Lieblingstitel der Buchhandlungspreis-Gewinner (3)

"Versponnen und verrückt, poetisch und politisch"

15. Februar 2019
Redaktion Börsenblatt
Die Gewinner des Deutschen Buchhandlungspreises 2018 haben bei der Preisverleihung in Kassel ihr Lieblingsbuch in die Kamera gehalten. Das Börsenblatt hat bei den Buchhändlern nachgefragt, warum sie "ihr" Buch so schätzen. In Teil 3 unserer Serie haben wir die Gewinner aus Berlin gefragt:

Buchhandlung Anakoluth, Berlin

Christiane Hahn

Lieblingsbuch: Alexander Ilitschewski: "Der Perser", Suhrkamp, 750 S., 36 Euro

Begründung: "Dieser grandiose Meta-Roman mäandert mit seinen Figuren erzählend durch die Zeiten, durch transkaukasische Kulturräume um und am kaspischen Meer. Wunderbar ausufernd essayistische Ausflüge in Geo- und Kulturpolitik, Natur- und Geisteswissenschaften, in  die Philosophie und Poesie, östliche Ideen- und Denksysteme, Avantgardekunst und Spiritualität."

Buchhandlung Ferlemann und Schatzer, Berlin

Hanne Schatzer und Herwart Ferlemann

Lieblingsbuch: Maria Cecilia Barbetta: "Nachtleuchten", S. Fischer, 528 S., 24 Euro

Begründung: "…weil es versponnen und verrückt ist, poetisch und politisch, und weil es immer NOCH eine Geschichte erzählt, manchmal auch nur in einem Nebensatz ... und überhaupt, weil Maria Cecilia Barbetta uns bei ihrer Lesung in unserer Buchhandlung sowieso verzaubert hat ..."

Buchhandlung zur schwankenden Weltkugel, Berlin

Heike Vasel

Lieblingsbuch 1: Ilse Bindseil: "Marielle und die Revolution", ça ira, 224 S., 12,50 Euro
Begründung: " … seines bildwirksamen Covers wegen und stellvertretend für avancierte, feministische Literatur: ein schaurig-dystopischer Roman über das Schicksal der Weiblichkeit, der es in sich hat."

Lieblingsbuch 2: Karel Čapek: "Krieg mit den Molchen", Büchergilde
Begründung: "Eine hellsichtige Satire auf Globalisierung, Rassismus, Nationalismus etc., mit denen wir uns heute immer noch herumschlagen. Die Ausgabe der Edition Büchergilde ist wunderschön gestaltet und von Hans Ticha illustriert."

Lieblingsbuch 3: Karl Marx: "Das Kapital"
Begründung: "Ich habe das Buch in der Hoffnung, dass der 'Blaue Band' auf dem Foto gut zu erkennen wäre, gewählt. Immerhin ist das Buch ein Klassiker mit Symbolkraft, der aus gutem Grund immer wieder neu gelesen wird: Das Buch hilft, die Welt besser zu verstehen und möglicherweise auch, sie endlich einmal zum Besseren zu verändern."

Dante Connection, Berlin

Stefanie Hetze

Lieblingsbuch: Luce d’Eramo: "Der Umweg", Klett-Cotta, 480 S., 24 Euro

Begründung: "Ein Buch, das mir bei seinem ersten Erscheinen (1981 bei Rowohlt) die Augen geöffnet hat darüber, was aus der Geschichte wie erzählt wird und was vor allem, nicht. Und wie Scham das Handeln bestimmt. Lange Jahre habe ich dieses eminent wichtige Buch vermisst und bin nun sehr froh, dass es wieder lieferbar ist."

Der Zauberberg, Berlin

Natalia Liublina

Lieblingsbuch: Vladimir Nabokov: "Die Gabe", Rowohlt, 800 S., 39,95 Euro

Begründung: "Der Roman erzählt die Geschichte eines jungen Menschen zwischen zwei Welten (Russland und Deutschland) und richtet sich an diejenigen, die ahnen, dass es Geheimnisse im Leben gibt, die größer sind als das Gewöhnliche. Ein Meisterwerk, dessen Prosa Verzauberung und Leseglück auslöst und uns ein wenig mit der Wirklichkeit versöhnt."

Disko-Buchhandlung, Berlin

Krischa Hasselbach

Lieblingsbuch: Rachel Cusk: "Kudos", Suhrkamp, 215 S., 20 Euro

Begründung: "'Die weibliche Odysse des 21. Jahrhunderts': Die Protagonistin setzt viel Text (von anderen) wenig Text entgegen (brillanten)."

