnamen. Da seine Mutter einen Schlaganfall hatte und nun als Betreuungsperson ausfällt, wird Noel nach Neuerkerode gebracht, ein Dorf in Niedersachsen, in dem Behinderte mit Nichtbehinderten zusammenleben. Äußerst gelungen setzt Mikael Ross in seiner grafischen Erzählung Der Umfall die Möglichkeiten des Mediums Comic ein und erzählt konsequent aus der Sicht seines behinderten Figurenensembles. Die Höhen und Tiefen menschlicher Beziehungen kommen so ungefiltert vor Augen: Liebe, Eifersucht, Freundschaft, Trauer und Glück. Großartig, wie Ross die Individualität seiner Figuren zeichnet, deutlich treten sie mit ihren Eigenarten hervor, changierend zwischen himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt, mit einfachem Buntstiftstrich von malerisch bis zur Karikatur, ganz dem emotionalen Erleben seiner Figuren entsprechend."