KNV ist pleite! Was nun?
Die KNV-Gruppe hat am 14. Februar beim Amtsgericht Stuttgart Insolvenz beantragt. Danach ging ein Beben durch die Branche. Wie geht es weiter? Welche Kettenreaktionen sind zu befürchten? Gibt es einen Notfallplan? Umfragen, Interviews, Analysen - lesen Sie alles zur KNV-Insolvenz in unserem Dossier!
Oder ist das Ketzerei unter Krähen?
KNV hat sich übernommen und muss offensichtlich - im Interesse der Branche - auf seine Kernkompetenzen zurückgestutzt, vermutlich auch auseinandergenommen werden.
Nun ja - wenn die aufgeregten Debatten vorbei sind, werden wir das hoffentlich mit kompetentem Managemant erleben.
Bisher ist von dieser Seite gar nichts Substanzielles gekommen - dieses Dossier
ist auch nicht hilfreich.
Hoffentlich sind die Mitarbeiter gut gewerkschaftlich organisiert. Das ist - auch im Buchhandel, wie überall im Handel, jedem* Angestellt*en nur zu empfehlen. Zuständig ist meist ver.di: https://www.verdi.de/
Unabhängig davon wünsche ich allen Beteiligten alles Gute.
Leider sind Arbeitsplatzverluste bei KNV nicht alle möglichen Konsequenzen. Dahinter hängt noch ein ganzer Rattenschwanz.
Fangen wir mit den Buchhandlungen an.
Einige Buchhandlungen (besonders die kleinen um die Ecke) sind kaum noch rentabel. KVN hat seinen Kunden bislang mit seiner Logistik geholfen, mit einem Minimum an Geldreserven arbeitsfähig zu bleiben und aktuelle Bücher zu zeigen. Weil, die können normalerweise ohne Abzüge zurückgegeben werden, wenn sie sich nicht verkaufen. Bislang allerdings ist unklar, ob solche Retouren bei KNV überhaupt noch vergütet werden können. Der Buchhändler (wenn er KNV-Kunde ist) muss also mit noch spitzerer Feder kalkulieren, hat mehr alte ( und damit weitgehend unverkäufliche) Ware an Lager und kann seine Kunden nicht mehr so gut mit frischen Büchern beglücken.
Das kann durchaus bedeuten, dass die Buchhandlung weniger verkauft. Und das wiederum kann für einige Buchhandlungen, die ohnehin am Limit sind, bdeuten, dass sie schließen müssen, weil es einfach nicht mehr reicht.
Nein, Amazon wird wohl nicht dazugehören. Der Laden macht auch mit Verlusten in Millionenhöhen weiter, schließlich können die gegen anderweitige Konzerngewinne irgendwo auf der Welt verrechnet werden.
Aber diese Möglichkeit hat eine kleine Buchhandlung nicht.
Wenn Sie also an deren Erhalt interessiert sind, heißt es heute mehr denn je: Buy local. Kaufen Sie vor Ort, in der Buchhandlung.
Leider sind das noch nicht alle Konsequenzen.
Der Buchgroßhandel bezahlt die Bücher, die er von den Verlagen bekommt, normalerweise erst zwei bis drei Monate später. Das bedeutet für die Verlage, dass sie das Geld von den Verkäufen im November und Dezember erst jetzt bekommen. Bekommen müssten. Denn diese Zahlungen sind durch die Insolvenz eingefroren, und es steht reichlich in den Sternen, ob die Verlage je etwas davon sehen werden. Da sind andere, viel größere Geldforderungen gegen KNV offen, und bei Insolvenzen bekommen alle meist nur noch einen Bruchteil ihrer offenen Forderungen zu sehen.
Ausgerechnet November und Dezember aber sind die umsatzstärksten Monate im Buchhandel. Das ist Geld, das für viele, besonders kleinere Verlage existentiell wichtig ist. Geld, das, selbst wenn es irgendwann noch gezahlt werden sollte, zunächst einmal in der Kasse und auf dem Bankkonto fehlt. Ausgerechnet jetzt, wo die Leipziger Buchmesse ansteht und bezahlt werden will, wo die neuen Frühlingstitel gedruckt werden müssen und die Druckereien bezahlt werden wollen.