Krumulus, Berlin

Anna Morlinghaus

Lieblingsbuch: Stefanie Höfler: "Tanz der Tiefseequalle", Beltz, 190 S., 12,95 Euro

Begründung: "Die Geschichte einer ungewöhnlichen Freundschaft zwischen einem gehänselten Außenseiter und der Klassenschönheit, sprachlich überzeugend aus zwei Perspektiven erzählt. Wir hätten Stefanie Höfler für dieses kluge, vielschichtige Buch nicht nur eine Nominierung, sondern auch die Auszeichnung mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis gewünscht."

Pankebuch, Berlin

Petra Wenzel und Katrin Mirschink

Lieblingsbuch 1: Tomas Espedal: "Bergeners", Matthes & Seitz, 156 S., 20 Euro
Begründung: "Immer wieder sucht der Autor als Erzähler das Neue in der Fremde, aber es zieht ihn doch ständig in die vertraute norwegische Landschaft."

Lieblingsbuch 2: Golnaz Hashemzadeh Bonde: "Was bleibt von uns?", Nagel & Kimche, 224 S., 20 Euro
Begründung: "Eine verstörende und berührende Geschichte um Flucht, Ankommen, Liebe und Abschied in klarer und gleichzeitig zutiefst poetischer Sprache."

Pro qm Buchhandlung, Berlin

Katja Reichard

Lieblingsbuch: Lucius Burckhardt: "Wer plant die Planung? Architektur, Politik und Mensch", Martin Schmitz, 360 S., 18,80 Euro

Begründung: "Der Schweizer Soziologe und Planungstheoretiker Lucius Burckhardt (1925 – 2003), der auch die 'Spaziergangswissenschaft' begründete, ist für uns als Fachbuchhandlung mit dem Fokus auf Stadt eine zentrale und wichtige Figur, wir haben alle seine Schriften auf Deutsch und Englisch im Stapel vorrätig."

Tucholsky-Buchhandlung, Berlin

Jörg Braunsdorf

Lieblingsbuch: Takis Würger: "Stella", Hanser, 224 S., 22 Euro
Begründung: "Ich hatte mein eigentliches Lieblingsbuch, Ilma Rakusas 'Langsamer!', in Berlin liegengelassen. Hatte aber das Leseexemplar "Stella" von Takis Würger aus dem Hanser Verlag auf der Fahrt nach Kassel in einem Rutsch gelesen und weiß, daß es nunmehr zu meinen Lieblingsbüchern gehört und ab Januar 2019 von mir sehr aktiv angeboten werden wird. Das habe ich dann hochgehalten!"

Uslar & Rai, Berlin

Katharina von Uslar

Aktuelles Lieblingsbuch: Helene Hegemann: "Bungalow", Hanser Berlin, 288 S., 23 Euro
Begründung: "Eine intelligente, bedrückende, sehr eindrucksvolle Geschichte eines Mädchens, die mit einer alleinerziehenden, Alkohol abhängigen Mutter aufwächst und sich instinktiv ihre Retter sucht. Danach sieht man CHARLY überall!"

Ewiges Lieblingsbuch: Leo Tolstoi: "Krieg und Frieden", Hanser, 2288 S., 58 Euro
Begründung: "Eine RIESIGE Liebesgeschichte, ein großes Gesellschaftsbild Russlands im frühen 19. Jahrhundert, unglaublich eindringliche, menschliche Schilderungen vom Krieg. Es lohnt sich, das Personenregister inkl. aller Spitznamen zu durchschauen!"

Zabriskie – Buchladen für Kultur und Natur, Berlin

Lorena Carràs und Jean-Marie Dhur

Lieblingsbuch 1: W.G. Sebald: "Die Ringe des Saturn", Hanser, 352 S., 24,90 Euro
Begründung: "Es ist einzigartig, wie Sebald verschiedene Dinge zusammenführt: Fiktion und historisch Belegtes, Prosa und Dokumentarisches, Text und Bild – und im Rahmen von sehr lokalen Spaziergängen an der ostenglischen Küste ein Kaleidoskop aufmacht, das uns in ganz vergessene Zeiten, Kulturen und zu kuriosen Ereignissen führt."

Lieblingsbuch 2: Virginia Woolf: "Orlando", S. Fischer, 262 S., 19,90 Euro
Begründung: "Orlando ist eine ganz seltsame, märchen- oder legendenhafte Geschichte, die gleichzeitig wichtige feministische Fragen aufwirft. Während Woolf anhand einer plötzlich passierten Geschlechtsverwandlung das illusorische Konstrukt von sozial festgelegten Rollen von Frauen und Männern aufdeckt und in Frage stellt, läuft im Hintergrund ein mehrere Jahrhunderte dauerndes Panorama der europäischen Geschichte ab."