Auch bei den kleineren Verlagen arbeiten viele am Limit, gerade mal eben so in den schwarzen Zahlen (wenn überhaupt). Wenn da jetzt plötzlich eine größere Summe fehlt, die zwei Monatseinkommen entspricht (real mehr, weil, wie schon gesagt, diese beiden Monate die umsatzstärksten sind, es ist eher zu vergleichen mit einem Drittel Jahresgehalt), dann kann das einem Kleinverlag den Boden unter den Füßen wegziehen.
Ja, der Verlag hat gut gearbeitet, hat gut verkauft, hätte theoretisch gute Einnahmen – aber die kommen nicht. Die fehlen.
Auf unbestimmte Zeit oder für immer.
Das heißt, die laufenden Kosten können nicht mehr bezahlt werden. Z.B. die Gehälter der Mitarbeiter. Oder die Mieten. Oder die Druckereien. Oder die Autoren. Oder das Finanzamt.
Und spätestens das versteht, wie wir alle wissen, bei fälligen Geldern keinen Spaß.
Die Insolvenz bei KNV kann also auch bedeuten, dass der eine oder andere Kleinverlag (und vielleicht auch der eine oder andere mittelgroße Verlag) die Pforten für immer schließt.
Und das bringt mich zur letzten der Konsequenzen.
Wovon, glauben Sie, kriegt ein Autor seine Tantiemen bezahlt für diese Bücher, die im Weihnachtsgeschäft verkauft wurden?
Autoren bekommen ihre Tantiemen bezahlt für Bücher, für die der Verlag Geld bekommen hat. Nicht Bücher, die verkauft wurden, sondern Bücher, für deren Verkäufe tatsächlich Geld beim Verlag angekommen ist.
Und davon kommt plötzlich über die Hälfte nicht mehr, bei einigem Pech.
Und, wie ich schon sagte, November-Dezember sind die umsatzstärksten Monate im Jahr. Das ist Geld, das viele Autoren dringend als Einkommen brauchen. Geld, das auch bei ihnen plötzlich fehlt, denn die wenigsten Autoren verdienen soviel, dass die mal locker zwei Monate ohne Einkommen wegstecken können.
Und auch für den Autor ist der Schaden größer als zwei Monate ohne Geld. Die Summe aus dem Weihnachtsgeschäft ist so hoch, dass es für den Autor so ist, als wenn Sie für drei bis vier Monate komplett ohne Gehalt leben müssten.
Ein Autor, der von seinen Büchern kein Geld sieht, wird sich eine andere Arbeit suchen müssen. Und weniger (oder gar nicht mehr) schreiben.
Und hier schließt sich der Kreis zum Leser:
Es kann sein, dass sie durch die KNV-Insolvenz in der Zukunft die Bücher ihres Lieblings-Autors von ihrem Lieblings-Verlag nicht mehr in ihrer Lieblings-Buchhandlung kaufen können, weil es all das nicht mehr gibt.
Selbst, wenn KNV doch noch gerettet wird.
Charlotte Erpenbeck
Machandel Verlag
Bei der reinen Verlagsauslieferung darf das Lagergut nie und nimmer in die Insolvenzmasse fallen. Denn die Verlage sind ja weiterhin Eigentümer des Lagergutes und haben die jetzt insolvente Firma lediglich mit der Einlagerung, dem Versand und der Abrechnung beauftragt.
warum schreiben Sie über die Situation des Buchhändlers, wenn Sie keine Ahnung davon haben?
"Weil, die können normalerweise ohne Abzüge zurückgegeben werden, wenn sie sich nicht verkaufen."
Ich kann Ihnen gerne die Konditionen für Remissionen an KNV zukommen lassen. Wir Buchhändler zahlen 2x Porto plus einer Bearbeitungsgebühr abhängig vom Ladenpreis des Buches und der Remissionsquote für jeden Titel den wir zurückschicken, und diese Gebühren sind vor kurzem erst deutlich erhöht wurden. Ihr Blick auf die Dinge aus der Sicht des Verlages ist durchaus interessant, aber von der Sicht des Buchhandels haben Sie leider zu wenig Ahnung.